Planeten um fast jeden Stern?
von Stefan Deiters astronews.com
11. Januar 2012
Ein internationales Astronomenteam hat versucht
abzuschätzen, wie häufig Planeten in unserer Milchstraße sind. Jetzt haben die
Forscher das Ergebnis ihrer statistischen Analyse vorgelegt: Planeten sind
danach in unserer Heimatgalaxie alles andere als selten. Das gilt insbesondere
für Planeten mit nur geringer Masse.

Planeten
überall? Eine statistische Analyse kommt zu dem
Ergebnis, dass Planeten in der Milchstraße eher
die Regel als die Ausnahme sind.
Bild: ESO / M. Kornmesser |
Ein neuentdeckter Planet um eine ferne Sonne ist inzwischen nichts Besonderes
mehr: Heute muss ein Exoplanet schon erdähnlich sein oder andere Besonderheiten
aufweisen, um es noch in die Nachrichten zu schaffen. In den vergangenen 16
Jahren wurden mehr als 700 extrasolare Planeten entdeckt und unzählige
Planetenkandidaten, die das Weltraumteleskop Kepler aufgespürt hat,
warten noch auf ihre Bestätigung. In unserer Milchstraße gibt es allerdings
viele Milliarden Sterne, so dass sich zwangsläufig die Frage stellt, wie häufig
Planeten generell in unserer Heimatgalaxie sind: Ist ein Stern mit Planeten eher
die Regel oder die Ausnahme?
Zwei Techniken kommen am häufigsten bei der Fahndung nach extrasolaren
Planeten zum Einsatz: Entweder sucht man nach einem leichten Wackeln eines
Sterns, das durch einen umlaufenden Planeten verursacht wird (die sogenannte
Radialgeschwindigkeitsmethode) oder aber man fahndet nach leichten
Helligkeitsschwankungen einer Sonne, die durch einen Planeten zustande kommen,
der gerade - von der Erde aus betrachtet - vor der Scheibe seines Zentralsterns
vorüberläuft (die Transitmethode).
Beide Verfahren haben Nachteile: So lassen sich mit der
Radialgeschwindigkeitsmethode massereiche und nahe um ihre Sonne kreisende
Planeten deutlich leichter aufspüren als masseärmere und weiter von ihrem
Zentralstern entfernte Welten. Und damit sich ein Planet mit der Transitmethode
entdecken lässt, muss dieser gerade so um seinen Stern kreisen, dass wir diesen
Transit von der Erde sehen können. Auch dabei sind dann Planeten mit kürzerer
Umlaufdauer - also geringerer Entfernung von ihrem Stern - deutlich leichter und
vor allem schneller aufzuspüren. Sicher ist also, dass trotz der beachtlichen
Zahl von Planetenfunden viele Welten um andere Sonnen unentdeckt bleiben.
Für ihre Untersuchung haben die Astronomen nun ein vollkommen anderes
Verfahren ausgewählt, mit dem sich Planeten in einem großen Massenbereich und in
ganz unterschiedlicher Entfernung von ihrem Stern entdecken lassen. Die Technik
beruht auf dem sogenannten Mikrolinseneffekt. Um einen Planeten zu entdecken
werden dabei zunächst zahlreiche weit entfernte Hintergrundsterne überwacht.
Wenn nun ein Stern durch die Sichtlinie von der Erde zum Hintergrundstern
wandert, lenkt dessen Gravitation das Licht des entfernten Sterns etwas ab. Er
wirkt dadurch wie eine Linse, die das Licht des Hintergrundsterns verstärkt.
Auf der Erde registriert man deswegen ein einmaliges und vorübergehendes
charakteristisches Ansteigen der Helligkeit des beobachteten Sterns. Kreist nun
aber um den "Linsenstern" ein Planet, führt dies zu einer Störung des
Helligkeitsverlauf, die wiederum Rückschlüsse auf den umlaufenden Planeten
erlaubt. Auf diese Weise lassen sich Planeten finden, die man mit anderen
Methoden kaum entdecken würde. Allerdings benötigt man für einen Fund eine ganz
besondere und sehr seltene Konfiguration von Hintergrundstern, Linsenstern und
Planet.
Die Planetensuche mit Hilfe des Mikrolinseneffekts ist also alles andere als
einfach. Für ihre Analyse konnte das Team aber auf die Daten von zwei
Forschergruppen zurückgreifen, die trotzdem genau dies versucht haben, nämlich
auf die Daten der PLANET- und der OGLE-Kollaboration. Innerhalb von sechs Jahren
haben die beteiligten Forscher bei mehreren Millionen Sternen nach
Mikrolinsen-Ereignissen gesucht und tatsächlich drei Planeten aufgespürt - eine
Super-Erde (also einen Planeten mit der zwei- bis zehnfache Masse der Erde) und
jeweils einen Planeten mit der Masse von Neptun und Jupiter. Dies mag für den
Laien wenig klingen, für Mikrolinsen-Experten allerdings ist dies eine
beachtliche Ausbeute. Entweder hatten die Astronomen also wahnsinnig viel Glück
oder aber Planeten sind so häufig, dass ihre Entdeckung praktisch unvermeidlich
ist.
Für ihre Statistik kombinierten die Astronomen nun die drei Exoplaneten-Funde
mit sieben weiteren Entdeckung aus früheren Untersuchungen und mit der großen
Zahl von Fällen, in denen kein Planet entdeckt wurde. Das Resultat: In unserer
Milchstraße sollte es ungeheuer viele Planeten geben. So müsste jeder sechste
der untersuchten Sterne von einem Planeten mit etwa der Masse des Jupiter, jeder
zweite von einem mit Neptunmasse und zwei Drittel der Sterne von einer
Super-Erde umkreist werden. Die Studie berücksichtigte dabei Planeten zwischen
der fünffachen Masse der Erde und der zehnfache Masse des Jupiter, die ihren
Stern in einem Abstand zwischen 75 Millionen und 1,5 Milliarden Kilometer
umkreisen. Zusammengenommen ergibt die Auswertung, dass im Schnitt um jeden
Stern mehr als ein Planet kreisen sollte.
"Wir haben immer gedacht, die Erde sei einzigartig in unserer Galaxie", fasst
Teammitglied Daniel Kubas vom Institut d'Astrophysique de Paris das
Ergebnis zusammen. "Aber jetzt sieht es so aus, als würde es praktisch
Milliarden von Planeten in unserer Milchstraße geben, die in etwa die Masse der
Erde haben." Die Astronomen berichten über ihre Analyse in einem Fachartikel,
der morgen in der Wissenschaftszeitschrift Nature erscheint.
|