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Die Geräusche verschmelzender Schwarzer Löcher
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien
gGmbH astronews.com
9. August 2023
Schwarze Löcher dürften zu den mysteriösesten Objekten im
Universum zählen. Mit Gravitationswellendetektoren ist es inzwischen möglich,
das Geräusch hörbar zu machen, das zwei Schwarze Löcher beim Verschmelzen
erzeugen. Bisher wurden etwa 70 solcher Geräusche aufgezeichnet. Nun wurde
prognostiziert, dass diese Geräusche bevorzugt in zwei bestimmten
Frequenzbereichen auftreten sollten.
Wellen in der Raumzeit um verschmelzende
binäre Schwarze Löcher in einer numerischen
Relativitätssimulation. Bild:
Deborah Ferguson, Karan Jani, Deirdre Shoemaker, Pablo Laguna,
Georgia Tech, MAYA Collaboration [Großansicht] |
Die Entdeckung der Gravitationswellen, wie sie bereits von Einstein vor
hundert Jahren postuliert wurden, führte 2017 zum Nobelpreis für Physik und
leitete den Beginn der Gravitationswellenastronomie ein. Wenn zwei Schwarze
Löcher stellarer Masse verschmelzen, senden sie Gravitationswellen mit
ansteigender Frequenz aus, das sogenannte "Chirp"-Signal, das auf der Erde
hörbar gemacht werden kann. Aus der Beobachtung dieser Frequenzentwicklung (dem
"Chirp") können Forschende auf die sogenannte "Chirp-Masse" schließen, die
mathematische Kombination der beiden einzelnen Massen der Schwarzen Löcher.
Bislang nahm man an, dass verschmelzende Schwarze Löcher eine beliebige Masse
haben können. Die jetzt vorgestellten Computermodelle eines Forscherteams des
Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) legen jedoch nahe, dass
einige von ihnen Standardmassen haben, die dann zu universellen Chirps führen.
"Die Existenz von universellen Chirp-Massen verrät uns nicht nur, wie Schwarze
Löcher entstehen", sagt Fabian Schneider, Leiter der Studie am HITS. "Sie lässt
auch Rückschlüsse darauf zu, welche Sterne in Supernovae explodieren." Darüber
hinaus bietet sie Einblicke in den Supernova-Mechanismus, in mit Unschärfe
behaftete Kern- und Sternphysik und ermöglicht es Forschenden, die beschleunigte
kosmologische Expansion des Universums zu messen.
Stellare Schwarze Löcher mit etwa der drei- bis hundertfachen Masse unserer
Sonne sind die Endpunkte von massereichen Sternen, die am Ende ihres stellaren
Lebens zu Schwarzen Löchern kollabieren. Die Vorläufer, die zu Verschmelzungen
führen, entstehen ursprünglich in Doppelsternsystemen und erleben mehrere
Episoden des Massenaustauschs zwischen den Komponenten. Beide stammen von
Sternen, die ihre Hülle verloren haben. "Der Verlust der Hülle hat gravierende
Folgen für das Schicksal der Sterne. Es erleichtert zum Beispiel die Explosion
in einer Supernova und führt zu universellen Massen von Schwarzen Löchern, wie
sie unsere Simulationen jetzt vorhersagen", sagt Philipp Podsiadlowski von der
Universität Oxford, Zweitautor der Studie und derzeit Klaus-Tschira-Gastprofessor
am HITS.
Der "stellare Friedhof" – eine Sammlung aller bekannten Massen der Überreste
von massereichen Sternen, d. h. Neutronensternen und Schwarzen Löchern – wächst
rasch an, weil die Gravitationswellendetektoren zunehmend empfindlicher werden
und weil auch an anderen Observatorien weiter nach solchen Objekten gesucht
wird. Dabei scheint es eine Lücke in der Verteilung der Chirp-Massen bei
verschmelzenden binären Schwarzen Löchern zu geben, und es gibt Hinweise, dass
besonders viele Verschmelzungen mit 8 und 14 Sonnenmassen auftreten. Diese
Merkmale entsprechen den vom HITS-Team vorhergesagten universellen Chirps. "Jede
Auffälligkeit in der Verteilung der Massen von Schwarzen Löchern und Chirps
verrät uns viel darüber, wie sich diese Objekte gebildet haben", sagt Eva
Laplace, die auch an der Studie beteiligt war.
Seitdem die Verschmelzung von Schwarzen Löchern zum ersten Mal beobachtet
wurde, hat sich herausgestellt, dass es noch wesentlich massereichere gibt als
die in unserer Milchstraße. Dies liegt daran, dass sie von Sternen stammen,
deren chemische Zusammensetzung sich von der in unserer Galaxie unterscheidet.
Sterne, die in engen Doppelsternsystemen ihre Hülle verlieren, bilden –
unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung – Schwarze Löcher von unter 9
und über 16 Sonnenmassen, aber fast keine dazwischen, wie das Team am HITS
herausfand. Beim Verschmelzen implizieren die universellen Massen der Schwarzen
Löcher von etwa 9 und 16 Sonnenmassen logischerweise universelle Chirp-Massen,
also universelle Töne.
"Bei der Aktualisierung meiner Vorlesung über Gravitationswellenastronomie
fiel mir auf, dass an den Observatorien für Gravitationswellen erste Hinweise
auf ein Fehlen beziehungsweise eine Häufung von Chirp-Massen festgestellt
wurden. Und zwar genau bei den in unseren Modellen vorhergesagten universellen
Massen", sagt Schneider. "Da die Zahl der beobachteten Verschmelzungen von
Schwarzen Löchern bislang recht gering ist, muss sich erst noch herausstellen,
ob dieses Signal in den Daten nur statistischer Zufall ist". Wie auch immer das
Ergebnis künftiger Gravitationswellenbeobachtungen ausfallen wird: Die
Ergebnisse werden Forschenden helfen, besser zu verstehen, woher die "singenden
Schwarzen Löcher" in diesem Stimmenmeer kommen.
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen
ist.
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