Mit dem für morgen Abend geplanten Start des deutschen
Kommunikationssatelliten Heinrich Hertz endet eine Ära: Zum letzten Mal
wird eine Ariane-5-Rakete abheben und außer Heinrich Hertz noch einen
französischen Militärsatelliten ins All bringen. Mit Heinrich Hertz
sollen wichtige Technologien für künftige Kommunikationssatelliten getestet
werden.
Am 16. Juni 2023 ist es soweit: Die letzte europäische
Ariane-5-Trägerrakete soll voraussichtlich um 23:26 Uhr MESZ (18:26 Uhr
Ortszeit) vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana
starten und den deutschen Kommunikationssatelliten Heinrich Hertz
und den französischen Militärsatelliten SYRACUS IVB ins All bringen. Der
117. Ariane-5-Flug VA261 wird den Heinrich-Hertz-Satelliten im sogenannten
Geotransferorbit aussetzen. Von dort aus wird der Satellit dann mit seinen
eigenen Triebwerken den Weg in den geostationären Orbit antreten und seine
Zielposition auf 0,5 Grad Ost voraussichtlich Anfang Juli 2023 erreichen.
Heinrich Hertz wird in einer Höhe von rund 36.000 Kilometern in
der Äquatorebene angekommen sein und immer über derselben Stelle der
Erdoberfläche "stehen". Diese befindet sich etwas südlich von Ghana im
atlantischen Ozean. Die Heinrich-Hertz-Mission wird von der Deutschen
Raumfahrtagentur im DLR im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWK) und unter Beteiligung des Bundesministeriums der
Verteidigung (BMVg) geführt.
"Mit dem letzten Start einer Ariane-5-Rakete geht eine Ära im
Trägersektor zu Ende, während eine neue in der deutschen
Satellitenkommunikation beginnt. Denn die Heinrich-Hertz-Mission versetzt
die deutsche Industrie in die Lage, sich im internationalen Wettbewerb in
der Telekommunikation auf Augenhöhe zu behaupten. Mit der Systemfähigkeit im
hart umkämpften Markt der Kommunikationssatelliten geht Deutschland einen
entscheidenden Schritt, eigene Programme in diesem Sektor zu gestalten und
sich für eine federführende Rolle in europäischen Programmen wie der
Konnektivitäts-Initiative IRIS² zu qualifizieren", betont Dr. Walther
Pelzer, DLR-Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Die Heinrich-Hertz-Mission gibt im dem Telekommunikations-Satellitenmarkt
im Technologiestandort Deutschland einen deutlichen Schub:
Hauptauftragnehmer und Systemintegrator ist die OHB System-AG in Bremen, für
die Nutzlastintegration zeichnet die TESAT GmbH & Co. KG in Backnang
verantwortlich. Darüber hinaus wurden 40 weitere Industrie- und
Forschungspartner involviert. Von der Entwicklung dieses Zulieferökosystems
profitiert die Raumfahrtökonomie am Standort Deutschland in ihrer ganzen
Vielfalt. Darüber hinaus sind zahlreiche europäische Firmen am Projekt
beteiligt.
Die Erkenntnisse aus der Heinrich-Hertz-Mission können zusammen mit
anderen technologischen Entwicklungen auch auf kleinere, tieffliegende
Satelliten übertragen werden, die kostengünstig und in Serienfertigung
hergestellt werden. Auch im Bereich sogenannter smarter Satelliten ist die
Heinrich-Hertz-Mission ein wichtiger Schritt. Die Ergebnisse der Mission
können dazu beitragen, die Flexibilisierung und Digitalisierung der
Satellitenkommunikationstechnologie weiter voranzutreiben und für aktuelle
Themen wie Künstliche Intelligenz, Quantenkommunikation und flexible
Antennentechnologie der Megakonstellationen vorbereiten.
Was mit dem Start der Heinrich-Hertz-Mission endet, hatte 27 Jahre zuvor
begonnen: Am 4. Juni 1996 schlug mit dem ersten Start die Geburtsstunde der
Ariane 5. War der erste Flug noch ein Fehlstart, entwickelte sich
die Ariane 5 in den folgenden 27 Jahren zu einer der
zuverlässigsten und sichersten Trägerraketen mit bislang 111 erfolgreichen
Starts von 117 insgesamt. Damit war Ariane 5 fast drei Dekaden lang
die Garantie für Europas eigenständigen Zugang zum Weltraum: Mit dem Start
der Weltraumteleskope XMM Newton (1999) sowie Herschel und
Planck (2009) konnte die Erforschung des Ursprungs und Entwicklung
des Universums maßgeblich vorangetrieben werden. Ariane 5 hat mit
Rosetta und Philae (2004) die Mission ins All gebracht,
mit der zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte eine weiche Landung auf
einem Kometen geglückt ist. Die Beförderung der europäischen Raumtransporter
ATV 1-5 (Automated Transfer Vehicle) hat von 2008 bis 2015 die Versorgung
der Internationalen Raumstation sichergestellt und damit auch zu Europas
Beteiligung im Artemis-Programm beigetragen. Zudem hat Ariane 5 am 14. April
2023 die erste ESA-Großmission JUICE auf Kurs zum Jupiter und seinen
Eismonden gebracht.
Doch nicht nur institutionelle Starts hat das Zugpferd der europäischen
Raumfahrt ins All geschickt: Fast 150 kommerzielle Satelliten sowie zwölf
Galileo-Satelliten wurden mit der Ariane 5 sicher und zuverlässig
auf im Weltraum ausgesetzt. "Ariane 5 ist die erfolgreichste europäische
Trägerrakete: Das macht der Start des James Webb-Weltraumteleskops in
besonderem Maße deutlich. Die NASA hat uns Europäern anvertraut, das größte
und teuerste Weltraumteleskop aller Zeiten zu starten. Und Ariane 5
hat James Webb so zielgenau ausgesetzt, dass das Teleskop deutlich weniger
eigenen Treibstoff benötigte, um seine Zielposition zu erreichen. Dadurch
wird es möglich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun deutlich
länger als die geplanten zehn Jahre mit dem Teleskop Messungen durchführen
können. Um diese Erfolgsgeschichte der Ariane-Träger fortzuschreiben und den
Zugang Europas zum Weltraum zu erhalten, müssen wir jetzt schnellstmöglich
in den Ariane-6-Betrieb kommen", betont Pelzer.
Update (16. Juni 2023): Der Start wurde wegen eines
möglichen Problems an der Rakete verschoben. Ein neuer Starttermin soll zum
Monatsende feststehen.