Neues über die Radcliffe-Welle der Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
21. Februar 2024
Erst vor wenigen Jahren wurde in nur 500 Lichtjahre
Entfernung eine riesige, wellenförmige, zusammenhängende Kette aus
Gaswolken entdeckt, die entlang eines Spiralarms unserer Galaxie Sternhaufen bildet –
die sogenannte Radcliffe-Welle. Neue Auswertungen liefern nun neue Daten zu
dieser Struktur und zeigen, dass es in unserer Nachbarschaft offenbar keine
größeren Mengen an Dunkler Materie gibt.
Die Radcliffe-Welle: Die blauen Punkte sind
Haufen von Baby-Sternen. Die weiße Linie ist ein theoretisches
Modell von Ralf Konietzka und seinem Team, das die aktuelle
Form und Bewegung der Welle erklärt. Die magentafarbenen und
grünen Linien zeigen, wie und in welchem Ausmaß sich die
Radcliffe-Welle in Zukunft bewegen wird.
Bild: Ralf Konietzka, Alyssa Goodman &
WorldWide Telescope [Großansicht] |
Die vor einigen Jahren von einem internationalen Team von den Universitäten
Wien und Harvard entdeckte "Radcliffe-Welle" ist
eine 9000 Lichtjahre lange, wellenförmige, zusammenhängende Kette aus Gaswolken,
die entlang eines Spiralarms unserer Galaxie existiert und nur 500 Lichtjahre von
unserer Sonne entfernt ist. Eine damals erstellte 3D-Staubkarte belegte zwar
deutlich die Existenz der Radcliffe-Welle, darüber hinaus konnte aus den Daten
jedoch nichts gefolgert werden. Nun nutzte das internationale Team neue Daten der Gaia-Mission, um den
jungen Sternhaufen der Radcliffe-Welle 3D-Bewegungen zuzuordnen. "So konnten wir
schließlich zeigen, dass die gesamte Radcliffe-Welle tatsächlich wellenförmig
ist und sich auch als Wanderwelle bewegt", erklärt Astrophysiker João Alves von
der Universität Wien, der auch maßgeblich an der Entdeckung der Welle beteiligt
war.
Eine Wanderwelle ist dasselbe
Phänomen, das wir in einem Sportstadion sehen, wenn Menschen nacheinander
aufstehen und sich hinsetzen, um eine Welle auszulösen. Ebenso bewegen sich die
Sternhaufen entlang der Radcliffe-Welle auf und ab und erzeugen dabei ein
Muster, welches durch unseren "galaktischen Garten" wandert – sie oszillieren.
"Indem wir die Bewegung der jungen Sterne, die erst vor kurzem aus Gaswolken
entlang der Radcliffe-Welle geboren wurden, untersucht haben, konnten wir die
Bewegung des Gases, aus denen sie geboren wurden, verfolgen und zeigen, dass
sich die Radcliffe-Welle tatsächlich wellt", erklärt Ralf Konietzka, Doktorand
an der Harvard University.
"Das war die letzte offene Frage
bezüglich des physikalischen Status der Radcliffe-Welle", erklärt Alves. "Es ist
in der Tat eine physikalisch oszillierende titanische Gaswelle in der Nähe
unserer Sonne. Die Radcliffe-Welle kann nun, da wir verstehen, wie sie
physikalisch funktioniert, unser Labor im Weltall sein und uns so zu weiteren
Erkenntnissen verhelfen." Eine erste spannende Ableitung aus dem Fund gibt es
bereits: "Die
Art der Oszillation der Welle deutet darauf hin, dass es keine signifikante Menge
an Dunkler Materie in unserer galaktischen Nachbarschaft gibt", so Alves.
Das
neu gewonnene Verständnis für das Verhalten der Radcliffe-Welle ermöglicht es
den Forscherinnen und Forschern, nun ihre Aufmerksamkeit auf noch herausfordernde Fragen zu
richten: Etwa ist noch ungeklärt, wie die Radcliffe-Welle entstanden ist und
warum sie sich so wellt, wie sie es tut. Darüber hinaus wirft die Entdeckung der
Oszillation neue Fragen auf: Wie viele solcher Wellen gibt es in der Milchstraße
und in anderen Galaxien? Die aktuellen Daten deuten außerdem daraufhin, dass die
Radcliffe-Welle das "Rückgrat" unseres nächsten Spiralarms in der Milchstraße
bildet, da sie fast die Hälfte der Länge und rund ein Fünftel der Breite des
lokalen Spiralarms ausmacht.
Könnte die Bewegung der Welle also auch implizieren,
dass Spiralarme von Galaxien im Allgemeinen oszillieren? "Das würde unser
Verständnis von Galaxien auf spannende Art vertiefen, denn dann wären sie noch
dynamischer als bisher angenommen", so Alves. All das wird Inhalt weiterer
Studien sein, "die gute Zusammenarbeit zwischen der Universität Wien und der
Universität Harvard in diesem Bereich wird noch einige spannende Ergebnisse
bringen", zeigt sich Alves überzeugt.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
jetzt in Nature erschienen ist.
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