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Die Geburtsstätten von Sternen in der Whirlpool-Galaxie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
22. Dezember 2023
Ein internationales Forschungsteam hat in der
Whirlpool-Galaxie das kalte und dichte Gas zukünftiger Sternkinderstuben in
einer bislang unübertroffenen Detailschärfe kartiert. Die Beobachtungen mit dem
NOEMA-Interferometer decken für diese Art von Messungen einen bislang unerreicht
weiten Bereich einer Galaxie ab, in denen unterschiedliche Bedingungen für die
Sternentstehung herrschen.
Diese Illustration zeigt die Verteilung der
Strahlung des Diazenylium–Moleküls (Falschfarben) in der
Whirlpool-Galaxie im Vergleich mit einem optischen Bild. Die
rötlichen Bereiche im Foto sind leuchtende Gasnebel mit
heißen, massereichen Sternen. Sie durchziehen dunkle Zonen aus
Gas und Staub in den Spiralarmen. Das Diazenylium in diesen
dunklen Regionen deutet auf besonders kalte und dichte
Gaswolken hin.
Bild:
Thomas Müller (HdA / MPIA), S. Stuber et al. (MPIA), NASA,
ESA, S. Beckwith (STScI) und das Hubble Heritage Team (STScI/AURA) [Großansicht] |
Paradoxerweise beginnt die Entwicklung von heißen Sternen in einigen der
kältesten Bereiche des Universums, nämlich in dichten Wolken aus Gas und Staub,
die ganze Galaxien durchziehen. "Um die Frühphasen der Sternentstehung zu
untersuchen, in denen sich Gas allmählich verdichtet, um schließlich Sterne zu
produzieren, müssen wir diese Bereiche zunächst finden", sagt Sophia Stuber,
Doktorandin am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg. "Dafür
vermessen wir gewöhnlich die Strahlung bestimmter Moleküle, die besonders häufig
in diesen sehr kalten und dichten Zonen vorkommen."
Bei der Erforschung der Sternentstehung in der Milchstraße benutzen
Astronominnen und Astronomen dafür gewöhnlich Moleküle wie HCN (Blausäure oder
Cyanwasserstoff) und N2H+ (Diazenylium) als chemische
Sonden. "Aber erst jetzt konnten wir diese Signaturen sehr detailliert auch über
einen weiten Bereich in einer Galaxie außerhalb der Milchstraße messen, der
verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Bedingungen abdeckt", erläutert Eva
Schinnerer, Forschungsgruppenleiterin am MPIA. "Schon der erste Blick verrät
uns, dass die beiden Moleküle zwar etwa gleich gut dichtes Gas sichtbar machen,
sie aber auch interessante Unterschiede offenbaren."
Durch Kollisionen mit den reichhaltig vorhandenen Wasserstoffmolekülen, die
selbst aber schwer nachzuweisen sind, werden andere Moleküle in Rotation
versetzt. Reduziert sich danach deren Rotationsgeschwindigkeit, senden sie
Strahlung mit charakteristischen Wellenlängen aus. Für die beiden oben genannten
Moleküle liegen die bei etwa drei Millimetern. Die Messungen gehören zu einem
großen Beobachtungsprogramm mit dem Namen SWAN (Surveying the Whirlpool at
Arcsecond with NOEMA), das Schinnerer zusammen mit Frank Bigiel von der
Universität Bonn leitet.
Mit dem Northern Extended Millimetre Array (NOEMA), einem
Radiointerferometer in den französischen Alpen, wollen sie die Verteilung von
mehreren Molekülen in den inneren 20.000 Lichtjahren der Whirlpool-Galaxie (Messier
51) studieren – darunter auch Cyanwasserstoff und Diazenylium. Zu den 214
Stunden Beobachtungszeit aus diesem Programm kommen noch etwa 70 Stunden aus
anderen Beobachtungskampagnen mit dem 30-Meter-Einzelteleskop in Südspanien
hinzu, die die Daten ergänzen. "Da Daten von Radiointerferometern sehr viel
komplexer als Teleskopbilder sind, hat das Verarbeiten und Aufbereiten der Daten
noch einmal etwa ein Jahr beansprucht", sagt Jérôme Pety vom Institut de
Radioastronomie Millimétrique (IRAM), das die beiden genutzten Teleskope
betreibt. Interferometer-Teleskope wie das NOEMA bestehen aus mehreren
Einzelantennen, die zusammen eine Detailschärfe wie ein Teleskop erzielen,
dessen Hauptspiegeldurchmesser dem Abstand zwischen den einzelnen Teleskopen
entspräche.
