Proben-Rückkehr nach 22 Monaten im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
4. April 2011
22 Monate haben äußerst widerstandsfähige Sporen im Weltall verbracht,
vor einigen Wochen kehrten die Proben an Bord der Raumfähre
Discovery zur Erde zurück. Wie viele der Sporen die harschen
Bedingungen im Weltall überlebt haben, könnte den Wissenschaftlern auch
verraten, ob sich Mikroorganismen mit Hilfe von Meteoriten im
Sonnensystem ausbreiten konnten.
22 Monate haben widerstandsfähige Sporen von
Bacillus subtilis im Versuchsträger EXPOSE-R
außen an der Internationalen Raumstation ISS
verbracht.
Foto: DLR / NASA |
22 Monate haben widerstandsfähige Sporen von Bacillus subtilis im
Versuchsträger EXPOSE-R außen an der Internationalen Raumstation ISS
verbracht. Zum ersten Mal während einer Langzeitmission wurden sie dabei
vermischt mit künstlichem Meteoritenstaub den harschen
Weltraumbedingungen ausgesetzt. Nun untersuchen die Wissenschaftler des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wie viele Sporen den
Einsatz im All überlebt haben. Hat der Meteoritenstaub die Sporen vor
den lebensfeindlichen Weltraumbedingungen geschützt, könnten so auch
Mikroorganismen längere Zeit in Meteoriten überleben und von einem
Planeten zum nächsten gelangen.
Die knapp 300 Proben mit Mikroorganismen, die Dr. Gerda Horneck,
Leiterin des Experiments SPORES (Spores in artificial meteorites), und
ihre Kollegen vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in den
nächsten Monaten untersuchen werden, haben bereits seit Experimentbeginn
im März 2009 eine harte Zeit hinter sich: UV- und ionisierende
Strahlung, Vakuum, Temperaturschwankungen von minus 20 bis plus 40 Grad
Celsius in der EXPOSE-R-Anlage der Europäischen Weltraumorganisation
ESA, Schwerelosigkeit und den Verzicht auf jegliche Nährstoffe.
Die Sporen von Bacillus subtilis sind dabei wahre Überlebenskünstler mit
einer effektiven Strategie: In einer Art Ruhezustand warten sie ab, bis
die Bedingungen wieder günstiger werden, keimen dann erneut aus und
nehmen den Stoffwechsel wieder auf. Diese Reaktion wollen die
Wissenschaftler jetzt wieder auslösen. "Wir versuchen zunächst, die
Sporen mit Nährstoffen wieder zum Leben zu erwecken", erklärt die
Astrobiologin Corinna Panitz, die als Wissenschaftlerin an SPORES
beteiligt ist. "So kontrollieren wir, wie viele Sporen den
Langzeitaufenthalt im Weltraum überlebt haben, wie groß die Schädigung
an der DNA ist und welche Schäden vorliegen."
Bacillus subtilis ist ein bereits sehr gut erforschter Mikroorganismus,
der in Boden, Wasser und Luft verbreitet ist - und aufgrund seiner hohen
Widerstandsfähigkeit gegen Vakuum, Strahlung und Temperatur ein guter
Kandidat für die potenzielle Reise in einem Meteoriten durchs Weltall
sein könnte. In der Versuchsanlage EXPOSE-R testeten die Wissenschaftler
seine Überlebensfähigkeit unter möglichst verschiedenen Bedingungen.
"Mit optischen Filtern und verschiedenen simulierten
Meteoritenmaterialien haben wir die Umgebungsbedingungen für die
Mikroorganismen unterschiedlich gestaltet", sagt Panitz.
Ein Teil der Proben wurden im Versuchsträger einer Atmosphäre aus
Edelgas ausgesetzt, ein anderer Teil dem Vakuum. Während einige der
Glasträger mit jeweils zehn Millionen Sporen nur durch eine acht
Millimeter dicke, spezielle, sehr UV-durchlässige Scheibe der
UV-Strahlung ausgesetzt waren, erhielten andere eine verminderte
Strahlungsdosis durch optische Filterscheiben. Mikroorganismen, die auf
den unteren zwei der drei gestapelten Versuchsträger aufgebracht waren,
blieben von der extraterrestrischen UV-Strahlung ganz verschont.
"Wir haben damit die Sporen einem jeweils unterschiedlichen
Strahlenklima ausgesetzt: Die Sporen, die dem gesamten Spektrum
ausgesetzt waren, werden vermutlich tot sein, weil die Zellen die vielen
erhaltenen Schäden nicht mehr reparieren können", erläutert die
Astrobiologin. "Bei geringerer Dosis werden wohl mehr Mikroorganismen
ihre Lebensfähigkeit aufrecht erhalten haben." Darüber hinaus stellten
die Forscher auch unterschiedliche Szenarien mit dem Meteoritenstaub
nach - einige Mikroorganismen wurden mit dem Staub bedeckt, andere mit
ihm vermischt.
Zeitgleich mit dem Experiment auf der Internationalen Raumstation ISS
führten die DLR-Forscher das Experiment auf dem Boden in ihrer
"Planetary and Space Simulation Facility" durch. In den
Vakuumpumpständen in Köln herrschten für die 300 Proben des Bacillus
subtilis im Meteoritenstaub weitgehend dieselben Bedingungen wie für die
Mikroorganismen im Weltall. Temperaturverlauf, Vakuum und
Strahlungsintensität werden zum Teil von der ISS gemeldet und dann auch
für die heimischen Proben als Umgebung geschaffen. "Wir haben damit hier
auf der Erde einen Vergleichsprobensatz", erklärt Panitz. "Bei der
ionisierenden Strahlung und der Schwerelosigkeit müssen wir allerdings
passen - die gibt es in diesem Ausmaß tatsächlich nur im Weltraum."
Neben den 300 Proben der DLR-Wissenschaftler sind noch etwa weitere 800
Proben aus EXPOSE-R mit der Discovery zur Erde zurückgekehrt.
Mit Dr. Gerda Horneck als Koordinatorin des "Response of Organisms to
Space Environment" (ROSE)-Konsortiums bedeutet das, dass das DLR-Team
nicht nur zu Beginn der Mission die gesamte Versuchsanlage vorbereitete,
sondern jetzt auch die Proben der anderen beteiligten Wissenschaftler
aus aller Welt akribisch zuordnet und diese dann an die Forscher
schickt.
Dann beginnt die eigentliche Forschungsarbeit: Ein Jahr lang, so
schätzen die DLR-Wissenschaftler, wird es dauern, bis alle Proben
untersucht und ausgewertet sind. "Bei der Auswertung des Experiments
analysieren wir genau, wie viel Schutz das Meteoritenmaterial den
Mikroorganismen bieten kann." Die Antwort darauf könnte Aufschluss
geben, ob Organismen in einem Meteoriten von einem zum nächsten Planeten
gelangen könnten. "Mit den Proben von der ISS können wir die Entstehung,
Entwicklung und mögliche Verbreitung des Lebens im Universum besser
verstehen: Eine ungeschützte Zelle könnte bei einer langen Reise durchs
Weltall die Bedingungen dort niemals überleben - vielleicht wäre das
aber eingeschlossen in einen Meteoriten möglich."
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