Planeten für Aktivitätszyklen verantwortlich?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
16. Juni 2021
Was ist die Ursache für die verschiedenen
Aktivitätszyklen der Sonne? Forschende aus Dresden haben nun ihre These, dass
die Planeten für die Schwankungen der Sonnenaktivität verantwortlich sind, durch
neue Modellrechnungen untermauert. Sie konnten damit nun auch weitere Zyklen
reproduzieren. Schwankungen über mehrere tausend Jahre führen sie auf chaotische
Prozesse zurück.
Aktive Regionen in Hülle und Fülle: Im Mai
2015 zeigte die Sonne über einen Zeitraum von
fünf Tagen etwa ein Dutzend aktiver Regionen. Die
hellen, spindelförmigen Stränge, die aus diesen
aktiven Regionen herausragen, sind Teilchen, die
sich entlang von Magnetfeldlinien bewegen. Die
Magnetfeldlinien wiederum verbinden Bereiche
entgegengesetzter Polarität. Foto: Solar
Dynamics Observatory, NASA [Großansicht] |
Seit Langem fahnden Sonnenphysikerinnen und Sonnenphysiker weltweit nach
zufriedenstellenden Erklärungen für die vielen zyklischen, sich überlagernden
Aktivitätsschwankungen der Sonne. Denn neben dem bekanntesten, etwa elfjährigen
"Schwabe-Zyklus" zeigt die Sonne auch längere Schwankungen von Hunderten bis
Tausenden von Jahren. Sie folgt dabei insbesondere dem "Gleißberg-Zyklus" (etwa
85 Jahre), dem "Suess-de Vries-Zyklus" (etwa 200 Jahre), und dem Quasi-Zyklus
der "Bond-Ereignisse" (etwa aller 1500 Jahre), die jeweils nach ihren Entdeckern
benannt sind.
Unumstritten ist, dass das Sonnenmagnetfeld diese Aktivitätsschwankungen
steuert. Warum sich das Magnetfeld aber überhaupt ändert, dafür gehen
Erklärungen und Modelle in Fachkreisen teils weit auseinander. Ist die Sonne
"fremdgesteuert" oder liegt der Grund für die vielen Zyklen in besonderen
Eigenarten des Sonnendynamos selbst? Auch Dr. Frank Stefani vom Institut für
Fluiddynamik am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und seine
Kolleginnen und Kollegen suchen seit einigen Jahren nach Antworten – vor allem
auch mit Blick auf die sehr kontrovers diskutierte These, ob Planeten eine Rolle
für die Sonnenaktivität spielen.
Zuletzt haben die Forschenden die Bahnbewegung der Sonne näher betrachtet.
Die Sonne steht nicht fest im Zentrum des Sonnensystems: Sie führt eine Art Tanz
im gemeinsamen Schwerefeld mit den massereichen Planeten Jupiter und Saturn aus
– und zwar in einem Takt von 19,86 Jahren. Von der Erde ist bekannt, dass das
Herumschleudern auf ihrer Bahn kleine Bewegungen im flüssigen Erdkern auslöst.
Etwas Ähnliches geschieht auch im Inneren der Sonne, wurde aber bislang im
Hinblick auf ihr Magnetfeld vernachlässigt.
Die Idee der Forscherinnen und Forscher: Ein Teil des Bahndrehmoments der
Sonne könnte sich auf ihre Rotation übertragen und somit den inneren
Dynamoprozess beeinflussen, durch den das Sonnenmagnetfeld entsteht. Denn eine
solche Kopplung würde ausreichen, die extrem empfindliche magnetische
Speicherfähigkeit der Tachokline zu verändern, einer Übergangsregion zwischen
unterschiedlichen Arten des Energietransports im Inneren der Sonne.
