Weltfunkkonferenz nimmt sich der Probleme durch Satellitenkonstellationen an
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
21. Dezember 2023
Auf der Weltfunkkonferenz in Dubai spielte in diesem Jahr
auch die Radioastronomie eine Rolle: Insbesondere ging es um den Schutz
dieses Wissenschaftszweigs vor den Auswirkungen der neuen
Satellitenkonstellationen wie Starlink. Bis zur nächsten Konferenz im
Jahr 2027 sollen nun Vorschläge für eine Aktualisierung der entsprechenden
Regeln ausgearbeitet werden.
Die Leistung teurer Großteleskope, wie etwa
von ALMA in der chilenischen Atacamawüste, könnte durch
Satellitenkonstellation stark beeinträchtigt werden.
Foto:
Y. Beletsky (LCO) / ESO [Großansicht] |
"In Anbetracht der Tatsache, dass die Radioastronomie eine zentrale
wissenschaftliche Disziplin ist, die eine entscheidende Rolle bei der
Entschlüsselung der Geheimnisse des Kosmos spielt“ - mit diesen Worten beginnt
eine neue Resolution der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), welche vergangen
Freitag bei der Weltfunkkonferenz in Dubai verabschiedet wurde. "Damit wird nun
endlich ein Problem angegangen, welches die Radioastronomie durch die extrem
gestiegene Zahl von Satelliten im erdnahen Weltraum bekommen hat", sagt Benjamin
Winkel vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Er und seine
Kollegen arbeiten seit Jahren daran, dass die Regeln und Prozesse bei der
Fernmeldeunion aktualisiert werden, um mit der geänderten Situation Schritt zu
halten.
Weltfunkkonferenzen finden alle drei bis vier Jahre statt. Tausende
Delegierte von Staaten, insbesondere der Telekommunikationsbehörden (in
Deutschland der Bundesnetzagentur), sowie anderen Interessengruppen aus
Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft treffen sich vier Wochen, um an den
sogenannten Radio-Regulierungen zu arbeiten. Das ist ein internationales
Vertragswerk, welches das reibungslose Zusammenspiel aller Funkdienste regeln
soll. Wenn beispielsweise neue Mobilfunkfrequenzen nutzbar gemacht werden
sollen, dann müssen vorher Dutzende technische Studien angefertigt werden, damit
geprüft werden kann, dass existierende Anwendungen nicht gestört werden. Die
Frequenzen, die von der Natur "zur Verfügung2 gestellt werden - das
Radiospektrum - sind bereits alle restlos in Benutzung. Auch für die
Radioastronomie wurden bestimmte Frequenzbereiche reserviert, um besonders
wichtige Beobachtungsprojekte zu schützen.
"Für die moderne Radioastronomie sind diese Frequenzen allerdings viel zu
wenig2, berichtet Gyula Józsa, ebenfalls MPIfR. "Schon vor über 50 Jahren wusste
man um das Problem der Wirkung von menschengemachten Störungen auf die
empfindlichen radioastronomischen Empfänger. Das war tatsächlich auch der Grund,
warum das 100-m-Radioteleskop, welches vom MPIfR betrieben wird, in einem Tal in
der Eifel gebaut wurde und nicht mitten in der Stadt Bonn. Dort ist es
vergleichsweise gut abgeschirmt."
Den neuen Satellitensystemen, wie etwa SpaceX/Starlink, OneWeb oder
Amazon/Kuiper, entkommt man so natürlich nicht. Das Ziel der Unternehmen ist ja
gerade, dass man überall auf der Erde einen Internetzugang bekommen soll. Aus
europäischer Sicht betrifft dies insbesondere auch die beiden internationalen
Leuchtturmprojekte, ALMA (mit Teleskopen in Chile) und SKAO (mit Teleskopen in
Südafrika und Australien). Astronomische Institute und Organisationen weltweit
investieren Milliarden in diese Observatorien. Für Südafrika und Chile haben
diese Unternehmungen aber auch einen ganz besonderen entwicklungspolitischen
Stellenwert. Sie sind Infrastrukturmaßnahmen, Bildungsstätten und Orte
internationaler Zusammenarbeit in einem.
Dass ausgerechnet diese Projekte nun gefährdet sein sollen, möchte Busang
Sethole vom South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) auf
keinen Fall geschehen lassen. "Wenn ich über unsere gemeinsamen Bemühungen
nachdenke, erkenne ich Raum für Verbesserungen. Die Entwicklungsländer haben
erst nach der GE06-Konferenz begonnen, sich an der ITU zu beteiligen, was in
krassem Gegensatz zu dem institutionellen Wissen steht, das die Industrieländer
in 156 Jahren angesammelt haben. Dieser Erfahrungsschatz sollte idealerweise die
Bedürfnisse der Entwicklungsländer fördern und nicht behindern", sagte Sethole
während der Konferenz.
Dass die Bedürfnisse der Astronomen auf der Weltfunkkonferenz überhaupt
behandelt wurden, war nur möglich, weil im Vorfeld der Konferenz zwei wichtige
Regionalorganisationen das Thema zur Chefsache erklärt hatten. Zum einen die
"European Conference of Postal and Telecommunication Administrations" (CEPT),
welche die ohnehin schon existierenden Schutzkriterien für die Radioastronomie
besser durchgesetzt sehen möchte. Zum anderen die "African Telecommunications
Union" (ATU), welche das Thema von speziellen radio-beruhigten Zonen aufs
internationale Parkett gebracht hat. Bei diesen Zonen handelt es sich um
Gebiete, in denen terrestrische Funkanlagen in der Nähe der Observatorien
eingeschränkt werden, um bessere Beobachtungsbedingungen zu schaffen. Diese sind
allerdings rein nationale regulatorische Eingriffe und können nicht auf
Satellitensysteme Einfluss nehmen, die internationalen Regeln unterworfen sind.
Die Weltfunkkonferenz in Dubai hat entschieden, beide Vorschläge
zusammenzufassen und die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zur nächsten
Konferenz im Jahr 2027 mögliche technische und regulatorische Lösungsansätze zu
erarbeiten. "Dies ist noch ein ordentliches Stück Arbeit für die beteiligten
Radioastronomen", sagt Józsa, der in Dubai die Arbeitsgruppe zu diesem Thema
geleitet hatte und Winkel ergänzt: "Wir sind dennoch sehr zuversichtlich, denn
mit unserer europäischen Spektrummanagement-Organisation, CRAF, und den Kollegen
vom SKAO haben wir bereits viele notwendige Vorarbeiten geleistet."
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