VENUS
EXPRESS
Start zur Venus in einer Woche (2)
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So stellt sich ein Künstler die Oberfläche der Venus vor. Bild: ESA |
Trotz fast identischer Größe beider Planeten ist der Atmosphärendruck (auf
der Erde normalerweise als Luftdruck bezeichnet) auf der Venus hundertmal so
hoch wie auf der Erde - und auch die Zusammensetzung und Dynamik der Atmosphäre
sind ganz unterschiedlich und auf der Venus alles andere als lebensfreundlich:
Zwar herrscht am Boden fast Windstille, doch in großer Höhe jagen Wolken aus
Schwefelsäure in nur vier Tagen um den Planeten - übrigens in viel größerer
Geschwindigkeit, als die Venus sich um ihre eigene Achse dreht: Ein im
Sonnensystem einmaliges Phänomen.
Eine Mischung aus gasförmigen Schwefelmolekülen mit winzigen Spuren von
Wasserdampf liefert den Wolken ihren Nachschub. Wichtigster Bestandteil der
Venusatmosphäre ist jedoch das Treibhausgas Kohlendioxid. In Kombination mit der
intensiven Sonnenenergie entwickelte sich die Venus zu dem heißen,
lebensfeindlichen "Backofen", der sie heute ist: Bei einer Oberflächentemperatur
von 480 Grad Celsius würde sogar das Metall Blei schmelzen. Wasser würde auf der
Stelle verdampfen, die Stein- und Sandwüste auf der Venus ist knochentrocken.
Neben Untersuchungen zu der stark von der nahen Sonne beeinflussten
kosmischen Umgebung der Venus und deren Wechselwirkung beispielsweise mit dem
hier so intensiven Sonnenwind sind die wissenschaftlichen Ziele, die mit
Venus Express verfolgt werden, vor allem an der Erforschung der Atmosphäre
ausgerichtet. Daher soll Venus Express in globalem Maßstab die Atmosphäre
unseres Nachbarplaneten hinsichtlich ihrer Struktur, ihrer Zusammensetzung und
ihrer Dynamik untersuchen.
Die sich stellenden Fragen sind vielfältig: Welche chemische Zusammensetzung
haben die einzelnen Schichten der Atmosphäre im Detail? Welche physikalischen
Eigenschaften haben die Schichten, wie zirkulieren sie? Wie spielt sich der
Treibhauseffekt der Venus genau ab, und wie entwickelte er sich im Laufe der
Jahrmilliarden? War es im "Treibhaus" auf der Venus immer schon so heiß,
zwischenzeitlich gar noch heißer? Oder bewirkten helle Wolken zeitweilig einen
gegenteiligen Effekt, indem Sonnenstrahlung ins Weltall stärker reflektiert
wurde und es auf der Venus auch kühlere Phasen gab - nicht zuletzt, weil das
nukleare Feuer der Sonne anfänglich noch nicht so heiß war wie heute? Welche
Wechselwirkung geht diese einzigartig dichte Atmosphäre mit den Gesteinen auf
der Venus ein?
Von den sieben Experimenten der Mission werden zwei von deutschen Forschern
hauptverantwortlich geleitet, bei sechs sind Wissenschaftler aus Deutschland
beteiligt. Drei Experimente werden mit Instrumenten durchgeführt, die für die
ESA-Raumsonden Mars Express bzw. Rosetta (der europäischen Mission
zum Kometen Churyumov-Gerasimenko) entwickelt wurden. Mit diesen und einer
Neuentwicklung sollen offene Fragen der Venusforschung beantwortet werden.
Freilich mussten zunächst der Orbiter selbst, aber vor allem die
hochempfindlichen Geräte für die Venus Express-Mission an die hohen Temperaturen
angepasst werden bzw. durch besondere Bauelemente im Raumschiff besser vor Hitze
geschützt werden. Auch wird eine zu intensive Bestrahlung der Instrumente durch
eine geschickte Wahl des Orbits verhindert und damit die Durchführbarkeit der
Experimente auch über den langen Missionszeitraum in der harschen Venus-Umgebung
gewährleistet.
