Dünnster Pixel-Detektor für Belle-II-Experiment
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
21. August 2023
Forschende aus der ganzen Welt suchen mit dem
Kooperationsprojekt Belle II am japanischen Forschungszentrum KEK nach
bislang unbekannten Phänomenen in der Teilchenphysik. Mit der Installation eines
neuen Pixel-Detektors, der Signale bestimmter Teilchenzerfälle erkennen soll,
wurde nun ein wichtiger Meilenstein erreicht. Es handelt sich um den weltweit
dünnsten Pixel-Detektor.
Der Belle II-Pixel-Detektor vor dem Einbau,
umgeben vom Belle II-Streifendetektor. Der Detektor ist direkt
um den Kollisionspunkt an das Strahlrohr angebracht.
Foto:
Koji Hara und Katsuro Nakamura [Großansicht] |
Belle II ist ein internationales Kollaborationsprojekt von
Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, das am SuperKEKB-Beschleuniger des
KEK-Forschungszentrums in Japan durchgeführt wird. Das Ziel dieses Experiments
ist es, Antworten auf die vielen offenen Fragen hinsichtlich des Universums zu
finden. Hierfür suchen die rund 1200 Mitglieder der internationalen Belle
II-Kollaboration nach Hinweisen für neue Physikphänomene und unbekannte Teilchen
jenseits des etablierten Standardmodells der Teilchenphysik.
Mit der Installation endete für den Detektor auch eine lange Reise: quer
durch Deutschland von München, via mehrere deutsche Institute, darunter die
Universität Bonn, nach Hamburg ans Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) und
von dort aus schließlich tausende Kilometer ostwärts nach Japan zum Standort von
Belle II, dem SuperKEKB-Elektron-Positron-Kollider. Die Luftreise brachte neue
Herausforderungen mit sich: unerwartete Turbulenzen und unsachgemäße Handhabung
während des Transports hätten leicht einen der empfindlichen Sensoren zerbrechen
können. Ein eigens dafür angefertigter Koffer schützte deshalb den Detektor, um
Vibrationen zu minimieren.
Mitglieder der Universität Bonn waren am Einbau des Detektors in Japan
maßgeblich beteiligt. "Die Installation des Pixel-Detektors verlief äußerst
zufriedenstellend und ohne größere Schwierigkeiten", sagt Botho Paschen,
technischer Koordinator des Pixel-Detektor-Projekts und Wissenschaftler der
Universität Bonn. Der Erfolg sei das Ergebnis der harten Arbeit und des
Engagements eines hervorragenden Teams, das über Jahre hinweg daran gearbeitet
hat, den Detektor zu entwickeln und für die Installation vorzubereiten.
Insbesondere der sehr begrenzte Platz machte den Einbau zu einer äußerst
herausfordernden Aufgabe. "Der nächste wichtige Schritt ist nun die
Inbetriebnahme des Detektors, damit wir Anfang 2024 neue Kollisionsdaten
aufzeichnen können", so Paschen.
"Der Pixel-Detektor ist das entscheidende Instrument, um präzise
Messungen von Lebensdauern von schweren Quarks zu ermöglichen", so Prof. Dr.
Florian Bernlochner, Belle-II-Gruppenleiter an der Universität Bonn. "Mit diesen
Messungen können wir die Verletzung einer der grundlegendsten Symmetrien der
Natur, die Ladung-Parität-Symmetrie, genauer untersuchen." Die Verletzung dieser
Symmetrie ist eine von drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um zu
erklären, warum das heutige Universum fast ausschließlich aus Materie besteht.
"Durch Belle II werden wir ein noch präziseres Verständnis
entwickeln, warum sich Materie und Antimaterie unterschiedlich verhalten und ob
es in den Zerfällen von schweren Quarks Beiträge von bisher noch nicht
entdeckten Teilchen oder Kräften gibt", ergänzt Bernlochner. Die
Zerfallsprodukte der schweren Quarks weisen eine relativ geringe Energie auf und
werden leicht gestört, wenn sie das Detektormaterial durchqueren. Deshalb war es
für Belle II notwendig, dass die dem Kollisionspunkt der
Teilchenstrahlen am nächsten gelegenen Detektorelemente so leicht wie möglich
sein müssen, was den Pixel-Detektor sehr fragil und seine Installation sehr
anspruchsvoll machte. Der Detektor besteht aus 20 Silizium-Streifen, die 75
Mikrometer dick sind - das entspricht der Breite eines menschlichen Haares.
Die extrem dünnen DEPFET (DEPleted Field Effect Transistor)-Sensoren wurden
am Halbleiter-Labor der Max-Planck-Gesellschaft entwickelt. Die Streifen sind in
zwei konzentrischen zylindrischen Schichten angeordnet, wobei die innere Schicht
nur 1,4 cm von der Strahllinie entfernt ist. Nach dem erfolgreichen Einbau ist
Belle II nun mit dem weltweit dünnsten Pixel-Detektor instrumentiert,
so das Team. Der neuartige Detektor ist darauf ausgelegt, bis zu 50.000
hochauflösende Bilder pro Sekunde von den Zerfällen der reichlich produzierten
schweren Quarks am SuperKEKB zu liefern.
Die DEPFET-Sensortechnologie des Pixel-Detektors lässt sich auch für weitere
Zwecke vielfältig einsetzen: zum Beispiel für Röntgen-Satelliten-Missionen, für
die Suche nach sterilen Neutrinos oder Dunkler Materie oder in der medizinischen
Bildgebung. Forschung, die die Struktur der Materie auf kleinsten Längenskalen
vermisst, erfordert die Entwicklung immer leistungsfähigerer Detektoren. Das
Forschungs- und Technologiezentrum für Detektorphysik (FTD) der Universität Bonn
bietet den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hierfür ein ideales Umfeld
mit moderner Infrastruktur. Im FTD befindet sich auch das Siliziumlabor der
Universität Bonn, wo die Module für den Pixel-Detektor über mehrere Jahre hinweg
charakterisiert und untersucht wurden.
"Die erfolgreiche Installation des Detektors ist das Ergebnis einer
langjährigen, fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Institutionen
und Forschungszentren”, sagt FTD-Co-Sprecher und Leiter des SILAB Prof. Dr.
Jochen Dingfelder, der gemeinsam mit Prof. Dr. Norbert Wermes an der Entwicklung
des Pixel-Detektors über viele Jahre hinweg maßgeblich beteiligt war. "Es freut
mich zu sehen, wie unsere gemeinsamen Anstrengungen zu einem solchen
bahnbrechenden Erfolg geführt haben."
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