Rund die Hälfte der Gesamtfläche Deutschlands wird für die Landwirtschaft
genutzt. Anhand von Satellitendaten haben Forschende aus dem Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) jetzt für sechs Jahre analysiert,
welche Feldfrüchte wo wachsen und welche Fruchtfolgen angebaut werden. Die
Karten können zum Beispiel für das Monitoring verwendet werden, um die
Folgen des Klimawandels abzuschätzen, Anpassungsmöglichkeiten zu
identifizieren oder um Modelle für die Agrarlandschaft zu entwickeln. Die
Forschenden haben mit rund 76.100 Satellitenaufnahmen gearbeitet, was 44
Terrabyte an Daten entspricht.
"Satellitengestützte Informationen über die Landnutzung sind zuverlässig,
flächendeckend und unbestechlich. Sie unterstützen eine nachhaltige
landwirtschaftliche Bodennutzung in Deutschland. Zudem geben die Daten einen
Überblick, um die sich anbahnenden Auswirkungen des Klimawandels zu
bewerten", sagt Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende
des DLR. "Mit den nun vorliegenden Feldfruchtkarten erkennen wir im Detail
die Vielfalt und Strukturen der landwirtschaftlichen Nutzung in unserem
Land. Die Erdbeobachtung liefert hier kontinuierlich Daten über Anbaugebiete
und -flächen, die eine Abschätzung von Risiken für Ernteschäden, etwa
aufgrund von Erosion und Starkregen ermöglichen. Diese sind nicht nur für
die Wissenschaft, sondern ebenso für regionale Akteure, Behörden und
Verbände wie auch für die Wirtschaft von großem Interesse."
Die Auswertung wurde erstmalig über sechs Jahre von 2018 bis 2023 mit
einer räumlichen Auflösung von zehn Metern erstellt. Die Daten basieren auf
Zeitserien der Satelliten Sentinel-1 und Sentinel-2, die
etwa alle fünf Tage die Erdoberfläche aufnehmen. 18 verschiedene Feldfrüchte
und Hauptnutzungsarten werden berücksichtigt: Winterweizen, Wintergerste,
Winterroggen, sonstiges Wintergetreide, Sommerweizen, Sommergerste,
Sommerhafer, Mais, Bohnen/Lupinen/Erbsen, Kartoffeln, Zuckerrüben, Raps,
Klee/Luzerne, Ackergras, Grünland, Wein, Obst- und Feldgehölze sowie Hopfen.
Der Blick auf die Karten zeigt, dass Weizen und Mais die größten
Anbauflächen einnehmen, gefolgt von Gerste.
Außerdem gibt es deutliche regionale Unterschiede in Deutschland:
Schwerpunkte des Maisanbaus liegen im Nordwesten und südlich der Donau, der
Weizenanbau verteilt sich gleichmäßiger über die Agrarregionen. Ein Mix aus
Weizen und Zuckerrüben findet sich in Gebieten mit nährstoffreichen, meist
tiefgründigen Böden, beispielsweise in der Magdeburger und Hildesheimer
Börde, in Teilen Frankens und im Westen Nordrhein-Westfalens. Dazu kommen
regionale Besonderheiten wie der Hopfenanbau in der Holledau, Obstanbau im
Alten Land oder Weinanbaugebiete am Oberrhein, an der Mosel oder am Main.
Insgesamt spielen die unterschiedlichen Bodenverhältnisse und klimatischen
Bedingungen eine Rolle. Die typischen landwirtschaftlichen Anbaukulturen
haben sich aber auch aus historischen Gründen und durch Anbautraditionen
ausgeprägt.
"Wir können Feldfrüchte schlaggenau, also für jedes Stück Ackerland,
flächendeckend und für ganz Deutschland einheitlich detektieren. Unsere
Datensätze ermöglichen so einen Vergleich der Ackerlandnutzung über die
Jahre sowie die Ableitung von Fruchtfolgen auf einzelnen Schlägen. Bestimmte
Fruchtfolgen sind zum Beispiel wichtig für die Pflanzen- und
Boden-Gesundheit und werden sich in der Folge des Klimawandels
wahrscheinlich verändern", erklärt Dr. Ursula Geßner, die die Gruppe Agrar-
und Waldökosysteme im Earth Observation Center (EOC) des DLR
leitet. Die Kartierungen können die Agrarstatistik ergänzen, die
Informationen nicht feldgenau, sondern auf Verwaltungseinheiten gebündelt
bereitstellt.
Die Datensätze liefern jedoch nicht nur parzellengenaue Informationen zur
angebauten Kulturart. Darüber hinaus geben sie indirekte Informationen über
Agrarlandschaften, zum Wasserbedarf, zur Anfälligkeit für Trockenheit und
Schädlinge und zur Agrardiversität. Die Sentinel-1-Satelliten, die zum
europäischen Copernicus-Programm gehören, haben Radartechnologien an Bord.
Sie beobachten die Erdoberfläche unabhängig von Licht oder Wolken. Die
Sentinel-2-Satelliten sind mit optischen Instrumenten ausgestattet, die zum
Beispiel Veränderungen in der Grünheit der Vegetation erkennen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am EOC haben die Zeitreihen
der Satelliten mit Verfahren des Maschinellen Lernens kombiniert. Die
künstliche Intelligenz (KI), die die Forschenden verwenden, erzielt eine
hohe Genauigkeit. Generell gibt es aber Unterschiede in der Genauigkeit der
einzelnen Klassen. So sind beispielsweise Zuckerrüben, Raps und Mais sehr
gut detektierbar. Nutzungsarten, die sich in Aussehen und
Entwicklungsverlauf stark ähneln, wie Sommergetreide- oder Grünland-Arten,
sind schwieriger voneinander zu unterscheiden.
Die Datensätze sind über den EOC Geoservice öffentlich zugänglich. Sie
können von Behörden, Institutionen und Forschungseinrichtungen als
Informationsgrundlage genutzt werden, um Agrarstatistiken zu ergänzen oder
Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Es handelt sich
zusätzlich um Basisdatensätze für weiterführende wissenschaftliche Arbeiten.
Diese können etwa die Modellierung des Wasserhaushalts, landwirtschaftlicher
Erträge oder die Berechnung von Treibhausgasspeicherung und -emissionen in
der Landwirtschaft betreffen.