Magellansche Wolken nur auf der Durchreise?
von Stefan
Deiters
astronews.com
16. Januar 2007
Die Große und die Kleine Magellansche Wolke gehören zu den
uns am nächsten gelegenen Galaxien und gelten als Begleiter der
Milchstraße. Jetzt hat ein Astronomenteam die Geschwindigkeit der beiden
Galaxien mit bislang unerreichter Genauigkeit gemessen und festgestellt, dass
die Magellanschen Wolken deutlich schneller sind als gedacht. Fliegen sie nur an
der Milchstraße vorüber?
Die Große Magellansche Wolke gilt bislang als
Begleiter der Milchstraße. Foto: CfA / Copyright Robert
Gendler und Josch Hambsch 2005 [Großansicht] |
Die Große Magellansche Wolke, oder auch Large Magellanic Cloud (LMC),
und die Kleine Magellansche Wolke, Small Magellanic Cloud (SMC), gelten
gemeinhin als die unserer Milchstraße am nächsten gelegenen Galaxien und sind, so
kann man in allen Astronomielehrbüchern nachlesen, Begleiter derselben.
Beide Galaxien sind nur von der Südhalbkugel der Erde aus zu beobachten. Durch das
Studium der Bewegung von LMC und SMC können die Astronomen nicht nur eine Menge über die
beiden Satellitengalaxien selbst lernen, sondern auch etwas über die Struktur
der Milchstraße, die durch ihre Masse die Bewegung der beiden Wolken
beeinflusst.
Nitya Kallivayalil und Charles Alcock vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics sowie Roeland van der Marel vom Space Telescope Science
Instutite haben nun die Geschwindigkeit der beiden Galaxien äußerst genau -
und in drei Dimensionen - bestimmt. Mit überraschendem Ergebnis: "Wir haben
festgestellt, dass die Geschwindigkeiten von LMC und SMC unerwartet groß sind -
fast doppelt so groß wie ursprünglich angenommen", erläutert Kallivayalil. Die
Forscher präsentierten ihre Ergebnisse in dieser Woche auf dem Treffen der
American Astronomical Society.
Die so genannten Radialgeschwindigkeiten der Galaxien zu messen (also die
Geschwindigkeiten entlang der Sichtlinie) ist nicht sonderlich schwierig. Das
wirkliche Problem ist die Eigenbewegung der Systeme am Himmel zu bestimmen. Nur
so kann man die exakte 3-D-Geschwindigkeit ermitteln. Die Messung der
Eigenbewegung erfordert äußerst genaue Messungen über einen Zeitraum von
mehreren Jahren.
Das Astronomenteam griff auf das Weltraumteleskop Hubble zurück und bestimmte
die Eigenbewegung von LMC und SMC während zweier Beobachtungsläufe im Abstand
von zwei Jahren. Durch die Kombination der Eigenbewegung mit der
Radialgeschwindigkeit errechneten die Wissenschaftler, dass die LMC mit einer
Geschwindigkeit von 378 Kilometern pro Sekunde und die SMC mit 302 Kilometer pro
Sekunde durch das All rauscht.
Für diese unerwartet hohen Geschwindigkeiten gibt es nach Ansicht der
Forscher zwei mögliche Erklärungen: Die Masse der Milchstraße ist deutlich höher
als bislang gedacht und diese zusätzliche Masse zieht an den beiden
Satellitengalaxien, wenn diese an die Milchstraße gebunden sind. Letzteres
könnte allerdings auch nicht der Fall sein: Stimmen die bisherigen
Massenbestimmungen der Milchstraße, hätte unsere Heimatgalaxie nicht ausreichend
Masse, um die beiden Magellanschen Wolken zu halten. Sie würden somit entkommen.
"Sie wären damit keine wirklichen Begleiter der Milchstraße, sondern sind
vielleicht gerade auf der Durchreise", so Kallivayalil.
Die Untersuchung lieferte noch ein weiteres unerwartetes Ergebnis: Auch die
relative Geschwindigkeit zwischen Großer und Kleiner Magellanscher Wolke ist
deutlich größer als angenommen. Das könnte darauf hindeuten, dass die beiden
Wolken nur zufällige Nachbarn sind und sonst nicht miteinander in Verbindung
stehen. Sind beide allerdings aneinander gebunden, würde die hohe
Relativgeschwindigkeit erklären, warum die beiden Systeme nicht schon vor langer
Zeit miteinander verschmolzen sind.
Die Astronomen hoffen nun, dass sie mit Hilfe des Magellanschen Stroms -
einer Art Wasserstoffspur, die die Wolken hinterlassen haben - mehr über den
genauen Orbit der beiden Systeme sowie über ihre Beziehung zur Milchstraße
erfahren werden. "Ganz egal was zukünftige Beobachtungen ergeben", fasst
Kallivayalil die Arbeit zusammen, "unsere Studie macht deutlich, dass wir die
Geschichte des Orbits der beiden Wolken noch einmal aufrollen müssen."
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