Physiker auf der Jagd nach WIMPs
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
19. Januar 2011
Physiker der Universität Mainz beteiligen sich aktiv an der Suche nach den
Partikeln, aus denen die mysteriöse Dunkle Materie bestehen könnte. Zusammen mit
einem internationalen Forscherteam versuchen die Wissenschaftler im
Laboratori Nazionali del Gran Sasso sogenannte WIMPs aufzuspüren, also
schwach wechselwirkende massive Teilchen.
Ohne Dunkelmaterie hätten die Strukturen im All
kaum entstehen können.
Bild: STScI / NASA |
Dunkle Materie ist maßgeblich für die klumpige Verteilung der sichtbaren
Materie im Universum verantwortlich - von Galaxien über Galaxienhaufen
bis hin zu den größten uns bekannten Strukturen von Superhaufen und
Filamenten, die große kosmische Leerräume wie Blasen in einem Schaumbad
umgeben. Dunkle Materie war die "Wiege", in der sich Galaxien bereits
früh ausbilden konnten und umgibt und durchdringt unsere und andere
Galaxien noch heute und hält sie zusammen. Nur um was es sich dabei
handelt, weiß man bis heute nicht.
Man weiß über sie kaum mehr, als dass sie knapp ein Viertel unseres
Universums ausmacht. "Wir wissen vor allem, was Dunkle Materie nicht
ist", erklärt Uwe Oberlack, der vor seiner Rückkehr nach Deutschland
zehn Jahre lang in den USA auf diesem Gebiet und in der
Hochenergie-Astrophysik geforscht hat und im letzten Jahr als Professor
an die Johannes Gutenberg-Universität Mainz gewechselt ist. "Dunkle
Materie ist nicht einfach nur durchsichtig, sondern sie ist komplett
verschieden von jeder Materieform, die wir bisher kennen."
Oberlack war am Aufbau eines internationalen Forschungsprogramms, XENON,
beteiligt, mit dem im italienischen Gran-Sasso-Massiv in einem
unterirdischen Labor nach Bestandteilen der Dunklen Materie gesucht
wird. Das derzeitige XENON100-Experiment ist eines von zwei weltweit
führenden Experimenten zum Nachweis Dunkler Materie. Die Erforschung der
Dunklen Materie dürfte zu den wichtigsten wissenschaftlichen Vorhaben
der Physik in diesem Jahrzehnt zählen.
Das Universum besteht zu 23 Prozent aus Dunkler Materie, während unsere
normale, sichtbare Materie nur 4,6 Prozent beiträgt. Der größte Teil mit
72 Prozent besteht aus Dunkler Energie, die für die beschleunigte
Expansion des Universums verantwortlich ist und über die noch weniger
als über die Dunkle Materie bekannt ist. Dass es Dunkle Materie
überhaupt gibt, wurde Anfang der 1930er Jahre durch die Beobachtung von
Galaxien in Galaxienhaufen postuliert: Sie bewegen sich viel zu schnell,
als dass die Galaxienhaufen allein durch die Gravitation der sichtbaren
Masse zusammengehalten würden. Später fand man einen ähnlichen Effekt in
Spiralgalaxien. Eine andere Kraft müsste also für die hohe
Rotationsgeschwindigkeit am Rande von Galaxien verantwortlich sein.
Mittlerweile steht fest, dass es sich bei dieser Materie nicht um Quarks
oder Elektronen handelt, die unsere Atome ausmachen. Auch andere
Kandidaten wie Neutrinos scheiden weitgehend aus. "Wir vermuten heute,
dass sich Dunkle Materie recht schnell nach dem Urknall gebildet hat",
so Oberlack. "Sie besteht wahrscheinlich aus neutralen, massiven
Teilchen, die mit anderen Teilchen nur schwach wechselwirken." Diese
WIMPs (weakly interacting massive particles) sind allerdings bisher
nicht entdeckt worden.
Oberlack sucht sie zusammen mit einem Forscherteam aus 12 Instituten
tief unter der Erde in einem Xenon-Detektor, der peinlich genau vor
kosmischer Strahlung abgeschottet wird. Das auf minus 95 Grad
abgekühlte, flüssige Xenon soll in den Laboratori Nazionali del Gran
Sasso die WIMPs einfangen. Nach ersten Experimenten mit kleineren
Detektoren sucht derzeit das XENON100-Experiment mit einer Masse von 62
Kilogramm nach Dunkler Materie.
Dieses Experiment soll die derzeitige Sensitivitätsgrenze um einen
weiteren Faktor 15 verbessern und testet damit direkt einen erheblichen
Anteil der theoretisch interessanten "Neutralinos", einer WIMP-Art, die
auf dem Konzept der Supersymmetrie beruht. Supersymmetrie oder SUSY ist
eine postulierte neue Symmetrie der Natur, die erst bei hohen
Teilchenenergien, etwa im frühen Universum oder in großen Beschleunigern
wie dem LHC am CERN, erreicht würde.
Gestützt auf die erfolgreiche Datennahme mit XENON100, plant die
XENON-Kollaboration bereits einen Detektor mit einer Masse von einer
Tonne, um in drei Jahren nochmals um einen Faktor 50 bis 100
empfindlicher zu werden. Sind in der Tat Neutralinos die Teilchen der
Dunklen Materie, so können sie in den nächsten Jahren im Labor
nachgewiesen und einige ihrer physikalischen Eigenschaften auch gemessen
werden.
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