Ein Vorhaben von Studierenden in Würzburg könnte die
Raumfahrt sicherer und günstiger machen: Im Rahmen des Projekts KI-SENS soll
eine intelligente optische Sensorik entwickelt werden, mit der Satelliten
selbstständig mögliche Kollisionen erkennen und Ausweichmanöver steuern können.
Für die Entwicklung wurde nun ein neues Teleskop in Betrieb genommen.
Ein neues Teleskop ist seit Januar 2024 auf dem Hubland-Campus der
Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg in Betrieb. Ein studentisches
Team entwickelt damit KI-Algorithmen für Kleinsatelliten, um Kollisionen mit
Weltraumschrott im Orbit effizienter als bislang zu verhindern. KI steht für
"Künstliche Intelligenz". Das Fernziel: Die Satelliten sollen mittels einer
intelligenten optischen Sensorik drohende Kollisionen selbstständig erkennen
und ihnen autonom ausweichen können. Das Bundeswirtschaftsministerium
fördert das Projekt namens KI-SENS mit gut 500.000 Euro.
Das Teleskop steht auf dem Dach des Geographiegebäudes am Hubland-Campus
der Universität. "Es ist dazu in der Lage, der Flugbahn auch kleinerer
Objekte besonders schnell und präzise zu folgen", erklärt Hakan Kayal,
JMU-Professor für Raumfahrttechnik. Darum lasse sich die Kuppel auch
komplett öffnen – bei langsameren Teleskopen ist sie immer nur einen Schlitz
breit offen und dreht sich komplett mit. Die Fernsteuerung für das Teleskop
befindet sich an zwei Orten auf dem Campus: Zum einen im
Missionskontrollzentrum von Hakan Kayals Professur, wo auch weitere
Teleskope und Satellitenmissionen gesteuert werden. Zum anderen in den
Räumen des studentischen Vereins WüSpace e. V. Darin sind Würzburger
Studierende der Luft- und Raumfahrtinformatik organisiert; 20 von ihnen
arbeiten am Projekt KI-SENS mit.
Die Studierenden bringen dem neuen Teleskop auf Basis von KI-Algorithmen
bei, kleine bewegliche Objekte am Himmel zu erkennen und deren Flugbahn
vorauszuberechnen, so dass es die Objekte verfolgen kann. "Wir ziehen dafür
eine konventionelle Objektdetektion auf und parallel eine zweite, die auf KI
basiert", erklärt Masterstudent Maximilian Reigl. Die Algorithmen werden
dann auf einen Satellitensensor übertragen. Am Ende soll ein Sensor-Prototyp
gebaut sein und in einem Testlabor geprüft werden. Der Plan ist, diese
Arbeiten bis Ende 2024 abzuschließen. "Wenn wir beweisen, dass der KI-Sensor
mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Orbit funktionieren wird, wäre der
nächste Schritt ein echter Weltraumtest", so der Student der Luft- und
Raumfahrtinformatik.
Falls alles klappt, könnte am Ende eine Innovation aus Würzburg stehen,
die mehr Sicherheit für Satelliten und die bemannte Raumfahrt bedeutet. Denn
das Risiko für Kollisionen mit Weltraumschrott ist hoch und wächst stetig
weiter, wie die europäische Raumfahrtorganisation ESA in einem Bericht von
2023 bekräftigt. "Die USA unterhalten ein großes und dichtes
Beobachtungsnetz, mit dem sie täglich mögliche Kollisionen mit
Weltraumschrott vorausberechnen und darauf reagieren. Die ESA baut ein
solches Netz derzeit auf", erläutert Kayal. Bislang werden die nötigen
Ausweichmanöver manuell von Menschen gesteuert. Im Fall der Internationalen
Raumstation ISS sei das mehrmals im Jahr nötig. Die Manöver sind aufwändig,
erhöhen den Treibstoffverbrauch und außerdem die Gefahr, beim Verlassen der
Flugbahn mit anderen Objekten zusammenzustoßen. Ein intelligenter Sensor,
der diese Manöver autonom erledigen kann, wäre ein deutlicher Fortschritt.
Das besondere an KI-SENS: Die Arbeiten am Projekt werden von im Verein
WüSpace organisierten Studierenden der JMU weitgehend selbstständig
vorangetrieben. Unterstützt werden sie dabei von Professor Kayal und
Projektleiter Tobias Herbst. Auf diese Weise lernen die Studierenden den
Ablauf eines Entwicklungsvorhabens in der Raumfahrt von A bis Z kennen. Die
verstärkte Beteiligung von Studierenden an Kleinsatelliten-Programmen ist
dem Bundeswirtschaftsministerium als Geldgeber sehr wichtig, wie Kayal
erklärt: "Es geht darum, im Sinne der Nachwuchsgewinnung die Attraktivität
des Fachs weiter zu steigern."