Kälte, Isolation, Schwerelosigkeit: An Orten wie der
Antarktis oder dem All ist der Mensch extremen Bedingungen ausgesetzt. Wie er
sich daran anpasst und wie sich negative Auswirkungen abmindern lassen,
untersucht die Raumfahrtmedizin. Ab dem Wintersemester 2024 lässt sich dieses
Fach studieren - an gleich drei europäischen Universitäten. Bewerbungsschluss
ist der 1. März.
Muskelschwund, Knochenabbau und Veränderungen im Gehirn: Das sind nur
einige der Folgen, mit denen Raumfahrende nach Aufenthalten in der
Schwerelosigkeit zu kämpfen haben. Dazu kommt die psychologische Belastung
durch die räumliche Enge und Isolation auf einer Raumstation. Nicht nur weil
die Weltraumorganisationen längere bemannte Flüge ins All planen, sondern
auch weil der Weltraumtourismus an Fahrt aufnimmt, kommt der Erforschung
dieser Phänomene eine wachsende Bedeutung zu.
Dabei ist der Weltraum nur die extremste Umwelt, in die sich der Mensch
begeben kann. Auch auf der Erde gibt es Bedingungen, die den Körper
außergewöhnlich stark belasten – zum Beispiel durch sehr hohe oder niedrige
Temperaturen, Über- und Unterdruck oder Reizarmut. Die Erforschung dieser
Umgebungen und ihres Einflusses auf den Menschen hilft nicht nur,
Expeditionen ins Hochgebirge oder die Arbeit der Feuerwehr sicherer zu
gestalten, sondern liefert auch wichtige Erkenntnisse zum Umgang mit
Hitzewellen, Bewegungsarmut oder Einsamkeit.
Selbst viele Erkenntnisse zum Aufenthalt im Weltraum kommen den Menschen
auf der Erde zugute: Ähnlich wie im All verlieren Personen, die lange liegen
müssen, viel Muskulatur, ihr Osteoporose-Risiko steigt. Und wie im All kann
Krafttraining dieses Risiko senken. Um die anatomischen, physiologischen und
psychologischen Anpassungen des Menschen an den Weltraum zu untersuchen,
müssen Forschende aber nicht zwangsläufig Experimente im All durchführen.
Durch Simulationsszenarien wie Parabelflüge, Isolationsstudien in der
Antarktis oder Bettruhestudien lassen sich wichtige Erkenntnisse auch auf
der Erde sammeln.
Um den wissenschaftlichen Nachwuchs für dieses Fachgebiet spezifisch
auszubilden, haben die Charité in Berlin, die Université de Caen
Normandie in Frankreich und die Jožef Stefan International
Postgraduate School in Slowenien ihre Expertise in der Weltraummedizin
vereint und einen gemeinsamen Erasmus-Mundus-Masterstudiengang konzipiert.
Er soll Studierende dazu befähigen, die Fachgebiete der Weltraummedizin und
Physiologie in extremen Umwelten aufseiten der Forschung voranzubringen,
Raumfahrende medizinisch zu betreuen oder Lebenserhaltungssysteme für die
Raumfahrt zu entwickeln.
"An der Charité haben wir mit dem Forschungsschwerpunkt Weltraummedizin
am Institut für Physiologie eine lange Tradition der Untersuchung des
Menschen im Weltraum und in extremen Umwelten", sagt Dr. Alexander Stahn vom
Institut für Physiologie der Charité, der den Studiengang an der Charité
koordinieren wird. "Wir beforschen Fragenstellungen vom Bewegungsapparat bis
zum zentralen Nervensystem, unsere Erkenntnisse haben internationale
Strahlkraft. Ich freue mich sehr, dass wir diese ausgewiesene Kompetenz
zusammen mit unseren Partnern nun in einem einzigartigen Studiengang
strukturiert und interdisziplinär an die nächste Generation weitergeben
können."
Das zweijährige Ausbildungsprogramm richtet sich an Interessierte mit
einem Hochschulabschluss in Medizin, einem Masterabschluss in
Ingenieurswissenschaften oder einem Bachelorabschluss in Natur- oder
Bewegungswissenschaften. Die Studierenden verbringen je ein Semester an
jeder der drei Universitäten und fertigen anschließend ihre Masterarbeit an
einer von 28 internationalen Partnerorganisationen an. Sie haben die
Möglichkeit, an Forschungsprojekten mitzuarbeiten, die von
Raumfahrtagenturen wie der NASA und ESA oder dem Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) gefördert werden. Anschließend erhalten sie einen
gemeinsam von den drei Universitäten ausgestellten Erasmus-Mundus-Masterabschluss.
Interessierte können sich bis zum 1. März über die Université de Caen
Normandie für die Teilnahme an dem Studiengang bewerben. Das Programm
bietet im ersten Jahrgang 13 Studienplätze, für die Stipendien zur Verfügung
stehen. Unterrichtssprache ist Englisch. Die Einrichtung des Gemeinsamen
Erasmus-Mundus-Masterstudiengangs wird von der EU mit rund 4,7 Millionen
Euro gefördert.