"Die aufgewickelten Magnetfelder könnten dann leichter zur Oberfläche der
Sonne herausschnipsen", erläutert Stefani. Die Forscherinnen und Forscher
integrierten eine solche rhythmische Störung der Tachokline in ihre bisherigen
Modellrechnungen eines typischen Sonnendynamos – und konnten dadurch gleich
mehrere, aus den Beobachtungen bekannte, zyklische Phänomene reproduzieren. Das
Bemerkenswerteste: Neben dem 11,07 Jahre langen Schwabe-Zyklus, den sie bereits
in vorhergehenden Arbeiten modelliert hatten (astronews.com
berichtete), veränderte sich die Stärke des Magnetfeldes jetzt zusätzlich in
einem Takt von 193 Jahren – dies könnte der Suess-de Vries-Zyklus der Sonne
sein, der aus Beobachtungen mit 180 bis 230 Jahren angegeben wird.
Rechnerisch entstehen die 193 Jahre als eine sogenannte Schwebungsperiode
zwischen dem 19,86-Jahres-Takt und dem zweifachen Schwabe-Zyklus, auch
Hale-Zyklus genannt. Damit wäre der Suess-de Vries-Zyklus das Ergebnis einer
Kombination von zwei äußeren Taktgebern – den Gezeitenkräften der Planeten und
der Eigenbewegung der Sonne im Schwerefeld des Sonnensystems.
Für den 11,07-Jahres-Zyklus hatte das Team um Stefani bereits zuvor starke
statistische Hinweise gefunden, dass dieser einer äußeren Uhr folgen muss. Diese
"Uhr" verknüpften sie mit den Gezeitenkräften der Planeten Venus, Erde und
Jupiter. Deren Wirkung ist am stärksten, wenn die Planeten in einer Linie
stehen: Eine Konstellation, die alle 11,07 Jahre auftritt. Wie für den
193-Jahres-Zyklus, war auch hier ein empfindlicher physikalischer Effekt
entscheidend, um eine ausreichende Wirkung der schwachen Gezeitenkräfte der
Planeten auf den Sonnendynamo auszulösen.
Nach anfänglicher Skepsis gegenüber der Planetenhypothese geht Stefani
inzwischen davon aus, dass diese Zusammenhänge nicht zufällig sind. "Wenn die
Sonne uns hier einen Streich spielen sollte, dann mit einer unglaublichen
Perfektion. Oder aber wir haben in der Tat eine erste Ahnung von einem
kompletten Bild der kurzen und langen Zyklen der Sonnenaktivität." Tatsächlich
bekräftigen die aktuellen Ergebnisse auch rückwirkend nochmals, dass der
11-Jahres-Zyklus ein getakteter Prozess sein muss. Andernfalls wäre das
Entstehen einer Schwebungsperiode mathematisch unmöglich.
Neben den eher kürzeren Aktivitätszyklen zeigt die Sonne auch Langzeittrends
im Tausend-Jahre Bereich. Diese sind durch länger andauernde
Aktivitätseinbrüche, sogenannte "Minima", geprägt, wie zuletzt das "Maunder-Minimum"
zwischen 1645 und 1715 während der sogenannten kleinen Eiszeit. Durch
statistische Analyse der beobachteten Minima konnten die Forscherinnen und
Forscher zeigen, dass es sich bei diesen jedoch nicht um einen zyklischen
Prozess handelt, sondern ihr Auftreten im Abstand von etwa tausend bis
zweitausend Jahren einem mathematischen Zufallsprozess folgt.
Um dies im Modell zu überprüfen, erweiterten die Forschenden ihre
Simulationen des Sonnendynamos auf einen längeren Zeitraum von 30.000 Jahren.
Tatsächlich zeigten sich neben den kürzeren Zyklen alle 1000 bis 2000 Jahre
irreguläre, plötzliche Einbrüche der magnetischen Aktivität. "Wir sehen in
unseren Simulationen, wie sich eine Nord-Süd-Asymmetrie aufbaut, die irgendwann
zu stark wird und aus dem Takt gerät, bis alles zusammenbricht. Das System kippt
ins Chaotische und benötigt dann wieder eine Weile, in den Takt zurückzufinden",
erläutert Stefani. Dieses Ergebnis bedeutet aber auch, dass sehr langfristige
Prognosen der Sonnenaktivität, etwa für ihren Einfluss auf Klimaentwicklungen,
grundsätzlich kaum möglich sind.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Solar Physics erschienen ist.
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