Havelland-Meteoriten gehören einer seltenen Klasse an
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
6. Februar 2024
Am frühen Morgen des 21. Januar wurde ein heller Meteor über Berlin beobachtet.
Zahlreiche Bruchstücke fanden sich anschließend im Havelland, die ersten davon
wurden nun untersucht: Sie haben die seltene chemische Zusammensetzung vom Typ
Aubrit. Für die Forschung stellt dies einen Glücksfall dar, könnten die Trümmer
von Asteroid 2024 BX1 doch sogar bei der Erforschung des Merkurs helfen.
Das DLR-Institut für Planetenforschung in
Berlin-Adlershof untersucht derzeit drei der über 20, nur
maximal walnussgroßen Meteoriten, die nach dem Fall auf
landwirtschaftlich genutzte Flächen im Nordwesten von Berlin
im Havelland gefunden wurden. Die Meteorite konnten als
Aubrite klassifiziert werden, eine seltene Klasse von
Meteoriten. Dieser Meteorit hat eine Masse von 33 Gramm.
Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
"Die Funde sind ein Glücksfall für die Meteoriten- und Planetenforschung",
freut sich Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin,
"diese seltenen Aubrite helfen uns sogar bei der Erforschung des Planeten
Merkur, die wir ab Dezember 2025 mit der europäischen Mission BepiColombo
beginnen werden." In der Nacht vom 20. auf den 21. Januar, Samstag auf Sonntag,
ereignete sich am Himmel über Berlin ein wissenschaftlich ganz außergewöhnlicher
Zufall. Das Minor Planet Center, ein Asteroiden-Überwachungssystem der
amerikanischen Weltraumorganisation NASA, meldete gegen Mitternacht, dass um
1.32 Uhr MEZ ein etwa ein Meter großer Asteroid über Berlin in die bis in eine
Höhe von 100 Kilometer reichende Erdatmosphäre eindringen und zum größten Teil
verglühen würde. Die Nacht war klar, so dass sowohl automatisierte, auf die
Erfassung von Meteore ausgelegte Kamerasysteme die Feuerkugel registrierten,
aber auch Amateurinnen und Amateure mit dem Mobiltelefon die Leuchtspur des
kosmischen Körpers festgehalten haben. Die sekundenlange Leuchtspur des Boliden
wurde sogar noch in Leipzig und Prag aufgezeichnet.
Experten konnten aus den unterschiedlichen geometrischen Orientierungen der
Leuchtspur berechnen, wo möglicherweise Bruchstücke, die beim Durchschießen der
Atmosphäre nicht verglüht sind, als Meteorite auf die Erde gefallen sind: Sie
konnten das Gebiet auf wenige Quadratkilometer von Äckern westlich von Berlin
bei Nennhausen im Landkreis Havelland eingrenzen. Die Medien berichteten am
Sonntagmorgen von dem Ereignis, und auch in den einschlägigen Social-Media-Kanälen
von Astronominnen, Astronomen und Planetenforschenden verbreitete sich die
Nachricht wie ein Lauffeuer. Interessierte machten sich am Sonntag und den
Folgetagen auf die Suche nach Meteoriten – und waren überaus erfolgreich. Es ist
erst der achte Fall weltweit, für den die Kollision eines Asteroiden mit der
Erde kurz vor dem Eintritt vorhergesagt wurde. Ein großes Such-Team des Museums
für Naturkunde Berlin, des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der
Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und dem SETI
Institute in den USA sammelte zwischen dem 21. und 28. Januar mehr als 20
Bruchstücke für die Forschungssammlung des Museums für Naturkunde.
Die meisten Meteorite werden in Gebieten ohne Vegetation gefunden, wie in
Wüsten oder auf den Eisflächen der Antarktis. Dass nun ein Meteoritenfall, dazu
noch vorhergesagt, quasi vor der Haustüre von mehreren Forschungseinrichtungen
passiert, die sich mit diesen "Himmelssteinen" befassen, ist ein ganz
außergewöhnlicher Zufall – die Fläche aller Kontinente umfasst schließlich 150
Millionen Quadratkilometer. Drei Proben werden im Labor des DLR-Instituts für
Planetenforschung untersucht. Die ersten Ergebnisse der Untersuchungen eines
dieser Stücke mit der Elektronenstrahlmikrosonde des Museums für Naturkunde
belegen die typische Mineralogie und chemische Zusammensetzung eines Achondriten
vom Typ der Aubrite.
