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Die Folgen von Isolation im All für die Besatzung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
7. Juli 2025
Drei Männer und drei Frauen haben über acht Tage eine
Weltraum-Mission simuliert: Enge, kaum Kontakt zur Außenwelt und ein strenger
Zeitplan. Die Erkenntnisse zu den psychischen und physischen Auswirkungen
fließen in die 100-Tage-Isolationsstudie im kommenden Jahr ein, die ebenfalls
vom DLR durchgeführt wird. Bald beginnt dafür der Bewerbungsprozess.

Übernachtet wurde in Schlafkapseln: Sie haben
ein eigenes Belüftungssystem und bieten ein wenig
Privatsphäre.
Foto: DLR [Großansicht] |
Welche Auswirkungen haben Langzeit-Missionen auf Astronautinnen und
Astronauten? Wie kommen sie mit der Enge zurecht, mit der Abgeschiedenheit oder
mit dem Gefühl, ganz auf sich selbst gestellt zu sein? Diese und viele weitere
Fragen soll im kommenden Jahr die Studie SOLIS100 beantworten, die das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchführen wird. Die Studie unter der
Leitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA dauert 100 Tage. Die
Isolationsstudie SOLIS8, die die Studie SOLIS100 vorbereitet, ist jetzt
abgeschlossen. Drei Männer und drei Frauen haben acht Tage im :envihab in einem
abgeschlossenen Bereich verbracht.
Das Zentrum des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln verfügt
über ein spezielles Modul. Es ist ideal für Langzeitstudien in einer künstlich
kontrollierten und isolierten Umgebung. Wie in einer Raumstation findet sich
hier auf kleinem Raum alles, was zum Leben sowie für wissenschaftliche
Experimente benötigt wird. In diesem Modul wird das DLR auch die ESA-Studie
SOLIS100 durchführen. Mit der Pilotstudie haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nun die Ausstattung sowie Verfahren und Abläufe für die Studie
getestet.
Die sechs Teilnehmenden haben auf Tageslicht und Kontakt zur Außenwelt
weitgehend verzichtet. Sie haben ihre Mahlzeiten aus vorbereiteten und
gelagerten Lebensmitteln zubereitet, in speziellen Kapseln geschlafen und sich
bei allen Aktivitäten an einen strengen Plan gehalten. Für Schlaf, Mahlzeiten
und Freizeitaktivitäten galten bestimmte Zeitfenster. Nickerchen während der
Wachzeit waren zum Beispiel nicht erlaubt, außer an den 1,5 "arbeitsfreien
Tagen". Die Regeln für persönliche Gegenstände orientierten sich an den Regeln
für die Internationale Raumstation ISS: Sie dürfen ein Gewicht von 1,5 Kilogramm
nicht überschreiten und müssen in eine Box mit den Maßen von 12,7 x 20,32 x 5,08
Zentimeter passen. Außerdem: Duschzeiten zweimal fünf Minuten pro Woche,
abgezählte Kleidung und Wäsche, begrenzte Lebensmittel. Tägliches
Fitnesstraining stand wie bei Astronautinnen und Astronauten auf dem Programm:
Es soll den negativen Auswirkungen auf Muskeln, Knochen und das
Herz-Kreislauf-System entgegenwirken.
Das Projektteam des DLR hat die Teilnehmenden rund um die Uhr überwacht, um
die Sicherheit zu gewährleisten – aber auch, um das Verhalten der
Besatzungsmitglieder zu beobachten und Daten zu erheben. Damit der Kontakt so
gering wie möglich bleibt, wurden zum Beispiel Blutproben entnommen, indem die
Crewmitglieder ihren Arm durch eine Vorrichtung an der Tür gehalten haben.
Blickkontakt gab es dabei nicht. In kurzen Audio-Briefings wurden Aufgaben und
Routinen besprochen. Für Notfälle hätte – anders als bei einem realen
Weltraum-Aufenthalt – aber jederzeit eine medizinische oder psychologische Hilfe
bereitgestanden.
Die Erforschung des Weltraums durch den Menschen soll künftig weit über die
ISS hinausgehen. Es gibt Pläne für Missionen zu Mond und Mars oder die
Errichtung einer Mondbasis. "Diese Missionen werden neue psychologische und
physische Herausforderungen mit sich bringen. Die Reisezeiten verlängern sich
und die Besatzung benötigt in isolierten und begrenzten Umgebungen mehr
Autonomie. Um diese Herausforderungen zu kennen und zu meistern, sind
hochwertige Studien unerlässlich", sagt Professor Jens Jordan, Leiter des
DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin.
Isolationsstudien werden seit langem als Analoga für Weltraummissionen
verwendet. Sie erforschen, wie sich die Bedingungen auf die Gesundheit, das
Verhalten und die Leistung von Crewmitgliedern auswirken. "Die derzeitige
Datenlage ist jedoch begrenzt. Deswegen sind weitere Forschungen unter
kontrollierten Bedingungen erforderlich, damit wir die psychologischen und
physiologischen Auswirkungen besser verstehen. Diese Forschung wird dazu
beitragen, Risiken vorherzusagen, die Auswahl und das Training der Besatzung zu
verbessern und Strategien zu entwickeln, um die Leistungsfähigkeit und
Gesundheit bei Langzeit-Missionen zu erhalten", ergänzt Dr. Sarah Piechowski-Worms,
wissenschaftliche Leiterin der SOLIS8-Studie.
Die Erkenntnisse aus SOLIS8 werden in den kommenden Wochen ausgewertet. "Die
ESA-Isolationsstudien beantworten dringende Fragen für zukünftige
Raumfahrtmissionen und bieten europäischen Wissenschaftsteams die Möglichkeit,
ihre eigenen Forschungsfragen zu adressieren. Diese Studien helfen, die
psychologischen und physiologischen Auswirkungen von Langzeit-Missionen besser
zu verstehen. Zudem tragen sie zur Verbesserung der Auswahl und des Trainings
zukünftiger Astronautinnen und Astronauten bei", sagt Ann-Kathrin Vlacil,
Teamleiterin für das Wissenschaftsprogramm der ESA zur astronautischen
Raumfahrt.
Das DLR-Studienteam hat die SOLIS8-Teilnehmenden in einem mehrstufigen
Verfahren ausgewählt. Dieses Verfahren wird für SOLIS100 erweitert. Wegen der
längeren Isolation wird es zusätzliche Anforderungen enthalten. Die
SOLIS100-Studie dauert rund vier Monate, mit 100 Tagen in Isolation. Auf
Fragebögen und persönliche Interviews folgen eine medizinische Untersuchung und
ein psychologisches Screening, sowohl einzeln als auch in der Gruppe.
Anschließend werden die SOLIS100-Crew sowie die Ersatz-Crewmitglieder
festgelegt. Die Auswahl beginnt demnächst.
Bewerberinnen und Bewerber müssen viele Kriterien erfüllen, die auch für
Astronautinnen und Astronauten gelten. Sie müssen unter anderem zwischen 30 und
55 Jahren alt und gesund sein, einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18,5 und 30
haben sowie auf einem Niveau von mindestens B2 Englisch sprechen und verstehen.
Außerdem sollten sie einen Hochschul-Abschluss haben. Auf einer speziellen
Webseite des DLR sind weitere Kriterien aufgeführt und es wird auch das
Verfahren erklärt, sobald eine Bewerbung möglich ist.
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