Da wir diese Galaxie in einer Entfernung von nur rund 28 Millionen
Lichtjahren von oben sehen, lassen sich sogar Merkmale einzelner Gaswolken in so
unterschiedlichen Bereichen wie dem Zentrum und den Spiralarmen untersuchen.
"Diesen Umstand nutzten wir, um herauszufinden, wie gut die beiden Gase die
dichten Wolken in dieser Galaxie für uns aufspüren, und ob sie gleich gut dafür
geeignet sind", erklärt Stuber. Während die Intensität der Strahlung von
Cyanwasserstoff und Diazenylium über die Spiralarme hinweg in gleichem Maße
ansteigt und abfällt und somit gleich gute Ergebnisse für die Bestimmung der
Gasdichte liefert, finden die Astronominnen und Astronomen im Zentralbereich der
Galaxie eine deutliche Abweichung.
Im Vergleich zum Diazenylium steigt die Helligkeit der Emission des
Cyanwasserstoffs dort stärker an. Es scheint dort also offenbar einen
Mechanismus zu geben, der den Cyanwasserstoff zusätzlich zum Leuchten anregt,
das Diazenylium aber nicht. "Wir vermuten, dass der aktive galaktische Kern in
der Whirlpool-Galaxie dafür verantwortlich ist", sagt Schinnerer. Dabei handelt
es sich um eine energiereiche Zone rund um das zentrale massereiche Schwarze
Loch. Bevor das Gas in das Schwarze Loch fällt, bildet es eine Scheibe aus, wird
auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und durch Reibung auf Tausende Grad
aufgeheizt. Dabei sendet es intensive Strahlung aus. Diese könnte in der Tat
teilweise für eine zusätzliche Emission der Cyanwasserstoff-Moleküle sorgen.
"Was aber genau den Unterschied der beiden Gase ausmacht, müssen wir noch
erforschen", ergänzt Schinnerer.
Es scheint also, dass zumindest im Zentralbereich der Whirlpool-Galaxie
Diazenylium die zuverlässigere Dichtesonde gegenüber Cyanwasserstoff ist. Leider
leuchtet es dafür bei gleicher Gasdichte im Durchschnitt fünfmal schwächer, was
den Messaufwand erheblich steigert. Die benötigte zusätzliche Empfindlichkeit
wird durch eine deutlich längere Beobachtungszeit erkauft. Die Aussicht, nun die
Frühphasen auch im Detail in Galaxien außerhalb der Milchstraße erforschen zu
können, lässt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch hoffen. Denn solch
einen übersichtlichen Anblick auf die Whirlpool-Galaxie haben wir für die
Milchstraße nicht. Die Molekülwolken und Sternentstehungsgebiete sind hier zwar
näher. Dafür ist es jedoch ungleich schwieriger, die exakte Struktur und Lage
der Spiralarme und Wolken zu ermitteln.
"Obwohl wir von dem detaillierten Beobachtungsprogramm mit der
Whirlpool-Galaxie sehr viel lernen können, ist es in gewisser Hinsicht ein
Pilotprojekt", sagt Stuber. "Gerne würden wir in Zukunft noch weitere Galaxien
auf diese Weise erforschen." Diese Aussicht scheitert jedoch derzeit an den
technischen Fähigkeiten. Die Whirlpool-Galaxie leuchtet im Licht der chemischen
Sonden außerordentlich hell. Für weitere Galaxien müssen die Teleskope und
Messinstrumente jedoch noch weit empfindlicher sein. "So leistungsfähig wird am
ehesten das ngVLA (next-generation Very Large Array) sein, das derzeit in
Planung ist", hofft Schinnerer. Auch wenn alles gut läuft, wird es aber erst in
etwa zehn Jahren zur Verfügung stehen. Bis dahin dient die Whirlpool-Galaxie als
ergiebiges Labor, um die Sternentstehung im galaktischen Maßstab zu erforschen.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel veröffentlicht, die in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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