67 neue
Gravitationslinsen-Systeme
von Stefan Deiters astronews.com
20. Februar 2008
Mithilfe des Weltraumteleskops Hubble haben
Astronomen nun einen Katalog von weit entfernten Galaxien zusammengestellt,
deren Bilder durch massereiche Galaxien verzerrt werden. 67 dieser aufgrund des
Gravitationslinsen-Effektes verformten Galaxien waren den Wissenschaftlern
bislang unbekannt. Die Forscher schätzen, dass es am Himmel fast eine halbe
Millionen solcher Linsensysteme geben könnte.
Eine Auswahl der entdeckten Linsensysteme.
Bild: NASA, ESA, C. Faure
(Zentrum für Astronomie, Universität Heidelberg)
und J.P. Kneib (Laboratoire d’Astrophysique de
Marseille) [Großansicht] |
Die Entdeckung der durch die Gravitationswirkung einer
massereichen Galaxie beeinflussten fernen Galaxienbilder gelang in den Daten
einer großangelegten Himmelsdurchmusterung, bei der rund die neunfache Fläche
des Vollmondes am Himmel mit Teleskopen wie dem Hubble-Weltraumteleskop,
dem Infrarotteleskop Spitzer, den Röntgensatelliten XMM-Newton
und Chandra, dem Very Large Telescope sowie dem Subaru-Teleskop
und dem Canada France Hawaii Telescope beobachtet wurde.
Europäische Astronomen unter Leitung von Jean-Paul Kneib vom Laboratoire
d'Astrophysique de Marseille und Cécile Faure vom Zentrum für Astronomie
der Universität Heidelberg analysierten die Daten von Hubbles Advanced
Camera for Surveys und entdeckten - nach weiteren Untersuchungen mit
bodengestützten Teleskopen - darin die Bilder von 67 Galaxien, die durch die
Gravitationswirkung einer massereiche elliptischen oder linsenförmigen Galaxie
gestört waren. Solche Verzerrungen sind deutlich häufiger als die berühmten zu
Bögen verzerrten Galaxienbilder, die um massereiche Galaxienhaufen gefunden
werden. Sie sind allerdings auch schwerer zu entdecken, da sie kleiner sind und
eine Vielzahl von Formen haben können.
Der Gravitationslinsen-Effekt entsteht, wenn das Licht einer fernen Galaxie
auf dem Weg zu uns ein sehr massereiches Objekt passiert. Dadurch wird das
Licht der fernen Galaxie so abgelenkt, dass ihr Bild
verzerrt, oft aber auch verstärkt erscheint. Viele entfernten Galaxien konnten
nur mit Hilfe dieses Effektes überhaupt beobachtet werden. In der Regel kommen
als Objekte, die für den Linseneffekt verantwortlich sind, massereiche
Galaxienhaufen in Frage - aber nicht nur. "Typischerweise können wir
beobachten, dass Gravitationslinsen eine Serie von hellen Bögen oder Punkten um
einen Galaxienhaufen erzeugen", erläutert Kneib. "Hier sehen wir einen ganz
ähnlichen Effekt, aber in kleinerem Maßstab, der sich um eine einzelne
massereiche Galaxie abspielt."
In den 67 in der Durchmusterung gefundenen neuen Linsenbildern fanden sich
eine Vielzahl von Formen, die sich auf eine oder zwei Hintergrundgalaxien
zurückführen lassen. Vier Galaxien erzeugten sogenannte Einstein-Ringe, also
komplett kreisförmiges Bilder der entfernten Galaxie, die entstehen, wenn
Hintergrund-Galaxie, Linsengalaxie und das Teleskop perfekt auf einer Linie
liegen.
Um die Gravitationslinsen und die verzerrten Bilder aufzuspüren, arbeiteten
sich die Astronomen durch eine Vielzahl von Galaxienaufnahmen. Dabei verließen
sich die Forscher auf ihre eigenen Augen um zu entscheiden, ob es sich
tatsächlich um eine mögliche Gravitationslinse handeln könnte. Anschließend
musste untersucht werden, ob die vermeintlich verzerrte Galaxie wirklich
verzerrt war oder schlicht eine Galaxie mit einer unnormalen Form. "Mit dieser
Auswahl von Gravitationslinsen-Systemen, die wir mit dem Auge identifiziert
haben, wollen wir nun versuchen eine Software zu entwickeln, die im gesamten
Bildarchiv von Hubble nach Linsensystemen sucht", so Kneib.
Rechnet man die Anzahl der in dem kleinen Ausschnitt entdeckten Linsensysteme
auf den gesamten Himmel hoch, müsste es rund eine halbe Million solcher
Systeme geben. Das Aufspüren dieser Systeme ermöglicht den Forschern mehr über
die Masseverteilung von Galaxien zu erfahren und über die Verteilung von Dunkler
Materie. Dies wiederum erlaubt, Vorhersagen von kosmologischen Modellen zu
testen.
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