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EARTHCARE
Blick auf die Wechselwirkungen in der Erdatmosphäre
Redaktion / Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
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29. Mai 2024

In der vergangenen Nacht ist der europäisch-japanische Erdbeobachtungssatellit EarthCARE erfolgreich vom kalifornischen Vandenberg aus ins All gestartet. Mit seinen vier Instrumenten soll der Satellit wichtige Informationen über den Aufbau und die Zusammensatzung unserer Atmosphäre liefern. EarthCARE ist der größte und komplexeste Earth-Explorer-Satellit im Erdbeobachtungsprogramm der ESA.

EarthCARE

Der Satellit EarthCARE von ESA und Jaxa. Foto: ESA / ATG medialab [Großansicht]

Ob Dürre und Hitze in Südeuropa oder extreme Starkregenereignisse in Deutschland – die Sonneneinstrahlung ist die maßgebliche Größe für das Klimageschehen und die Wetterdynamik auf unserer Erde, denn sie treibt die Zirkulation in der Atmosphäre an. Diese Strahlung ist in der Lufthülle allerdings sehr unterschiedlich verteilt und tritt dort zudem noch in Wechselwirkung mit Wolken, Spurengasen und Aerosolen – Schwebeteilchen aus kleinsten festen und flüssigen Partikeln. Um in naher Zukunft noch genauere Vorhersagen machen zu können, muss man die bisher noch nicht so gut bestimmbaren Parameter zu Aerosolen und Wolken global besser kennen und deren Wechselwirkungen in der Erdatmosphäre entschlüsseln. Dadurch und mit der Messung der Strahlungsdichte kennt man den Strahlungshaushalt unseres Heimatplaneten wesentlich genauer, als man das heute tut.

Die europäische Weltraumorganisation ESA hat daher gemeinsam mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA am 29. Mai 2024 um 00:20 Uhr MESZ (28. Mai 2024, 15:20 Uhr Ortszeit) ihre bislang größte und komplexeste Earth-Explorer-Erdbeobachtungsmission gestartet: EarthCARE (Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer). "Die europäisch-japanische Erdbeobachtungsmission EarthCARE wird unser Verständnis zu Klima- und Wetterphänomenen maßgeblich vorantreiben. Dass dieser größte und komplexeste Earth-Explorer-Satellit im Erdbeobachtungsprogramm der ESA in Deutschland gebaut wurde und deutsche Firmen und Wissenschaftseinrichtungen zudem weitere wichtige Bestandteile dieser Mission beisteuern können, zeigt die Spitzenposition, die Deutschland in der internationalen Erdbeobachtung inne hat", betont Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstand und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, während der Startveranstaltung live am Starttermin, die im Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum der ESA in Darmstadt stattfand. Der 17,2 Meter lange (inklusive elf Meter Solarpaneele), 2,5 Meter breite, 3,5 Meter hohe und rund 2200 Kilogramm schwere EarthCARE-Satellit wurde an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX vom kalifornischen Vandenberg aus in seinen Zielorbit in 393 Kilometer Höhe gebracht. Um 1:14 Uhr MESZ gab es den ersten Kontakt mit EarthCARE, nun beginnt die sechsmonatige sogenannte "Commissioning-Phase".

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Auf EarthCARE sind vier sich gegenseitig ergänzende Instrumente untergebracht. Durch die Aussendung von Lichtimpulsen eines Lasers und die Analyse der reflektierten Signale wird mit dem Atmosphären-Lidar ATLID, an dem auch das deutsche Unternehmen Tesat aus Backnang beteiligt ist, ein vertikales Profil in der Erdatmosphäre von Aerosolen und Wolken einschließlich ihrer Eigenschaften wie Höhe, Dichte und Aerosoltyp erstellt. Die bisher nie erreichte Genauigkeit dieser Information wird entscheidend die Verbesserung der Vorhersagen aus Klimamodellen voranbringen und das Verständnis der Rolle von Aerosolen und Wolken in der Energiebilanz unserer Erde vertiefen.

Mit dem von der JAXA bereitgestellten Wolkenprofilradar CPR (Cloud Profiling Radar) kann EarthCARE das "Innenleben" von Wolken beobachten und detaillierte Einblicke in deren vertikale Struktur und Geschwindigkeit, Partikelgrößenverteilung und Wassergehalt liefern, um zum Beispiel der Bildung und Auflösung von Wolken auf die Spur zu kommen. Während das Atmosphären-Lidar und das Wolkenradar Profile der Atmosphäre in einem eher dünnen "Vorhang" direkt unter dem Satelliten erstellen, misst der Multi-Spektral-Imager MSI von EarthCARE in einem viel größeren Sichtfeld. Das Instrument nimmt hochauflösende Bilder in mehreren Spektralbändern des sichtbaren und infraroten Lichtspektrums auf. So können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen verschiedenen Arten von Wolken, Aerosolen und der Erdoberfläche unterscheiden und zudem zusätzliche Informationen über die optischen Eigenschaften von Wolken und Aerosolen erhalten, um mehr über ihre Zusammensetzung und Verteilung zu erfahren. Durch die Zusammenführung der Lidar-, Radar- und Multispektraldaten werden dreidimensionale Informationen über Wolken und Aerosole verfügbar sein.

