Extreme Sternentstehung im jungen Universum
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
26. Mai 2017
Astronomen haben im frühen Universum eine neue Art von
Galaxie entdeckt, die bereits weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall
hundert Mal schneller Sterne bildet als unsere Milchstraße. Das könnte die
Existenz von überraschend massereichen Galaxien nur 1,5 Milliarden Jahre nach
dem Urknall erklären. Auch eine frühe Galaxienkollision spürten die Forscher
auf.
Künstlerische Darstellung eines Quasars mit
benachbarten verschmelzenden Galaxien. Die von
Decarli und Kollegen beobachteten Galaxien sind
so weit entfernt, dass derzeit keine detaillierten
Bilder möglich sind. Diese Montage gibt einen
Eindruck davon, wie sie aus der Nähe aussehen
würden.
Bild: MPIA mit Bildmaterial des
NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble [Großansicht] |
Als eine Gruppe von Astronomen vor ein paar Jahren im frühen Universum eine neue
Sorte ungewöhnlich massereicher Galaxien entdeckte, gab deren schiere Größe –
mit Hunderten von Milliarden Sternen – ein Rätsel auf. Diese Galaxien sind
nämlich so weit entfernt, dass wir sie sehen, wie sie ganze anderthalb
Milliarden Jahre nach dem Urknall aussahen, als das Universum nur rund zehn
Prozent seines heutigen Alters hatte. Wie konnten sie aber vom Urknall bis
dahin, in einer vergleichsweise kurzen Zeit, bereits so viele Sterne bilden?
Jetzt zeigt ein Zufallsfund einer Astronomengruppe unter der Leitung von Roberto
Decarli vom Max-Planck-Institut für Astronomie eine mögliche Lösung auf: eine
Population superproduktiver Galaxien im frühesten Universum, weniger als eine
Milliarde Jahre nach dem Urknall. "Wir waren eigentlich auf der Suche nach etwas
anderem gewesen: nach Sternentstehungs-Aktivität in den Wirtsgalaxien von
Quasaren", erläutert Decarli. "In vier Fällen fanden wir allerdings etwas
Unerwartetes: Nachbargalaxien der Quasare, die mit großer Geschwindigkeit neue
Sterne bildeten, hundert Sonnenmassen pro Jahr".
Quasare sind eine kurze Phase in der Entwicklung von Galaxien, angetrieben
dadurch, das Materie auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer
Galaxie fällt. Fabian Walter, Leiter des Beobachtungsprogramms mit dem
ALMA-Observatorium in Chile, welches zu der Entdeckung führte, sagt: "Es dürfte
kein Zufall sein, dass diese produktiven Galaxien so nahe an hellen Quasaren
liegen. Quasare entstehen nach heutigem Verständnis in Regionen des Universums,
in denen die Materiedichte deutlich größer ist als im Durchschnitt. Dieselben
Bedingungen dürften begünstigen, dass Galaxien besonders schnell neue Sterne
bilden."
Ob die neu entdeckten Galaxien tatsächlich die Vorläufer ihrer massereichen
späteren Verwandten seien und so das kosmische Rätsel lösen können, hängt davon
ab, wie häufig sie im Universum sind. Dieser Frage wollen sich Decarli und seine
Kollegen mit weiteren Beobachtungen widmen.
Die ALMA-Beobachtungen zeigen außerdem eine Galaxienkonfiguration, bei der es
sich offenbar um das früheste bekannte Beispiel für zwei miteinander
verschmelzende Galaxien handelt. Neben der Entstehung neuer Sterne sind solche
Verschmelzungen ein wichtiger Mechanismen für Galaxienwachstum – und die neuen
Beobachtungen geben die ersten direkten Hinweise darauf, dass solche
Verschmelzungen bereits in den frühesten Stadien der Galaxienevolution
stattgefunden haben, weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der jetzt in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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