Kleinstes Schwarzes Loch entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
2. April 2008
NASA-Forscher haben das kleinste bislang bekannte Schwarze
Loch aufgespürt: Die Schwerkraftfalle hat nur die etwa 3,8-fache Masse unserer
Sonne und einen Durchmesser von rund 24 Kilometern. Das Objekt liegt damit an
der unteren Massengrenze für stellare Schwarze Löcher. Trotz seiner geringen
Größe ist es für potentielle Raumfahrer in der Nähe aber nicht ungefährlich.
So könnte das System XTE J1650-500 aussehen.
Bild: NASA / CXC / A. Hobar |
"Dieses Schwarze Loch ist wirklich ein Grenzfall", erläutert Nikolai
Shaposhnikov vom Goddard Space Flight Center der NASA, der die
Ergebnisse am Montag auf einer Tagung in Los Angeles vorstellte. "Seit vielen
Jahre fragen sich Astronomen, was wohl die kleinstmögliche Größe eines Schwarzen
Lochs ist und dieser kleine Kerl ist ein wichtiger Schritt hin zur Beantwortung
dieser Frage."
Das winzige Schwarze Loch ist Teil des Doppelsternsystems XTE J1650-500 und
wurde 2001 vom Rossi X-ray Timing Explorer der NASA aufgespürt. Schon
bald nach der Entdeckung erkannten die Astronomen, dass es sich hierbei um ein
System aus einem normalen Stern und einen relativ massearmen Schwarzen Loch
handelte. Die Masse der Schwerkraftfalle allerdings war bis jetzt noch nie mit
so hoher Genauigkeit bestimmt worden.
Um dies zu ermöglichen verwendeten Shaposhnikov und sein Kollegen Lev
Titarchuk eine neue, in den letzten Jahren entwickelte, Methode zur Bestimmung
der Masse eines Schwarzen Lochs. Sie macht sich eine Beziehung zwischen der
Masse des Schwarzen Lochs und Vorgängen im inneren Teil der Scheibe um die
Schwerkraftfalle zu Nutze, in der Material in das Schwarze Loch hineinspiralt.
Am inneren Rand der Scheibe kommt es dabei zu einer Art Stau. Das vorhandene
heiße Gas sendet dadurch Röntgenstrahlung mit wechselnder Intensität aus. Diese
wechselnde Intensität bei der Röntgenabstrahlung folgt einem gewissen sich
ständig wiederholendem Muster. Die Forscher sprechen von quasi-periodischen
Oszillationen kurz QPOs.
Man hatte lange vermutet, dass die Frequenz der QPOs etwas mit der Masse des
Schwarzen Lochs zu tun haben könnten: Um massearme Schwarze Löcher liegt die
inneren "Stauzone" näher am Schwarzen Loch als bei massereicheren Schwarzen
Löchern. Deswegen ist hier die Frequenz höher. Aus Archivdaten des Rossi X-ray
Timing Explorers standen Shaposhnikov und Titarchuk QPO-Daten zur
Bestimmung von Schwarzen Loch-Massen zur Verfügung. Im letzten Jahr testeten sie
ihre Methode in drei Fällen gegen Massenbestimmungen durch andere Verfahren
(astronews.com berichtete). Jetzt stellten sie in einer neuen Arbeit die
Massenbestimmung von sieben Schwarzen Löchern vor, darunter drei deren Masse
zuvor mit anderen Methoden bestimmt worden war.
"In jedem Fall stimmten unsere Massebestimmungen mit den Resultaten aus
anderen Verfahren überein", so Titarchuk. "Wir wissen, dass unsere Methode
funktioniert, weil sie alle Tests mit fliegenden Fahnen bestanden hat." Im Fall
des Systems XTE J1650-500 lieferte die Methode nun ein überraschendes
Ergebnis: Das Schwarze Loch in dem Doppelsystem hat eine Masse von gerade einmal
3,8 Sonnenmassen mit einem Fehler in der Massenbestimmung von einer halben
Sonnenmasse. Dieser Wert liegt deutlich unter der Masse des bisherigen
Rekordinhabers GRO 1655-40 mit der 6,3-fachen Masse der Sonne.
Stellare Schwarze Löcher entstehen in Folge der Sternentwicklung eines
Sterns, der massereicher als beispielsweise unsere Sonne ist. Unterhalb welcher
Massengrenze allerdings statt eines Schwarzen Lochs ein Neutronenstern entsteht,
wissen die Astronomen bislang nicht genau.
Trotz der geringen Masse sollten zukünftige Raumfahrer in der Umgebung von
XTE J1650-500 besonders aufpassen: Kleine Schwarze Löcher können stärkere
Gezeitenkräften verursachen als die Riesen-Schwarzen Löcher im Zentrum von
Galaxien. Damit sind die kleinen Schwarzen Löcher bei einer Annäherung deutlich
gefährlicher: "Wenn man XTE J1650-500 zu nahe kommt, wird der Körper immer
weiter gestreckt - wie ein Spaghetti", so Shaposhnikov.
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