Das vierte Instrument an Bord ist das Breitbandradiometer BBR (Broad-Band Radiometer), das die reflektierte Strahlung in der Atmosphäre aus drei Richtungen vermisst. "So kann die Menge der reflektierten Sonnenstrahlung und der von der Erde ausgehenden Wärmestrahlung bestimmt werden. Diese Messungen werden mit der aus den kombinierten Beobachtungen der anderen Instrumente berechneten Strahlung kombiniert und damit unser derzeitiges Verständnis der Wechselwirkung zwischen Aerosolen, Wolken und Energiebilanz unseres Planeten entscheidend verbessern", erklärt Dr. Albrecht von Bargen, der die EarthCARE-Mission bei der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR betreut.

Zusammen bieten diese vier leistungsstarken Instrumente einen noch nie dagewesenen Einblick in das "Innenleben" der Erdatmosphäre. "Doch EarthCARE ist nur dann leistungsstark, wenn die Instrumente richtig eingestellt sind. Dafür müssen die Messergebnisse im Weltraum immer wieder mit weiteren Messdaten aus der Luft und vom Boden verglichen werden. Das machen wir unter anderem in einer dreigeteilten Validierungskampagne, für die wir das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) mit vier Instrumenten bestückt haben, die mit denen von EarthCARE vergleichbar sind", erklärt Dr. Silke Groß, die im DLR-Institut für Physik in der Atmosphäre diese Kampagnen leitet.

Im August 2024 beginnen die Messflüge, koordiniert vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre und dem Max-Plack-Institut für Meteorologie zusammen mit dem Leipziger Institut für Meteorologie sowie den Universitäten Hamburg, Köln und München von den Kapverden aus. Dort wird die Validierung durch Bodenmessungen des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) unterstützt. Im September geht es für HALO weiter nach Barbados, wo das Max-Planck-Institut für Meteorologie die Messflügen durch Bodenmessungen begleitet. Anschließend kehrt HALO zum DLR nach Oberpfaffenhofen zurück, wo im Herbst nochmal umfangreiche Flüge über Europa, dem extratropischem Nordatlantik und über die Alpen bis zum Mittelmeer unternommen werden sollen.

Mit den drei Flugzielen verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedliche Ziele: "Über den Kapverden haben wir eine komplexe Situation unterschiedlicher Aerosole und Wolken, von flacher zu hochreichender Bewölkung, und können besonders gut die Wechselwirkung dieser Schwebeteilchen untersuchen. Bei den Flügen rund um Barbados erwarten wir eine geänderte Wolken- und Aerosolstruktur. Und mit den Flügen von Oberpfaffenhofen aus, untersuchen wir bei Flügen aus den Extratropen, über die Alpen bis in den Mittelmeerraum Aerosole und Wolken, die sich noch einmal deutlich von denen der anderen Flugziele unterscheiden. Dadurch haben wir ein möglichst großes Spektrum abgedeckt", erklärt Groß. Bei vielen dieser Flüge wird HALO genau unter dem EarthCARE-Satelliten fliegen, so dass die Messungen vom Satelliten, vom Forschungsflugzeug und von den Bodenstationen exakt vergleichbar sind.

Die vier Instrumente liefern gemeinsam Informationen für insgesamt 40 verschiedene Datenprodukte – zum Beispiel zur Wolkenbildung und -klassifizierung, zur Zusammensetzung der Aerosolschicht, zum Strahlungshaushalt der Atmosphäre aber auch zu Regen- und Schneeeigenschaften wie der genauen Tropfen- und Flockengröße. Rund die Hälfte der geophysikalischen Parameter aus den Datenprodukten werden direkt aus den Messungen eines einzelnen der vier Instrumente abgeleitet. Bei der anderen Hälfte werden diese Datenprodukte in weiterführenden Algorithmen genutzt, um synergetische geophysikalische Größen abzuleiten. Die Entwicklung dieser Rechenprozesse wurde von der ESA unter anderem mit maßgeblichen Anteilen an das TROPOS und die FU Berlin vergeben und findet damit auch in Deutschland statt.

"Die Algorithmenentwicklung ist aus der Erdbeobachtung schon seit Jahren nicht wegzudenken. Sie erlaubt es aus Rohdaten kalibrierte Information bereitzustellen und daraus wiederum geophysikalische Größen mithilfe von Rechenvorschriften anhand von physikalischen Zusammenhängen abzuleiten. Ohne Algorithmen ist auch die EarthCARE-Mission nicht vorstellbar. Sie helfen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei, das Optimum an Information aus den eigentlichen Messungen herauszuholen wie zum Beispiel die von TROPOS zur Verfügung gestellte Algorithmen zur Berechnung der Wolkenobergrenze und Aerosolparametern aus ATLID-Messdaten. Künftig werden wir wie bei anderen Erdbeobachtungsmissionen auch erwarten können, dass KI-basierte Ansätze – natürlich streng anhand der Geophysik evaluiert – verfolgt werden, um vertiefte weiterführende Auswertungen durchzuführen", erklärt von Bargen. Um diesen Datenschatz und deren Nutzung allen interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und einem erweiterten Kreis in Deutschland weitergehend zu erläutern und zugängig zu machen, wurde bei der Ludwigs-Maximilians-Universität in München ein Projektbüro eingerichtet, dass die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Mitteln aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm fördert.

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siehe auch
EarthCARE: Wie Aerosole und Wolken das Klima beeinflussen - 8. Februar 2024
Links im WWW
EarthCARE, Seite der ESA
DLR
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