Die Venus Monitoring Camera (VMC) vom Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau - deren Sensor für das
sichtbare Licht und das nahe Infrarot vom DLR-Institut für Planetenforschung
stammt - soll die Dynamik der Venusatmosphäre in Bildern festhalten. Dabei
verwendet das Kamerasystem mehrere Farbfilter in genau definierten Wellenlängen,
um so das Wettergeschehen in globalem Maßstab räumlich und zeitlich
darzustellen. Das DLR ist an der wissenschaftlichen Auswertung der Bilddaten
beteiligt. Möglicherweise werden der VMC in den Wellenlängen des Infrarots auch
Aufnahmen der Venusoberfläche gelingen. Die wissenschaftliche Leitung liegt beim
so genannten Principal Investigator Dr. Wojciech Markiewicz vom MPS.
Für Untersuchungen von chemischer Zusammensetzung, Temperaturen,
physikalischen Eigenschaften und der Dynamik der Atmosphäre kommen gleich drei
Spektrometer zum Einsatz. Zunächst das italienische Fourier-Infrarotspektrometer
PFS, das dreidimensionale Temperaturprofile erstellen und die Variationen der
Kohlendioxid- und Wassergehalte ermitteln soll. Des Weiteren das schwedische
Ultraviolett- und Infrarot-Spektrometer SPICAV, das unter anderem vertikale
Profile der CO2- und Ozonkonzentrationen erstellen soll.
Schließlich ist mit VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging
Spectrometer) ein weiteres Spektrometer an Bord von Venus Express,
das ebenfalls zu atmosphärischen Untersuchungen eingesetzt werden soll. Es ist
aber auch in der Lage, durch so genannte "atmosphärische Fenster" in bestimmten
Wellenlängen auf die Oberfläche des Planeten zu blicken. Bestehend aus zwei
Komponenten (VIRTIS-H, einem Infrarot-Punktspektrometer mit hoher spektraler
Auflösung, und VIRTIS M, einem flächenhaft abbildenden Spektrometer für
Wellenlängen im UV und sichtbaren Licht) soll die chemisch-mineralogische
Zusammensetzung der Venusoberfläche global und in regionaler Auflösung kartiert
werden.
"Noch spannender dürfte es sein", so der am Experiment beteiligte
DLR-Wissenschaftler Dr. Jörn Helbert, "ob es mit VIRTIS gelingt, aktive Vulkane
auf der Venus zu entdecken, die sich durch ihr thermisches Signal oder die bei
Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre geblasenen Gase verraten könnten." Dies wären
die ersten Fernerkundungs-Messdaten aus dem Orbit, mit denen global die
Wechselwirkung zwischen Venusoberfläche und -atmosphäre dokumentiert würde. Das
DLR in Berlin-Adlershof ist zuständig für die Gewinnung und Auswertung der Daten
von der Oberfläche. Es entwickelte auch wesentliche Komponenten der
Instrument-Elektronik.
Drei weitere Instrumente sollen Daten zu Aspekten der Venusumgebung liefern.
Das schwedische Experiment ASPERA zeichnet die Konzentrationen von elektrisch
neutralen Atomen auf und ist in der Lage, die Ionosphäre und die Wechselwirkung
des Plasmas, der vom Sonnenwind unmittelbar beeinflussten Umgebung der Venus, zu
charakterisieren. Mit dem Magnetometer MAG wird das Magnetfeld in der Umgebung
des Orbiters analysiert, und schließlich wird mit dem Venus Radio Science
Instrument (VeRa), für das die Bundeswehruniversität München die
wissenschaftliche Leitung hat, der Funkverkehr zwischen Venus Express und den
Bodenstationen auf der Erde ausgewertet. Über den Grad der Ionisation der
Venusatmosphäre will man Rückschlüsse auf dielektrische Eigenschaften der
Venusoberfläche und Anomalien des Schwerefeldes ziehen.
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