Kieler Instrument ermöglicht Vorhersage
Redaktion /
idw / Universität Kiel astronews.com
25. Mai 2007
Eine möglichst exakte Vorhersage des Weltraumwetters, also
der Intensität des Partikelstroms von der Sonne, kann für bemannte Missionen zu
Mond und Mars lebenswichtig sein. Dank der Daten eines Instruments an Bord der
Sonnensonde SOHO, das an der Kieler Universität entwickelt wurde, gelang jetzt
ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Die Massenauswürfe der Sonne sind oft mit
radioaktiver Strahlung verbunden, die dann in
das Magnetfeld der Erde eindringen und
Astronauten gefährden können.
Bild: SOHO /
ESA / NASA |
Um Astronauten auf dem Weg zum Mond oder Mars vor
Strahlungsschäden zu schützen, bedarf es einer Methode, die sie vor plötzlichem
Auftreten solarer Teilchenereignisse warnt. Ein solches Verfahren ist jetzt bei
der NASA von dem gebürtigen Schleswig-Holsteiner Dr. Arik Posner entwickelt
worden. Es kann das Eintreffen solarer Protonen bis zu zirka einer Stunde
vorhersagen. Die Methode basiert auf den Daten eines Instruments, das Anfang der
1990er Jahre an der Kieler Universität entwickelt wurde. Die Resultate der
Arbeit wurden gestern in der Fachzeitschrift Space Weather
veröffentlicht.
Die Studie zeigt, dass bevorstehende solare Teilchenstürme mit schädlichen
Ionen durch das frühzeitige vermehrte Auftreten lichtschneller Elektronen
vorhergesagt werden können. Das Elektronensignal gibt einen Hinweis auf das
Strahlungsniveau, welches bis zu einer Stunde vor dem Eintreffen wesentlich
gesundheitsschädlicherer Ionen warnen kann. Das erlaubt erstmals eine Vorhersage
der radioaktiven Strahlung, der Astronauten bei außergewöhnlicher
Sonnenaktivität außerhalb des schützenden Erdmagnetfeldes ausgesetzt würden. Sie
können rechtzeitig entscheiden, ob sie sich in geschütztere Quartiere
zurückziehen müssen.
Seit den 1950er Jahren ist bekannt, dass sich die Erde in der erweiterten
Atmosphäre der Sonne befindet, der Sonnenkorona, deren innerer Rand bei einer
Sonnenfinsternis zu sehen ist. Die kurzfristigen und langfristigen Schwankungen,
denen die Erde aufgrund der veränderlich aktiven Sonne unterworfen ist, werden
als Weltraumwetter oder Weltraumklima bezeichnet. Auf kurzen Zeitskalen sind es
die solaren Störungen, wie koronale Massenausbrüche, und die damit verbundenen
energiereichen geladenen Teilchen, die zum Naturschauspiel der Nordlichter, aber
auch zur radioaktiven Gefährdung von Astronauten führen.
Die Erforschung der physikalischen Prozesse solcher Störungen ist ein
wissenschaftliches Ziel des Solar and Heliospheric Observatory (SOHO),
das im Dezember 1995 gestartet wurde. An Bord dieses Weltraum-Observatoriums
befindet sich das Teilcheninstrument EPHIN (Elektronen-Protonen-Helium-Instrument),
das an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter der Leitung von
Professor Gerd Wibberenz und den Diplom-Physikern Horst Kunow und Reinhold
Müller-Mellin entwickelt und gebaut wurde. Obwohl das Instrument sich bereits
zwölf Jahre im Weltraum befindet und Temperaturen unterhalb von minus 40 Grad
Celsius und oberhalb von 40 Grad Celsius überstehen musste, funktioniert es auch
heute noch einwandfrei.
EPHIN besteht aus einem Sensorkopf und einer Elektronikbox. Der Sensor ist
das Herzstück der Apparatur und setzt sich aus einer Anordnung von
Halbleiterdetektoren und einem Antikoinzidenzdetektor zusammen, der es erlaubt,
Elektronen und Protonen sowie Helium im Energiebereich der Sonne zu messen. In
Analogie zu einem optischen Teleskop dienen die Halbleiterdetektoren als
Objektive, Okulare und Spektrometer und der Antikoinzidenzdetektor als
Teleskoptubus.
Die Kieler Messungen werden umgehend über das Internet der
wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich gemacht. Anhand der Daten können die
Energie-Freisetzung und -Beschleunigung in der solaren Atmosphäre sowie Proben
von solarem atmosphärischem Material erforscht werden. An der Kieler Universität
werden sie in den Arbeitsgruppen von Professor Robert Wimmer-Schweingruber und
Professor Bernd Heber jedoch auch für die Ausbildung von Studierenden in
extraterrestrischer Physik verwendet.
Dr. Arik Posner hat 1999 an der Kieler Universität über energiereiche
Teilchen promoviert. Er ist derzeit Wissenschaftler am Southwest Research
Institut in San Antonio, Texas. Seit 2006 ist er zudem zeitweise am
Hauptquartier der NASA in Washington DC beschäftigt, wo er augenblicklich die
Raumsonden Ulysses und Wind betreut.
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