Zweites Schwarzes Loch im Zentrum?
von Stefan Deiters astronews.com
27. Juli 2007
Gibt es im Zentrum unserer Milchstraße ein zweites Schwarzes
Loch? Manche Astronomen halten dies für nicht unwahrscheinlich, doch hatte
bislang niemand eine konkrete Idee, wie man dessen Existenz beweisen könnte.
Jetzt hat ein amerikanischer Astrophysiker einen Vorschlag gemacht: Sucht nach
Sternenpaaren, die mit hoher Geschwindigkeit aus dem Zentrum der Milchstraße
geschleudert wurden.

Doppelsterne, die mit hoher Geschwindigkeit
unsere Galaxie verlassen, könnten die Existenz
eines zweiten Schwarzen Lochs im Zentrum der
Milchstraße beweisen, glauben amerikanische
Astronomen.
Bild:
Ruth Bazinet, CfA |
Über eines herrscht unter Astronomen weitgehend Einigkeit: Im
Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein gewaltiges supermassereiches
Schwarzes Loch, das etwa 3,6 Millionen mal mehr Masse hat als unsere Sonne. Doch
immer wieder wird auch ein zweites Schwarzes Loch postuliert (astronews.com
berichtete), das zwar nicht
ganz so massereich ist wie die Schwerkraftfalle im Zentrum, aber mit der 1.000
bis 10.000-fachen Masse der Sonne immer noch deutlich massereicher als ein
stellares Schwarzes Loch.
Doch wieso glauben Astronomen, dass es im Zentrum der Milchstraße noch ein
zweites, kleineres Schwarzes Loch geben müsste? Grund ist ein Sternhaufen aus
sehr jungen Sternen, den man nur einen Bruchteil eines Lichtjahrs entfernt vom
zentralen Schwarzen Loch entdeckt hat. In dieser Nähe eines so massereichen
Schwarzen Lochs aber sollte die Entstehung von Sternen eigentlich unmöglich
sein, da die Gezeitenkräfte der Schwerkraftfalle jegliche Sternentstehung
verhindern.
Der Ausweg aus diesem Dilemma wäre , dass der Sternhaufen in größerer
Entfernung entstanden und relativ schnell in die Nähe des Zentrums gewandert
ist. Dazu müsste er aber ein Schwarzes Loch enthalten, das immer weiter ins
Galaxienzentrum gezogen wurde. Kann man die Existenz eines solchen
Schwarzen Lochs jedoch beweisen? Youjun Lu,
Astrophysiker an der University of California in Santa Cruz, glaubt: ja. Zusammen
mit Kollegen schlägt er vor, dass man nach extrem schnellen Sternenpaaren suchen
soll, die aus dem Zentrum der Galaxie in die Weiten des Alls schießen. Sie seien
der gesuchte Beweis.
Dass es solche Sterne gibt, steht inzwischen außer Frage: Seit Dezember 2004
wurden insgesamt zehn solcher Objekte entdeckt (astronews.com berichtete). Sie entstehen durch dynamische
Wechselwirkungen von drei oder mehr Körpern. Ein mögliches Szenario ist, dass
ein Doppelsternsystem sich dem supermassereichen Schwarzen Loch nähert. Einer
der beiden Sterne wird von dem Schwarzen Loch verschluckt, während der andere
mit einer Geschwindigkeit von bis zu 4.000 Kilometern pro Sekunde
weggeschleudert wird. Eine zweite Möglichkeit zur Erklärung dieser
Hochgeschwindigkeitssterne ist, dass sich ein einzelner Stern einem doppelten
Schwarzen Loch nähert. In diesem Fall würde der Einzelstern mit einer ähnlich
hohen Geschwindigkeit ins All geschleudert.
Nun glauben Lu und seine Kollegen eine Möglichkeit gefunden zu haben,
zwischen beiden Szenarien zu unterscheiden. Wie die britische
Wissenschaftszeitschrift New Scientist in ihrer aktuellen Ausgabe
berichtet, schlagen die Astrophysiker vor, nach einem Sternenpaar zu suchen,
das mit hoher Geschwindigkeit aus dem Zentrum der Galaxie "gekickt" wurde. Das
Entdecken eines solchen Sternenpaars wäre ein eindeutiger Beweis für die
Existenz eines zweiten Schwarzen Lochs.
Der Einflussbereich eines doppelten Schwarzen Lochs, so Lu, sei nämlich
deutlich größer, als bei nur einem einzigen Schwarzen Loch. Dadurch könnte es
gelingen, dass ein Doppelstern genau wie ein Einzelstern von dem doppelten
Schwarzen Loch ins All geschleudert wird. "Für ein einzelnes Schwarzes Loch ist
die Wahrscheinlichkeit nahezu null, dass es ein Doppelsternsystem ins All
kickt", so Lu. Der Fund eines Hochgeschwindigkeits-Doppelsterns sei daher
ein sicherer Beweis für die Existenz eines doppelten Schwarzen Lochs im
Milchstraßenzentrum.
Etwa zehn Prozent aller Sterne in Sonnenumgebung haben einen dichten Partner.
Ist der Anteil im Zentrum ähnlich hoch, sollte schon einer der zehn entdeckten
Hochgeschwindigkeitssterne ein Doppelstern sein. Leider kann man das zur Zeit
nicht feststellen, weil die Sterne zu leuchtschwach sind. Im Herbst und Winter
sollen die Sterne aber erneut beobachtet und auch Spektren aufgenommen werden.
So könnte man einen möglichen Doppelstern entdecken.
Die Bestätigung eines zweiten Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße
würde gut ins Bild der Kosmologen passen: Man glaubt nämlich, dass die heutigen
Galaxien durch das wiederholte Verschmelzen kleinerer Galaxien entstanden sind.
Jede dieser Galaxien könnte ein eigenes Schwarzes Loch im Zentrum gehabt haben.
Bevor die Schwarzen Löcher verschmelzen, umkreisen sie sich erst ein Zeit lang.
Es gäbe also zwei Schwarze Löcher im Zentrum.
Doch auch wenn das Szenario der Kosmologen stimmt, muss es heute nicht
unbedingt mehr mehrere Schwarze Löcher im Zentrum der Milchstraße geben: Das
zentrale Schwarze Loch könnte längst alle früher einmal vorhandenen Schwarzen
Löcher verschluckt haben, so dass heute nichts mehr an sie erinnert.
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