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"Rote Monster"-Galaxien im jungen Universum
von
Stefan Deiters astronews.com
19. November 2024
Mithilfe des Weltraumteleskops James Webb wurden drei
ungewöhnlich massereiche Galaxien im jungen Universum aufgespürt, die bereits in
den ersten Milliarden Jahren nach dem Urknall existierten, trotzdem aber fast so
massereich wie die Milchstraße sind. Die Sternentstehung im frühen Universum
muss also weitaus effizienter gewesen sein als bisher angenommen.
Zwei der drei "Rote Monster" getauften Galaxien im jungen
Universum, die mithilfe von James Webb entdeckt wurden.
Bild: NASA / CSA / ESA, M. Xiao & P. A. Oesch
(University of Geneva), G. Brammer (Niels Bohr Institute),
Dawn JWST Archive [Großansicht] |
In dem von der Wissenschaft aktuell favorisierten Modell bilden sich die
Galaxien allmählich innerhalb großer Halos aus Dunkler Materie. Diese Halos fangen Gas in gravitativ gebundene Strukturen ein,
so dass hier Sterne entstehen können.
Normalerweise werden in Galaxien nur höchstens rund 20 Prozent dieses Gases in
Sterne umgewandelt. Eine kürzlich vorgestellte Studie, die auf Beobachtungen
mit dem James Webb Space Telescope (JWST) basiert, stellen
diese Ansicht jedoch in Frage: Die beteiligten Forscherinnen und Forscher
zeigen darin, dass massereiche Galaxien in der Frühzeit des Universums bei der
Bildung von Sternen viel effizienter waren als ihre späteren Gegenstücke und
offenbar viel schneller wuchsen als bisher angenommen.
Mithilfe des JWST ist es gelungen, Galaxien im sehr fernen und frühen
Universum systematisch zu untersuchen und Einblicke in massereiche und durch
Staub verdeckte Galaxien zu gewinnen. Bei der Analyse der Galaxien dieser
sogenannten FRESCO-Durchmusterung stellte das Team fest, dass die meisten
beobachteten Systeme zu den bestehenden Modellen passen. Sie fanden jedoch auch
drei überraschend massereiche Galaxien, deren Sternmassen mit denen der heutigen
Milchstraße vergleichbar sind. Diese Galaxien bilden fast doppelt so effizient
Sterne wie ihre masseärmeren Gegenstücke und Galaxien aus späteren Zeiten.
Aufgrund ihres hohen Staubanteils, der ihnen auf den JWST-Bildern ein deutlich
rotes Aussehen verleiht, wurden sie von den Forschenden die drei "Red Monsters" - also "Rote
Monster" genannt.
"Unsere Ergebnisse verändern unser Verständnis der
Galaxienentstehung im frühen Universum", ist Dr. Mengyuan Xiao von der
Universität Genf überzeugt. "Die genauen Eigenschaften dieser 'Roten Monster'
konnten zuvor kaum bestimmt werden, da sie aufgrund der Staubabschwächung
optisch unsichtbar sind", ergänzt Dr. David Elbaz, Forschungsdirektor am CEA
Paris-Saclay. Das internationale Team hatte für James Webb ein neues
Beobachtungsprogramm entwickelt, um eine vollständige Stichprobe bestimmter
Galaxien in den ersten Milliarden Jahren der kosmischen Geschichte systematisch
zu analysieren. So waren präzise Entfernungsschätzungen und zuverlässige
Messungen der stellaren Masse für die gesamte Galaxienauswahl möglich.
"Unsere Ergebnisse unterstreichen die bemerkenswerte Leistungsfähigkeit der
Spektroskopie mit NIRCam", betont Pascal Oesch von der Universität Genf. ''Das
Instrument an Bord des Weltraumteleskops ermöglicht es uns, das Wachstum von
Galaxien im Laufe der Zeit zu identifizieren, zu untersuchen und ein klareres
Bild davon zu gewinnen, wie sich stellare Masse im Laufe der kosmischen
Geschichte ansammelt.''
Diese Ergebnisse stehen zwar nicht im Widerspruch zum kosmologischen
Standardmodell, werfen aber neue Fragen für die Theorien der Galaxienbildung
auf, insbesondere die Frage nach "zu vielen, zu massiven" Galaxien im frühen
Universum. Die derzeitigen Modelle müssen möglicherweise besondere Prozesse
berücksichtigen, die es bestimmten frühen massereichen Galaxien ermöglichten, so
effizient Sterne entstehen zu lassen und sich somit sehr schnell und sehr früh
im Universum zu bilden.
Zukünftige Beobachtungen mit dem JWST und mit der
Radioteleskop Atacama Large Millimeter Array (ALMA) sollen weitere Informationen
zu diesen "Roten Monster" liefern und zudem weitere solche Systeme aufspüren
helfen. "Die
Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Galaxien im frühen Universum
Sterne mit unerwarteter Effizienz bilden konnten", so Xiao. "Wenn wir diese
Galaxien eingehender untersuchen, werden sie neue Erkenntnisse über die
Bedingungen liefern, die die frühesten Epochen des Universums geprägt haben.
Die 'Roten Monster' sind nur der Beginn einer neuen Ära in unserer Erforschung
des frühen Universums."
Über ihre Beobachtungen berichtete das Team in der Zeitschrift Nature.
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