Welchen Einfluss haben die Planeten auf die Aktivitätszyklen?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
27. Mai 2024
Ein Forschungsteam glaubt, eine umfassende physikalische Erklärung für die
Aktivitätszyklen der Sonne gefunden zu haben: Sogenannte Rossby-Wellen,
wirbelförmige Strömungen auf der Sonne, dienen dabei als Vermittler zwischen den
Gezeiteneinflüssen von Venus, Erde und Jupiter sowie der magnetischen Aktivität
der Sonne. Ein weiteres Argument für die bislang umstrittene Planetenhypothese?
Die Sonne nähert sich aktuell wieder einem
Aktivitätsmaximum im 11-jährigen "Schwabe-Zyklus", hier eine
Solar-Orbiter-Aufnahme vom Oktober 2023.
Bild: ESA & NASA / Solar Orbiter / EUI Team[Großansicht] |
Obwohl die Sonne aufgrund ihrer Nähe zu uns der am besten erforschte Stern
ist, sind viele Fragen zu ihrer Physik noch nicht vollständig verstanden. Dazu
gehören auch die rhythmischen Schwankungen der Sonnenaktivität. Die bekannteste
Aktivitätsschwankung:
Im Schnitt alle elf Jahre erreicht die Sonne ein Strahlungsmaximum – Fachleute
sprechen vom Schwabe-Zyklus. Dieser Aktivitätszyklus entsteht, weil sich das
Magnetfeld der Sonne in diesem Zeitraum verändert und schließlich umpolt. An
sich nichts Ungewöhnliches für einen Stern – wäre der Schwabe-Zyklus nicht
auffallend stabil. Den Schwabe-Zyklus überlagern weitere, weniger
offensichtliche Aktivitätsschwankungen im Bereich von wenigen hundert Tagen bis
hin zu mehreren hundert Jahren, jeweils benannt nach ihren Entdeckern. Für diese
Zyklen gab es zwar schon verschiedene Erklärungsversuche und mathematische
Berechnungen – allerdings noch kein übergreifendes physikalisches Modell.
Dr. Frank Stefani vom Institut für Fluiddynamik am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
(HZDR) vertritt schon seit einigen Jahren die "Planetenhypothese". Denn klar
ist: Die Planeten üben mit ihrer Schwerkraft einen Gezeiteneffekt auf die Sonne
aus, ähnlich wie der Mond auf die Erde. Dieser Effekt ist alle 11,07 Jahre am
stärksten: immer dann, wenn die Ausrichtung der drei Planeten Venus, Erde und
Jupiter auf einer Linie mit der Sonne besonders markant ist, vergleichbar mit
der Springflut auf der Erde bei Neu- oder Vollmond. Dies stimmt auffallend mit
dem Schwabe-Zyklus überein.
Das Magnetfeld der Sonne entsteht durch komplexe Bewegungen des elektrisch
leitfähigen Plasmas im Inneren der Sonne. "Man kann sich das wie einen
gigantischen Dynamo vorstellen. Dieser Sonnendynamo erzeugt zwar schon von sich
aus einen ungefähr elfjährigen Aktivitätszyklus – wir denken aber, der Einfluss
der Planeten greift dann in diesen vor sich hin arbeitenden Dynamo ein, gibt ihm
immer wieder einen kleinen Schubs, und zwingt der Sonne so den außergewöhnlich
stabilen 11,07-Jahres-Rhythmus auf", erklärt Stefani. In den verfügbaren
Beobachtungsdaten fanden er und seine Kollegen bereits vor einigen Jahren starke
Indizien für einen solcherart getakteten Prozess und konnten rein rechnerisch
auch verschiedene Sonnenzyklen mit der Bewegung der Planeten korrelieren.
Hinreichend physikalisch erklären ließ sich der Zusammenhang jedoch zunächst
nicht.
"Jetzt haben wir den zugrundeliegenden physikalischen Mechanismus gefunden.
Wir wissen, wie viel Energie nötig ist, um den Dynamo zu synchronisieren, und
wir wissen, dass diese Energie über sogenannte Rossby-Wellen auf die Sonne
übertragen werden kann. Das Tolle daran ist: Damit können wir nicht nur den
Schwabe-Zyklus und längere Sonnenzyklen erklären, sondern auch die kürzeren
Rieger-Zyklen, die wir vorher noch gar nicht betrachtet hatten", sagt Stefani.
Rossby-Wellen sind wirbelförmige Strömungen auf der Sonne, ähnlich den
großräumigen Wellenbewegungen in der Erdatmosphäre, die Hoch- und
Tiefdrucksysteme steuern. Die Forscher berechneten: Die Gezeitenkräfte während
der Springtiden von je zwei der drei Planeten Venus, Erde und Jupiter haben
genau die passenden Eigenschaften, um Rossby-Wellen auszulösen. Eine Erkenntnis
mit vielen Folgen: Denn erstens haben diese Rossby-Wellen dann ausreichend große
Geschwindigkeiten, um dem Sonnendynamo den nötigen Anstoß zu geben. Zweitens
geschieht dies alle 118, 193 beziehungsweise 299 Tage, passend zu den
beobachteten Rieger-Zyklen der Sonne. Und drittens lassen sich daraus alle
weiteren Sonnenzyklen errechnen.
Ab hier übernimmt die Mathematik. Aus einer Überlagerung der drei kurzen
Rieger-Zyklen entsteht rechnerisch automatisch der prominente 11,07-jährige
Schwabe-Zyklus. Und selbst Langzeit-Schwankungen der Sonne werden durch das
Modell vorhergesagt. Denn die Bewegung der Sonne um das Schwerezentrum des
Sonnensystems verursacht auf der Basis des Schwabe-Zyklus eine sogenannte
Schwebungsperiode von 193 Jahren. Dies entspricht der Größenordnung eines
weiteren beobachteten Zyklus, des Suess-de-Vries-Zyklus. Dabei fanden die
Forscher eine eindrucksvolle Übereinstimmung der berechneten 193-Jahres-Periode
mit periodischen Schwankungen in Klimadaten.
Ein weiteres, starkes Argument für die Planetenhypothese, denn: "Der scharfe
Suess-de Vries Peak bei 193 Jahren lässt sich kaum ohne Phasenstabilität des
Schwabe-Zyklus erklären, wie sie nur bei einem getakteten Prozess vorliegt",
schätzt Stefani ein. Ist damit die Frage, ob die Sonne dem Takt der Planeten
folgt, abschließend entschieden? Stefani: "Hundertprozentige Sicherheit wird es
wohl erst mit weiteren Daten geben. Aber die Argumente für einen durch die
Planeten getakteten Prozess sind inzwischen sehr stark."
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Solar Physics veröffentlicht.
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