Das Rätsel der Supernova von 1181
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Institute of Science and Technology Austria astronews.com
25. Oktober 2024
Im Jahre 1181 dokumentierten chinesische und japanische
Astronomen eine Supernova, die bis vor wenigen Jahre noch als verschollen galt.
Erst 2021 wurde der zugehörige Supernova-Überrest entdeckt. Dieser sah
allerdings deutlich anders aus als gewöhnliche Überreste solcher
Sternexplosionen. Eine neue Studie lieferte nun neue Details über die damalige
Supernova und den Überrest.
Eine lange verschollene historische
Supernova in 3D. Animation des 3D-rekonstruierten
Supernova-Überrests Pa 30, der im Jahr 1181
explodierte. Bild:
Adam Makarenko [Großansicht] |
Im Jahr 1181 leuchtete sechs Monate lang ein neuer Stern in der Nähe des
Sternbilds Kassiopeia. Dann verschwand er plötzlich. Dieses Ereignis, das vor
fast einem Jahrtausend von chinesischen und japanischen Beobachterinnen und
Beobachtern als "Gaststern" aufgezeichnet wurde, hat die Astronomie
jahrhundertelang vor ein Rätsel gestellt. Es ist eine der wenigen Supernovae,
die vor der Erfindung der Teleskope dokumentiert wurden. Zudem ist sie am
längsten ein "Waise" geblieben – man konnte ihr also keines der heute sichtbaren
Himmelsobjekte zuordnen. Das nun als SN 1181 bekannte Objekt wurde erst im Jahr
2021 mit dem Nebel Pa 30 assoziiert, den die Amateurastronomin Dana Patchick
2013 entdeckte, als sie dabei half, Teleskopdaten zu untersuchen.
Aber dieser Nebel ist kein typischer Supernova-Überrest. Tatsächlich waren
die Forschenden fasziniert, als sie in seinem Zentrum einen überlebenden
"Zombie-Stern" fanden – quasi einen Überrest innerhalb des Überrests. Die
Supernova von 1181 soll entstanden sein, als eine thermonukleare Explosion in
einem dichten, ausgebrannten Stern, einem sogenannten Weißen Zwerg, ausgelöst
wurde. Normalerweise würde der Weiße Zwerg bei dieser Art von Explosion
vollständig zerstört werden, aber in diesem Fall überlebte ein Teil des Sterns
und hinterließ eine Art "Zombie-Stern". Diese Art von Teilexplosion wird als
Supernova vom Typ Iax bezeichnet.
Noch faszinierender ist, dass von diesem Zombie-Stern ausgehend seltsame
Fäden zu beobachten sind, die den Blütenblättern eines Löwenzahns ähneln. Ilaria
Caiazzo, Assistenzprofessorin am Institute of Science and Technology Austria
(ISTA), und Tim Cunningham, ein NASA-Hubble-Fellow am Center for
Astrophysics von Harvard und Smithsonian, haben nun einen noch nie
dagewesenen Blick auf diese seltsamen Fäden werfen können: Das Team um
Cunningham und Caiazzo konnte diesen seltsamen Supernova-Überrest dank des
Keck Cosmic Web Imager (KCWI) von Caltech unter die Lupe nehmen. KCWI ist
ein Spektrograph, der sich in über 4000 Metern Höhe am W. M. Keck
Observatory auf Hawaii befindet, in der Nähe des Gipfels des Vulkans Mauna
Kea, dem höchsten Berg Hawaiis.
Wie der Name schon sagt, wurde KCWI entwickelt, um einige der schwächsten und
dunkelsten Lichtquellen im Universum aufzuspüren, die zusammenfassend als
"kosmisches Netz" bezeichnet werden. Darüber hinaus ist KCWI so empfindlich,
dass es Spektralinformationen für jedes Pixel in einem Bild erfassen kann. Es
kann auch die Bewegung der Materie in einer Sternexplosion messen und so etwas
wie einen 3D-Film einer Supernova erstellen. Dabei untersucht KCWI, wie sich das
Licht verschiebt, während es sich auf uns zu oder von uns wegbewegt – ein
physikalischer Prozess, der dem Dopplereffekt ähnelt, den wir von heulende
Sirenen kennen, die in einem vorbeifahrenden Krankenwagen ihre Tonhöhe ändern.
Die Forschenden konnten dabei nicht nur das für Supernovae übliche statische
Bild eines Feuerwerks abbilden, sondern auch ein detailliertes 3D-Modell des
Nebels und seiner seltsamen Filamente erstellen. Außerdem konnten sie zeigen,
dass sich das Material in den Filamenten mit einer Geschwindigkeit von etwa 1000
Kilometern pro Sekunde "ballistisch" fortbewegt. "Das bedeutet, dass das
ausgeworfene Material seit der Explosion weder verlangsamt noch beschleunigt
wurde", erklärt Cunningham. "Anhand der gemessenen Geschwindigkeiten konnten wir
die Explosion fast genau auf das Jahr 1181 zurückdatieren."
Abgesehen von den Löwenzahn-ähnlichen Filamenten und ihrer ballistischen
Expansion ist auch die Gesamtform der Supernova höchst ungewöhnlich. Das Team um
Cunningham und Caiazzo zeigte, dass das Material innerhalb der Filamente, das
vom Explosionsort weggeschleudert wird, sich ungewöhnlich asymmetrisch
fortbewegt. Dies lässt vermuten, dass die Asymmetrie auf die ursprüngliche
Explosion selbst zurückzuführen ist. Außerdem scheinen die Filamente eine
scharfe Innenkante zu haben, die eine innere "Lücke" um den Zombie-Stern
herumzeigt. "Unsere erste detaillierte 3D-Charakterisierung der Geschwindigkeit
und der räumlichen Struktur eines Supernova-Überrests sagt uns viel über ein
einzigartiges kosmisches Ereignis, das unsere Vorfahren vor Hunderten von Jahren
beobachtet haben. Auch wirft es aber neue Fragen auf und stellt die Astronomie
vor neue Herausforderungen", fasst Caiazzo zusammen.
Lange Zeit hatte man angenommen, dass der Supernova-Überrest 3C58 mit der
Supernova von 1181 in Verbindung steht, doch waren die Beobachtungen nicht
schlüssig. Pa 30 scheint nun sehr viel besser zu passen. Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erscheinen wird.
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