Wie lassen sich feinmotorische Aufgaben, die von
Astronautinnen und Astronauten im Weltraum durchgeführt werden sollen, auf der
Erde trainieren? Ein spezielles Exoskelett könnte ein vergleichsweise günstiges
Training erlauben und auch bei der Rehabilitation von Patienten auf der Erde
helfen. Es wurde während der jüngsten Parabellflugkampagne des DLR getestet.
Bei Weltraummissionen werden Astronautinnen und Astronauten häufig mit
feinmotorischen Aufgaben wie der Durchführung von Reparaturen oder
Experimenten konfrontiert, die durch die Schwerelosigkeit im All erschwert
werden. Das gezielte Training dieser Fähigkeiten ist besonders wichtig, um
nicht nur die Effizienz der Missionen zu erhöhen, sondern auch die
Sicherheit der Astronautinnen und Astronauten zu gewährleisten. Bislang
können solche Einsätze auf der Erde nur bei Parabelflügen oder in
Raumanzügen unter Wasser trainiert werden.
An einer alternativen und kostengünstigeren Trainingsmethode arbeiten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DFKI Robotics Innovation Center
in Bremen und des Fachgebiets Systeme der Medizintechnik der Universität
Duisburg-Essen (UDE). Im Projekt NoGravEx, das vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des INNOSpace-Netzwerks
Space2Health – einer Initiative der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR –
gefördert wurde, haben sie einen innovativen Ansatz weiterentwickelt, um
mithilfe eines robotischen Exoskeletts Mikrogravitation zu simulieren. Die
Technologie ist in der Lage, das Gewicht der Arme einer Person zu erkennen
und zu kompensieren, so dass sich die Arme schwerelos oder beispielsweise so
schwer wie auf dem Mond anfühlen.
Die Effekte der simulierten Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper
im Vergleich zur echten Schwerelosigkeit untersuchen die Forschenden derzeit
im Projekt GraviMoKo, das ebenfalls vom BMWK im Rahmen der Initiative
Space2Health gefördert wird. Mit der Teilnahme an der 42.
DLR-Parabelflugkampagne vom 27. Mai bis 6. Juni 2024 im französischen
Bordeaux haben sie einen wichtigen Meilenstein in dem Vorhaben erreicht. Bei
Parabelflügen wird durch spezielle Auf- und Abstiegsmanöver 31 Mal für
jeweils rund 22 Sekunden Schwerelosigkeit erzeugt. Diese Zeit steht den
wissenschaftlichen Teams für ihre Experimente zur Verfügung. Statt der
geplanten drei Flüge an drei Tagen startete der Airbus A310 Zero G der Firma
Novespace insgesamt viermal, da der erste Flug nach nur 16 Parabeln wegen
technischer Probleme abgebrochen werden musste. Die restlichen Parabeln
wurden am zweiten Tag nachgeholt.
Das Exoskelett-Experiment war eines von elf ausgewählten Experimenten an
Bord des Flugzeugs und sah die Teilnahme von sechs Testpersonen vor. Um den
Ausfall einzelner Probandinnen und Probanden kompensieren zu können, hatten
sich im Vorfeld jedoch mehr Personen auf den Einsatz vorbereitet. Die
Aufgabe der Testpersonen bestand darin, in der Schwerelosigkeit mit dem
Zeigefinger des rechten Arms die Mitte einer Zielschiebe auf einem
Touchscreen zu treffen. Dabei war der Arm durch einen Umhang verdeckt, um
visuelle Bewegungskorrekturen zu vermeiden. Während des Versuchs wurden die
Muskelaktivität des Armes, die Gehirnaktivität und die Herzratenvariabilität
der Testpersonen sowie deren Bewegungstrajektorien aufgezeichnet. Die Hälfte
der Probandinnen und Probanden hatte diese Aufgabe bereits im Labor mit
einem aktiven Exoskelett in simulierter Schwerelosigkeit trainiert, die
anderen waren untrainiert bzw. nur mit dem Versuchsaufbau vertraut.
Im Gegensatz zu den Tests auf der Erde wurden bei den Parabelflügen
passive Systeme eingesetzt. Dabei ermöglichten zwei identische
Versuchsaufbauten den gleichzeitigen Einsatz von zwei Testpersonen pro Flug.
Eine mit allen Sensoren ausgestattete Ersatzperson stand bereit, um bei
Unwohlsein einzuspringen und fungierte ansonsten als Operator und
Unterstützung der eingesetzten Probandinnen oder Probanden. Die Experimente
verliefen weitgehend planmäßig, nur einmal musste wegen Übelkeit eine
Testperson ausgetauscht werden. Am Ende der zehntägigen Kampagne zeigten
sich die Forschenden sehr zufrieden mit dem Verlauf. "Wir haben unsere erste
Parabelflugkampagne exzellent gemeistert und alle geplanten Daten erhoben",
freute sich Projektleiterin Prof. Dr. Elsa Kirchner von der Universität
Duisburg-Essen und dem DFKI. "Das Team hat trotz aller Anstrengung und wenig
Schlaf hervorragend zusammengearbeitet. Jetzt geht es an die Auswertung der
sehr umfangreichen Daten."
Durch die Analyse der Daten erhoffen sich die Forschenden Erkenntnisse
darüber, ob das Training mit dem Exoskelett in simulierter Schwerelosigkeit
eine Übertragung des Gelernten in die reale Schwerelosigkeit und somit eine
Leistungssteigerung ermöglicht. Dies könnte dazu beitragen, Astronautinnen
und Astronauten künftig besser auf die Herausforderungen von
Raumfahrtmissionen vorzubereiten und ihre Leistungsfähigkeit unter den
extremen Bedingungen des Weltalls zu optimieren.
Nicht nur die Raumfahrt, sondern auch irdische Anwendungsbereiche wie die
Rehabilitation können von der neuen Technologie profitieren. Das in den
Projekten NoGravEx und GraviMoKo eingesetzte und weiterentwickelte
Exoskelett wurde am DFKI ursprünglich für die Rehabilitationstherapie
entwickelt. Durch die Möglichkeit der personenspezifischen
Gewichtskompensation kann das System körperlich eingeschränkte Menschen,
beispielsweise nach einem Schlaganfall, noch individueller unterstützen.