Dank seines Ionenantriebs zeichnet sich für Artemis die Wende zum
Erfolg ab. Der normale Betrieb könnte noch in diesem Sommer beginnen und der
unter Federführung der italienischen Alenia Spazio gebaute ESA-Satellit damit
die ihm zugedachte Rolle beim Nachweis von Spitzentechnologie und der
Erschließung bahnbrechender Kommunikationsdienste spielen.
Am 12. Juli 2001 war 30 Minuten nach dem Start vom Raumflughafen Europas in
Kourou in Französisch-Guayana klar geworden, dass die Trägerrakete Ariane
5 den Satelliten Artemis auf einer Übergangsbahn abgesetzt hatte, deren
Apogäum (erdfernster Punkt) lediglich eine Höhe von 17 000 km und nicht wie
geplant von 36 000 km aufwies (astronews.com berichtete)
Ein gewöhnlicher Satellit führt normalerweise nicht genügend Treibstoff mit, um
einen Startfehler dieser Größenordnung auszugleichen. Mit einem innovativen
Ionenantrieb, dessen Wirkungsgrad zehnmal höher ist als der eines chemischen
Antriebssystems, ist hingegen eine Rettung denkbar. Eingebettet in einen
neuartigen und bemerkenswert flexiblen Systementwurf und mit viel Kreativität,
Teamgeist und betrieblichem Sachverstand genutzt, könnte sich die
Antriebskapazität von Artemis als Schlüssel zum Erfolg einer ansonsten
verlorenen Mission erweisen.
Die ursprüngliche Bahnanhebung mit Hilfe des vorhandenen chemischen
Antriebssystems wurde von einem Team aus Fachleuten von verschiedenen Firmen
unter Mitwirkung von ESA-Ingenieuren in weniger als 10 Tagen durchgeführt. Diese
rasche Reaktion war notwendig, um eine Beschädigung des Satelliten durch einen
längeren Aufenthalt im Van Allen-Strahlungsgürtel der Erde zu vermeiden. Die
Triebwerksbrenndauer wurde so bemessen, dass eine sichere Parkbahn erreicht
werden konnte und gleichzeitig etwa 70 kg Treibstoff in den Tanks verblieben, um
gegebenenfalls die Position des Satelliten auf der Endbahn fünf bis sieben Jahre
lang aufrechterhalten zu können.
Alle Manöver verliefen äußerst erfolgreich: Mit 5 Zündungen im Perigäum wurde
das Apogäum auf 31 000 km angehoben. Nach drei planmäßigen Apogäumszündungen
konnte Artemis dann eine kreisförmige Parkbahn in 31 000 km Höhe erreichen.
Unter den gegebenen außergewöhnlichen Umständen wurden die Perigäums- und
Apogäumszündungen, die rund 95 % des Vorrats an chemischen Treibstoffen
verbrauchten, dank des einwandfreien Funktionierens des Satelliten mit hoher
Effizienz durchgeführt.
Für die verbleibenden Bahnanhebungsmanöver mit Hilfe der Ionentriebwerke waren
aufwendige Vorarbeiten notwendig, vor allem weil der Satellit aus seiner
normalen Ausrichtung auf die Erde heraus in Flugrichtung gedreht werden muss.
Hierzu mussten unter Zeitdruck neue Flugregelungsgesetze ausgearbeitet und neue
Software-Module geschrieben, erprobt und implementiert werden. Auch waren neue
Betriebsverfahren festzulegen und Untersysteme auf eine Weise zu konfigurieren,
für die sie ursprünglich nicht konzipiert waren. All dies stellte sich als eine
viel anspruchsvollere Aufgabe heraus, als Europa bei einem Nachrichtensatelliten
je unternommen hat.
Im Januar 2002 waren alle neuen Software-Module fertiggestellt und erprobt. In
dieser Woche beginnt Artemis, sich mit einer Geschwindigkeit von rund
einem Kilometer pro Stunde aus seiner sicheren Parkbahn zu der 5000 km höheren
Endbahn emporzuschrauben.
Während die anfängliche Bahnanhebung mit dem chemischen Antriebssystem in
wenigen Tagen abgeschlossen werden konnte, dürften die verbleibenden Manöver,
bei denen zwei Ionentriebwerke fast ununterbrochen eingeschaltet bleiben, über
200 Tage in Anspruch nehmen. Dies ist durch den sehr schwachen Schub dieser
Triebwerke bedingt, deren Aufgabe etwa so ist, als würde ein Ozeanriese von
einem Außenbordmotor angetrieben. Es wird erwartet, dass Artemis in diesem
Sommer seine Sollhöhe von 36 000 km erreicht.
Parallel zur Vorbereitung der Bahnanhebungsmanöver wurden die
Fernmeldenutzlasten des Satelliten auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft.
Höhepunkte waren dabei die Übertragungstests mit dem Erdbeobachtungssatelliten
SPOT-4 der französischen Raumfahrtagentur CNES bei denen Bilddaten von SPOT-4
per Laserstrahl zu Artemis gesandt und von dort per Funk zum
Verarbeitungszentrum der Firma Spot Image in Toulouse weitergeleitet
wurden. Alle Tests bestätigten, dass die Artemis-Nutzlasten sich guter
Gesundheit erfreuen und für den Einsatz zum Nachweis von Technologien und zur
Erschließung von Kommunikationsdiensten bereit sind.
Der Satellit befindet sich nun im Anflug auf seine Endposition im geostationären
Orbit. Für eine fast schon verlorengegebene Mission zeichnet sich die Wende zum
Erfolg ab, da Artemis letztlich in der Lage sein dürfte, seine Aufgabe von
seiner geostationären Position aus während mindestens fünf Jahre planmäßigen
Betriebs wahrzunehmen.