Woher Galaxien ihr Gas zur Sternentstehung bekommen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
8. Mai 2023
Wie sammeln Galaxien eigentlich das Gas an, aus dem Sterne
entstehen, die so die Galaxien weiter wachsen lassen? Diese Frage ist Gegenstand
aktueller Forschung. Nun gelang einem internationalen Team der direkte Blick auf
die Nachbarschaft einer massereichen Galaxie im frühen Universum - mit einigen
verblüffenden Ergebnissen und neuen Resultaten.
Künstlerische Darstellung des Gaskreislaufs
im zirkumgalaktischen Medium einer massereichen Galaxie.
Bild: Tsinghua
University [Gesamtansicht] |
Nach den ersten Modellen der Galaxienentstehung stürzte Gas isotrop auf Halos
aus Dunkler Materie ein, wurde durch Schocks auf sehr hohe Temperaturen
(Millionen von Grad) erhitzt und kühlte anschließend ab, um in der wachsenden
Zentralgalaxie Sterne zu bilden. Inzwischen ist jedoch klar, dass diese
sogenannte "heiße Akkretion" nur einen kleinen Teil des "Treibstoffs" für die
heftige Sternentstehung in massereichen Galaxien im frühen Universum liefert.
Stattdessen deuten kosmologische hydrodynamische Simulationen darauf hin, dass
die Akkretion im "kalten Modus" (Tausende von Grad) entlang von Filamenten
erfolgt. Dieser Prozess ist effizienter, um Gas in die Galaxie zu
transportieren, und bietet einen natürlichen Mechanismus, wie die beobachteten
hohen Sternentstehungsraten aufrechterhalten werden können.
Im Gegenzug verschmutzen die Sterne ihre Umgebung mit Elementen, die schwerer
sind als Helium und allgemein als "Metalle" bezeichnet werden. Die
energiereichsten Phänomene (Supernova-Explosionen) sind sogar in der Lage,
galaktische Ausströmungen zu erzeugen, die das zirkumgalaktische Gas anreichern.
Jüngste kosmologische Simulationen deuten darauf hin, dass dieses mit Metallen
angereicherte Gas, das von der Galaxie ausgestoßen wird, zurückfallen könnte,
wodurch ein weiterer Versorgungsmechanismus entsteht, um die intensiven
Sternentstehungsaktivität aufrechtzuerhalten. Daher wird eine massereiche
Galaxie sowohl ihr metallverschmutztes Gas recyceln als auch reines,
einströmendes Gas verwenden. Direkte Beobachtungen derartiger recycelter
Gasströme standen bisher allerdings noch aus.
Ein internationales Team von Astronomen hat daher ein massereiches System im
frühen Universum ins Visier genommen, um einen ersten Blick darauf zu werfen,
wie solche Galaxien ihr Gas ansammeln. Das ausgewählte System, MAMMOTH-1, kann
zu einer Zeit beobachtet werden, die elf Milliarden Jahre zurückliegt. Es
handelt sich um eine Galaxiengruppe, die in großräumiges kaltes
zirkumgalaktisches Gas eingebettet ist und hell in der Lyman-alpha-Emission von
Wasserstoff leuchtet. Mit Daten des Keck Cosmic Web Imager (KCWI) am
Keck-II-Teleskop und Aufnahmen des Subaru-Teleskops entdeckte das Team
zirkumgalaktische Linienemission von Wasserstoff, Helium und Kohlenstoff, die
sich über 300.000 Lichtjahre erstreckt. Eine Analyse der Verhältnisse dieser
Linien ermöglichte es dem Team, die Gaseigenschaften im gesamten Halo zu
bestimmen.
Die Ergebnisse zeigen, dass das zirkumgalaktische Gas bereits bis hin zu
einer ungefähr solaren Metallizität angereichert wurde, was bei der Größe des
Halos recht überraschend ist. Darüber hinaus ermöglichten die KCWI-Daten dem
Team, die Kinematik des emittierenden Gases in der beobachteten Region zu
analysieren. Ein detaillierter Vergleich der Daten mit kosmologischen
Simulationen, die am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelt wurden, und
mit einem analytischen Modell kann die beobachteten Geschwindigkeitsmuster
erklären, die höchstwahrscheinlich auf recyceltes, einströmendes Gas
zurückzuführen sind.
Das kinematische Modell deutet darauf hin, dass die Gasakkretion mit einer
Rate von etwa 700 Sonnenmassen pro Jahr erfolgt, was weit über der gemessenen
Sternentstehungsrate der Zentralgalaxie (81 Sonnenmassen pro Jahr) liegt. Der
mit Metallen angereicherte Zufluss könnte also die intensive Sternentstehung in
der massereichen Galaxie vollständig versorgen. "Unsere Beobachtungen geben
einen ersten Hinweis darauf, dass recycelte Zuflüsse ein universeller
Versorgungsmechanismus für massereiche sternbildende Galaxien im frühen
Universum sein könnten", bemerkt Shiwu Zhang von der Tsinghua Universität.
Darüber hinaus stellte das Team fest, dass die Satellitengalaxien in dieser
Galaxiengruppe die gleiche Bewegung wie das zirkumgalaktische Gas aufweisen, und
damit wahrscheinlich in die kreisenden Ströme eingebettet sind. Daher könnten
diese Satellitengalaxien mit dem zirkumgalaktischen Gas interagieren und es
verschmutzen. "Das macht das Ökosystem Galaxie-Gas noch komplexer; gleichzeitig
zeigt es aber auch, dass Gasrecycling ein wichtiger Bestandteil ist", fügt Zheng
Cai von der Tsinghua Universität.
"Wir brauchen noch viel empfindlichere Beobachtungen der zirkumgalaktischen
Emission, um weitere Einblicke in das komplexe Ökosystem von Galaxien zu
erhalten", betont Fabrizio Arrigoni Battaia, Wissenschaftler am
Max-Planck-Institut für Astrophysik. "Unser Ansatz zusammen mit den kommenden
exquisiten Datensätzen, etwa von den Instrumenten MUSE am VLT, KCWI und den
James-Webb-Weltraumteleskop, ermöglicht es uns, das zirkumgalaktische Gas direkt
und im Detail zu untersuchen. Damit können wir die physikalischen Prozesse, die
den Gaskreislauf um Galaxien bestimmen, besser verstehen."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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