Achondrite sind Steinmeteoriten, die nicht, wie die meisten Meteoriten, aus
millimeterkleinen Kügelchen aufgebaut sind, sondern eine, gewöhnlichen Steinen
ähnelnde Matrix haben. Der Aubrit, an dem erstmals dieses Material beschrieben
wurde, befindet sich sogar in der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde
Berlin. Dieser fiel, daher der Name, am 14. September 1836 bei Aubres im
Südosten Frankreichs. "Anhand dieses Belegmaterials konnten wir relativ zügig
eine grobe Einordnung vornehmen", erläutert Dr. Ansgar Greshake,
wissenschaftlicher Leiter der Meteoritensammlung des Berliner Museums. "Das
unterstreicht die immense Bedeutung von Sammlungen für die Forschung. Weltweit
gibt es bisher erst von elf beobachteten Aubrit-Fällen Material in Sammlungen."
Das Berliner Museum kuratiert mit über 12.000 Exemplaren eine der größten
Meteoritensammlungen der Erde. Die Meteorite werden zu Forschungszwecken
untersucht und zu einem Teil in der Ausstellung gezeigt.
Meteorite stellen Urbausteine des Sonnensystems dar und sind wertvolle Proben
für die Erforschung der Entstehung und Entwicklung von Planeten. Aubrite sehen
nicht aus, wie man sich allgemein Meteorite vorstellt. "Ein Aubrit ähnelt vom
Aussehen her eher einem grauen Granit und besteht hauptsächlich aus den
Magnesium-Silikaten Enstatit und Forsterit", erklärt Christopher Hamann vom
Berliner Naturkundemuseum, der an der Erstklassifikation beteiligt war. "Er
enthält kaum Eisen und die Schmelzkruste, an denen man Meteorite üblicherweise
gut erkennen kann, sieht völlig anders aus als bei den meisten anderen
Meteoriten. Aubrite sind daher im Gelände schwierig zu erkennen."
Die im Havelland gefundenen Bruchstücke werden nach Abschluss der
Untersuchungen in verschiedenen, auf unterschiedliche wissenschaftliche Aspekte
spezialisierte Labore in Berlin, Dresden und Münster, der Öffentlichkeit in
einer kleinen Sonderausstellung zugänglich gemacht. Auf dem YouTube-Kanal des
Museums findet sich ein Video zur Erforschung des Materials am Museum für
Naturkunde Berlin als Teil der Serie "Museums-Evolution".
Der Zufälle nicht genug, nützen die Aubrite auch bei den Vorbereitungen für
die Erforschung des Planeten Merkur mit der Raumsonde BepiColombo der
europäischen Weltraumorganisation ESA. Diese wird am 5. Dezember 2025 in eine
Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. "Aubrite sind die besten Analoge, die
wir für die Oberfläche des Merkurs haben", erklärt Jörn Helbert, Leiter der
Abteilung Planetare Labore. Dort werden unter anderem Gesteins- und Staubproben,
die man auf der Venus und dem Merkur vermutet, unter den dort herrschenden
extrem hohen Temperaturen hinsichtlich ihrer spektralen Eigenschaften
untersucht. "Dank dieses kosmischen Zufalls können wir an den Aubrit-Meteoriten
gut anderthalb Jahre vor Missionsbeginn wichtige Untersuchungen an einem
Merkur-Analoggestein im Labor vornehmen. Dies Zufall ist kaum zu fassen!"
Gemeinsam mit dem benachbarten DLR-Institut für Optische Sensorsysteme und der
Universität Münster wurde am DLR für BepiColombo ein Spektrometer
entwickelt, das die Mineralogie des Merkur kartieren wird.
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