Diese Erfolgsmeldung wurde eigentlich schon vor 18 Monaten nach dem Start von
Artemis (Advanced Relay and Technology Mission) am 12. Juli 2001
erwartet. Wegen einer Funktionsstörung in der Oberstufe der Trägerrakete Ariane
5 war aber Artemis in einer zu niedrigen Umlaufbahn abgesetzt worden, so
dass der Verlust der Mission zu befürchten war. Dank des Einfallsreichtums und
Sachverstands eines europäischen Teams aus Fachleuten der ESA, des
Hauptauftragnehmers Alenia Spazio, des für die Entwicklung des Ionenantriebs
verantwortlichen Unternehmens Astrium und des Betreibers der Kontrollstation in
Fucino, Telespazio, konnte Artemis dann unter Nutzung eines
experimentellen Antriebssystems doch noch gerettet werden.
Zu Versuchszwecken war Artemis nämlich mit einem Ionenantriebssystem
ausgestattet worden, das für Manöver zur Korrektur einer etwaigen Abdrift aus
der Zielbahn verwendet werden sollte. In Wirklichkeit wurde dieses System
eingesetzt, um den Satelliten von 31.000 auf 36.000 km Höhe anzuheben. Dies nahm
natürlich sehr viel mehr Zeit als mit einem normalen Raketenmotor in Anspruch -
der Einsatz eines Ionenantriebs für diese Aufgabe war etwa so, als wollte man
ein großes Frachtschiff mit einem Außenbordmotor antreiben - doch letztlich
zählt nur das Ergebnis: Artemis ist nun am Ziel.
Für diese Rettungsmission mussten große Teile des Flugprogramms umgeschrieben
und sogar neue Software-Module entwickelt werden. So konnte Artemis,
nachdem er mit Hilfe des vorhandenen chemischen Antriebssystems auf eine
Parkbahn gebracht worden war, den Anflug auf die Endbahn dank seiner zwei
kleinen Ionentriebwerke fortsetzen. Die Bahnanhebungsmanöver begannen im Februar
2002 und gestatteten es Artemis, sich durchschnittlich um 15 km pro Tag
zur geostationären Bahn emporzuschrauben. Dabei blieben Zwischenfälle und böse
Überraschungen nicht aus, was durchaus verständlich ist, wurde doch der
Ionenantrieb für eine Aufgabe eingesetzt, für die er nicht konzipiert war.
Langsam aber sicher hat Artemis den Aufstieg zur Zielbahn bewältigt
und damit sein fortschrittliches Konzept und auch schon den Nutzen von
Satelliten dieser Art für die Erprobung neuer Technologien und Dienste unter
Beweis gestellt. In der letzten Phase des Endanflugs wurde das chemische
Triebwerk noch dreimal kurz gezündet, um den Satelliten genau auf die gewünschte
Geschwindigkeit zu bringen.
Nachdem Artemis die Einsatzposition erreicht hat, werden die während der
Rettungsphase abgeschalteten Nutzlastsysteme in Betrieb genommen. Bemerkenswert
ist aber, dass mit diesen bereits eine Weltpremiere gelungen ist, denn parallel
zur Vorbereitung der Bahnanhebung war bei der vom Boden aus durchgeführten
Funktionsprüfung der Kommunikationsnutzlasten ein vom Erdbeobachtungssatelliten
SPOT-4 des CNES aufgenommenes Bild über eine Laser-Verbindung zu Artemis
übertragen worden, der es seinerseits per Funk an das Verarbeitungszentrum von
Spot Image in Toulouse weiterleitete. Eine bisher einmalige Verbindung zwischen
Satelliten im All (astronews.com berichtete).
Nach dem Abschluss der Reaktivierung wird Artemis den eigentlichen Betrieb
aufnehmen, der zehn Jahre dauern könnte, also praktisch genau so lange, wie
ursprünglich vor den unvorhergesehenen Problemen geplant, die für die Zukunft im
Grunde sehr lehrreich sind.