Die frühe Temperatur der Hintergrundstrahlung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
3. Februar 2022
Mithilfe des Northern Extended Millimeter Array auf
dem Plateau de Bure in den französischen Alpen ist es Astrophysikerinnen und
Astrophysikern gelungen, die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung nur
880 Millionen Jahre nach dem Urknall zu messen. Das Verfahren erlaubt einen
Blick in die Verhältnisse im jungen Universum.
Antennen des NOEMA-Observatoriums in den
französischen Alpen mit dem die Beobachtungen der
Starburst-Galaxie HFLS3 durchgeführt wurden.
Bild: IRAM, A. Rambaud[Großansicht] |
Astrophysikerinnen und Astrophysiker haben eine neue Methode zur Messung der
Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung nur 880 Millionen Jahre nach dem
Urknall entwickelt. Zum ersten Mal konnte die Temperatur der Strahlung in einer
so frühen Epoche gemessen werden. Das derzeitige kosmologische Modell geht davon
aus, dass sich das Universum seit dem Urknall abgekühlt hat. Es beschreibt den
Abkühlungsprozess, konnte aber bisher nur für relativ junge kosmische Epochen
direkt bestätigt werden.
Das Team nutzte das Northern Extended Millimeter Array (NOEMA) in
den französischen Alpen, das leistungsstärkste Radioteleskop der nördlichen
Hemisphäre, um die Quelle HFLS3 zu beobachten, eine Galaxie in einer Phase
heftiger Sternentstehung in einer Entfernung, die einem Alter des Universums von
nur 880 Millionen Jahren nach dem Urknall entspricht. Sie entdeckten darin eine
Abschirmung aus kaltem Wassergas, die einen Schatten auf die kosmische
Mikrowellen-Hintergrundstrahlung wirft.
Der Schatten entsteht, weil das kältere Wasser die wärmere
Mikrowellenstrahlung auf ihrem Weg zur Erde absorbiert und die Dunkelheit des
Schattens offenbart den Temperaturunterschied. Da die Temperatur des Wassers aus
anderen beobachteten Eigenschaften des Sternentstehungsausbruchs in der Galaxie
abgeleitet werden kann, weist der Unterschied auf die Temperatur der kosmischen
Hintergrundstrahlung zu diesem Zeitpunkt hin, die etwa sechsmal höher lag als im
heutigen Universum.
"Diese Entdeckung ist nicht nur ein Beweis für die Abkühlung, sondern zeigt
uns auch, dass das Universum in seinen Anfängen einige ganz bestimmte
physikalische Eigenschaften hatte, die heute nicht mehr existieren", erklärt
Prof. Dominik Riechers vom Institut für Astrophysik der Universität zu Köln.
"Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, etwa 1,5 Milliarden Jahre nach dem
Urknall, war der kosmische Mikrowellenhintergrund zu kalt, um diesen Effekt
beobachten zu können. Wir haben also ein einzigartiges Beobachtungsfenster, das
sich nur für ein sehr junges Universum öffnet."
Würde also heute eine Galaxie mit ansonsten identischen Eigenschaften wie
HFLS3 existieren, wäre der Wasserschatten nicht beobachtbar, weil der
erforderliche Temperaturkontrast nicht mehr vorhanden wäre. "Das ist ein
wichtiger Meilenstein, der nicht nur den erwarteten Abkühlungstrend für eine
viel frühere Epoche als bisher möglich bestätigt, sondern auch direkte
Auswirkungen auf die Natur der schwer fassbaren Dunklen Energie haben könnte",
sagt Dr. Axel Weiß vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Das
heißt, dass wir ein expandierendes Universum haben, in dem sich die Dichte der
Dunklen Energie nicht ändert."
Dunkle Energie wird als eine Ursache für die beschleunigte Expansion des
Universums in den letzten Milliarden Jahren angesehen. Ihre Eigenschaften sind
allerdings nach wie vor schlecht verstanden, da sie mit den derzeit verfügbaren
Einrichtungen und Instrumenten nicht direkt beobachtet werden kann. Diese
Eigenschaften beeinflussen jedoch die Entwicklung der kosmischen Expansion und
damit die Abkühlungsrate des Universums auf kosmischer Zeitskala. Auf der
Grundlage des vorliegenden Experiments bleiben die Eigenschaften der Dunklen
Energie - vorerst - konsistent mit denen der "kosmologischen Konstante" von
Einstein.
Nachdem das Team eine kalte Wasserwolke in solch großer Entfernung entdecken
konnte, macht es sich nun auf die Suche nach vielen weiteren am Himmel. Ziel
dabei ist es, die Abkühlung der kosmischen Hintergrundstrahlung in den ersten
1,5 Milliarden Jahren der Geschichte des Universums zu kartieren. "Diese neue
Technik gibt uns wichtige neue Einblicke in die Entwicklung des Universums,
einschließlich der Eigenschaften der Dunklen Energie, die sonst in solch frühen
Epochen nur sehr schwer zu bestimmen sind", so Riechers. "Unser Team verfolgt
dieses Projekt bereits weiter, indem es die Umgebung anderer Galaxien mit NOEMA
untersucht", ergänzt NOEMA-Projektwissenschaftler Dr. Roberto Neri. "Mit den zu
erwartenden Verbesserungen der Präzision durch Untersuchungen größerer
Stichproben von Wasserwolken bleibt abzuwarten, ob unser derzeitiges,
grundlegendes Verständnis der Dunklen Energie Bestand hat."
Die Beobachtungen wurden jetzt in einem Fachartikel veröffentlicht, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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