Stern mit Rekordgeschwindigkeit entdeckt
von Stefan
Deiters
astronews.com
14. November 2005
Deutsche Astronomen haben einen Stern mit einer außergewöhnlich hohen
Geschwindigkeit aufgespürt: Das Gestirn jagt mit 2,6 Millionen
Kilometern pro Stunde durch den Halo unserer Galaxie. Ein Grund für die hohe Geschwindigkeit könnte
nach Ansicht der Forscher ein supermassereiches Schwarzes Loch sein, das sich in
einer Satellitengalaxie der Milchstraße verbirgt.
Die Herkunft des Sterns HE0437-5439 (hier eine künstlerische
Darstellung) ist den Astronomen immer noch unklar. Foto:
ESO |
Der Stern mit der ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit von 2,6 Millionen
Kilometern pro Stunde wurde mit Hilfe des Very Large Telescope der ESO
entdeckt. "Mit dieser Geschwindigkeit würde er weniger als eine Minute für die
Umrundung der Erde brauchen", so Uli Heber von der Dr.-Remeis-Sternwarte in
Bamberg und dem Centre for Astrophysics Research der University of Herfordshire.
Der junge, massereiche und heiße Stern wurde im Rahmen des Hamburg/ESO Sky
Survey im Halo unserer Milchstraße in Richtung des Sternbilds Schwertfisch
entdeckt.
"Dies ist ein wirklich ungewöhnlicher Platz für einen solchen Stern", betont
Ralf Napiwotzki, der auch zum Entdeckerteam gehört. "Unsere Daten, die wir
mit dem UVES-Instrument am VLT gewonnen haben, deuten darauf hin, dass der Stern
relativ jung ist und eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie unsere Sonne
hat." Durch diese Messungen konnten die Astronomen auch die extrem hohe
Geschwindigkeit ermitteln. Diese hilft zumindest zu erklären, wieso ein Stern mit einer
ähnlichen Zusammensetzung wie unsere Sonne im Halo unserer Galaxie zu finden
ist. Halosterne weisen normalerweise nämlich eine andere chemische
Zusammensetzung auf als die Sterne in der Scheibe unserer Milchstraße.
Aus diesem Grund und wegen seiner hohen Geschwindigkeit scheint also festzustehen, dass der Stern
nicht im Halo der Milchstraße entstanden, sondern gerade auf der
Durchreise ist. Doch woher stammt der Stern? "Als wir ausgerechnet haben, wie lange der Stern brauchen
würde, um vom Zentrum unserer Galaxie zu seiner jetzigen Position zu gelangen,
stellte sich heraus, dass dies drei Mal länger gedauert hätte, als der Stern alt
ist", beschreibt Heber das Dilemma der Wissenschaftler. "Entweder ist der Stern
also älter als er aussieht, oder aber er wurde woanders geboren und
beschleunigt."
HE0437-5439, so der offizielle Name des Sterns, befindet sich zur Zeit näher
an einer Satellitengalaxie der Milchstraße, der so genannten Großen
Magellanschen Wolke, die 160.000 Lichtjahre von uns entfernt ist. Von dort, so
die Ansicht der Forscher, könnte der Stern bequem und in einer Zeit, die
seinem Alter entspricht, an den jetzigen Ort katapultiert worden sein.
Doch dazu würde die Große Magellansche Wolke eines benötigen: ein
massereiches Schwarzes Loch. Eine solche gewaltige Schwerkraftfalle, die sich
beispielsweise auch im Zentrum unserer Milchstraße befindet, kann nämlich, wie
Computersimulationen zeigen, Sterne aus ihrer Umgebung herauskatapultieren:
Nähert sich ein Doppelstern einem solch massereichen Schwarzen Loch, so kann
einer der beiden Sterne in das Schwarze Loch hineinfallen, während der andere
weggeschleudert wird. Würde der Stern tatsächlich aus der Magellanschen Wolke
kommen, wäre dies ein indirekter Hinweis auf ein massereiches Schwarzes Loch in
unserer Satellitengalaxie, das bislang noch nicht entdeckt wurde.
Allerdings gibt es auch eine zweite Theorie: Der Stern könnte tatsächlich aus
dem Zentrum unserer Milchstraße stammen, allerdings älter sein als es den
Anschein hat: Dazu müsste es sich bei dem Stern um das Produkt einer
Verschmelzung von zwei masseärmeren Sternen handeln. Um diese "Verjüngung"
möglich zu machen, würde das Szenario allerdings erhebliches "Feintuning"
benötigen. Die Forscher planen neue Beobachtungen, um die Herkunft dieses
ungewöhnlich schnellen Sterns zweifelsfrei klären zu können.
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