Weltraumteleskop entdeckt rasende Sterne
von Stefan Deiters astronews.com
12. Januar 2009
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
14 Sterne entdeckt, die mit hoher Geschwindigkeit durchs All rasen. Die Sterne
waren den Forschern aufgefallen, weil sie sich gerade durch Regionen mit dichtem
interstellaren Gas bewegen und dadurch eine Art Bugwelle entstanden ist. Die
Geschwindigkeit dieser rasenden Sonnen wird auf mehr als 180.000 Kilometer pro
Stunde geschätzt.
Vier Beispiele
für die jetzt von Hubble entdeckten rasenden
Sterne.
Bild: NASA, ESA und R. Sahai (NASA Jet
Propulsion Laboratory) [Großansicht] |
"Wir glauben, dass wir hier eine neue Klasse von hellen stellaren
Eindringlingen mit einer hohen Geschwindigkeit gefunden haben", fasst Raghvendra
Sahai vom NASA Jet Propulsion Laboratory und Leiter der Studie die
Ergebnisse zusammen. "Der Fund dieser Sterne war für uns eine vollkommene
Überraschung, da wir nach ihnen gar nicht gesucht hatten. Als ich die Bilder zum
ersten Mal sah, dachte ich 'Wow, das sieht wie eine Kugel aus, die durch das
interstellare Medium geschossen wurde'. Dank der guten Auflösung von Hubble
wissen wir nun mehr über die Struktur und Form der 'Bugwellen' dieser
Sterne." Die "Bugwelle" entsteht durch den stellaren Wind, der in der Wolke auf
dichtes Gas trifft.
Über die rasenden Objekte selbst wissen die Astronomen recht wenig: Das
Alter, die Masse und sogar die Geschwindigkeit der Sterne können sie nur
schätzen. So vermuten sie beispielsweise, dass die Sterne nur wenige Millionen
Jahre alt sind und folgern dies aus den beobachteten starken stellaren Winden,
die man in der Regel nur bei sehr jungen oder sehr alten Sternen findet.
Lediglich sehr massereiche Sterne, also Objekte mit einer mehr als zehnfachen
Masse unserer Sonne, blasen ihr ganzes nukleares Leben lang starke stellare
Winde ins All.
Allerdings glauben die Astronomen, dass die rasenden Sterne eher von
mittlerer Masse sind, also maximal vielleicht die achtfache Masse unserer Sonne
haben. Auch die Nebel um die Sterne unterscheiden sich deutlich von denen um
alte Sterne, so dass als Schlussfolgerung bleibt, dass es sich um recht junge
Sterne handeln muss. Wie groß die beobachteten "Bugwellen" dieser Objekte sind,
hängt wiederum von ihrer Entfernung von der Erde ab. Die Astronomen gehen bei
der Größe von Dimensionen zwischen der 17- und 170-fachen Entfernung des Neptuns
von der Sonne aus.
Die Bugwellen schließlich deuten auf eine außerordentlich hohe
Geschwindigkeit der Sterne hin: Sie dürfte mehr als 180.000 Kilometer pro Stunde
betragen - bezogen auf das dichte Gas, durch das sie sich jeweils bewegen. Damit
haben sie eine Geschwindigkeit, die fünf Mal größer ist als die anderer junger
Sterne. "Diese Hochgeschwindigkeits-Sterne sind vermutlich aus ihrer
Geburtsstätte, wahrscheinlich ein massereicher Sternhaufen, herausgekickt
worden", meint Sahai.
Für dieses "Hinauskicken" kennen die Astronomen zwei verschiedene Szenarien:
Eine Möglichkeit ist, dass der Stern Teil eines Doppelsternsystems war, dessen
einer Partner in einer Supernova explodiert ist. Der verbleibende Partner wurde
dabei ins All geschleudert. Alternativ könnten zwei Doppelsternsysteme oder aber
ein Doppelsternsystem mit einem Einzelstern kollidiert sein. Bei den
Wechselwirkungen zwischen den Sternen kann es dann passieren, dass ein Stern so
beschleunigt wird, dass er das System und den Sternhaufen verlassen kann. Die
Astronomen vermuten, dass die Sterne inzwischen rund 160 Lichtjahre zurückgelegt
haben.
Solche Hochgeschwindigkeitssterne waren Astronomen schon früher aufgefallen,
erstmals in den 1980er Jahren mit dem Infrarot-Satelliten IRAS. Allerdings
hatten die damals entdeckten Sterne deutlich größere "Bugwellen", was vermutlich
darauf zurückzuführen ist, dass die Sterne selbst deutlich massereicher waren
und stärkere stellare Winde abgegeben haben. "Die Sterne in unserer Studie sind
vermutlich die masseärmeren und/oder etwas weniger schnellen Gegenstücke zu den
massereichen Sternen mit Bugwelle, die mit IRAS entdeckt wurden", erklärt Sahai.
"Die massereichen Schnellläufer-Sterne, die man zuvor beobachtet hat, sind wohl
nur die Spitze des Eisbergs. Die mit Hubble beobachteten Sterne könnten
zur breiten Masse gehören. Zum einen, weil es deutlich mehr massearme als
massereiche Sterne gibt, zum anderen, weil eine hohe Kickgeschwindigkeit
unwahrscheinlicher ist als eine geringere."
Viele dieser rasenden Sterne kennen die Astronomen bislang nicht, weil sie
sehr schwer zu finden sind: "Man weiß einfach nicht, wo man nach ihnen suchen
soll, weil man gar nicht vorhersagen kann, wo sie sein werden", so Sahai. "Daher
wurden alle diese Sterne nur durch einen Zufall gefunden - einschließlich der 14
Exemplare, die nun dank des Weltraumteleskops Hubble entdeckt wurden."
Sahai und seine Kollegen hatten mit Hubble 35 Objekte untersucht, die
im IRAS-Archiv als helle Infrarotquellen erschienen. Sie vermuteten, dass es
sich um die Vorstufen von Planetarischen Nebeln handeln würde, entdeckten dann
aber die rasenden Sterne.
Bei zukünftigen Untersuchungen wollen die Astronomen nun versuchen, weitere
dieser Objekte zu finden und auch mehr über die schon bekannten Sterne zu
erfahren. Dabei ist es auch interessant, welchen Einfluss die Sterne auf die
interstellaren Wolken haben, durch die sie sich gerade bewegen. Der Einfluss
könnte gering sein oder aber die Wolken so stören, dass beispielsweise die
Entstehung neuer Sonnen hier erst einmal verhindert wird.
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