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Sterne, die vergleichsweise große Mengen schwerer Elemente enthalten, bieten ungünstigere Bedingungen für das Entstehen komplexen Lebens als metallarme Sterne. Grund dafür ist die Art der ultravioletten Strahlung, die die Sonnen aussenden und die durch diese verursachten Reaktionen in Planetenatmosphären. Das Universum könnte also mit zunehmendem Alter immer lebensfeindlicher werden.
Auf der Suche nach bewohnbaren oder gar bewohnten Planeten, die um ferne Sterne kreisen, beschäftigen sich Forschende seit einigen Jahren zunehmend mit den Gashüllen dieser Welten. Lassen sich in Beobachtungsdaten Hinweise auf eine Atmosphäre finden? Enthält diese vielleicht sogar Gase wie Sauerstoff oder Methan, die auf der Erde fast ausschließlich als Stoffwechselprodukte von Lebewesen entstehen? In den nächsten Jahren werden solche Untersuchungen in völlig neue Bereiche vorstoßen: Das James-Webb-Teleskop von NASA und ESA wird es nicht nur ermöglichen, die Atmosphären großer Gasriesen wie Super-Neptune zu charakterisieren, sondern auch erstmals die viel schwächeren spektrographischen Signale von Gesteinsplanetenatmosphären zu analysieren. Eine jetzt veröffentlichte Studie wendet sich mithilfe von Modellrechnungen dem Ozongehalt von Exoplaneten-Atmosphären zu. Wie auf der Erde kann diese Verbindung aus drei Sauerstoffatomen die Planetenoberfläche (und Lebensformen, die sich auf ihr aufhalten) vor zellschädigender ultravioletter Strahlung schützen. Eine Hülle aus Ozon ist somit eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen komplexen Lebens. "Wir wollten verstehen, welche Eigenschaften ein Stern mitbringen muss, damit seine Planeten eine schützende Ozonschicht ausbilden können", erklärt Dr. Anna Shapiro vom Max-Planck-Institute für Sonnensystemforschung (MPS) den Grundgedanken.
Wie oft in der Wissenschaft wurde auch diese Fragestellung durch die Ergebnisse einer früheren Studie angestoßen. Vor drei Jahren hatten Forschende unter der Leitung des MPS die Helligkeitsschwankungen der Sonne mit denen hunderter sonnenähnlicher Sterne verglichen. Das Ergebnis: Die Intensität des sichtbaren Lichts vieler dieser Sterne schwankt viel stärker als die der Sonne. "Wir haben riesige Intensitätsspitzen gesehen", sagt Dr. Alexander Shapiro, der sowohl an den Analysen von vor drei Jahren als auch an der aktuellen Studie beteiligt war. "Es ist also durchaus möglich, dass auch die Sonne zu solchen Intensitätsspitzen fähig ist. In diesem Fall würde auch die Intensität des ultravioletten Lichts dramatisch ansteigen", fügt er hinzu. "Da haben wir uns natürlich gefragt, was das für das Leben auf der Erde bedeuten würde und wie die Situation in anderen Sternensystemen ist", sagt Prof. Dr. Sami Solanki, Direktor am MPS und ebenfalls Koautor beider Studien. An der Oberfläche etwa der Hälfte aller Sterne, um die nachweislich Exoplaneten kreisen, herrschen Temperaturen zwischen etwa 5000 und 6000 Grad Celsius. Die Forschende wandten sich in ihren Rechnungen deshalb dieser Untergruppe zu. Mit einer Oberflächentemperatur von etwa 5500 Grad Celsius gehört ihr auch die Sonne an. "In der Atmosphärenchemie der Erde kommt der ultravioletten Strahlung von der Sonne eine zweifache Rolle zu", erklärt Anna Shapiro, die sich vor ihrer Zeit am MPS vor allem mit dem Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Erdatmosphäre beschäftigt hatte. In Reaktionen mit einzelnen Sauerstoffatomen und Sauerstoffmolekülen kann Ozon sowohl entstehen, als auch vernichtet werden. Während die langwellige UV-B-Strahlung Ozon zerstört, trägt die kurzwellige UV-C-Strahlung dazu bei, dass in der mittleren Atmosphäre schützendes Ozon entstehen kann. "Es war daher naheliegend anzunehmen, dass ultraviolettes Licht einen ähnlich komplexen Einfluss auch auf die Atmosphären von Exoplaneten haben könnte", fügt die Astronomin hinzu. Die Forschenden berechneten deshalb, genau aus welchen Wellenlängen sich das ultraviolette Licht, dass die Sterne abstrahlen, zusammensetzt. Dabei betrachteten sie erstmals auch den Einfluss der Metallizität. Diese Eigenschaft beschreibt, in welchem Verhältnis Wasserstoff und schwerere Elemente (von Astrophysikern vereinfachend und etwas irrführend als Metalle bezeichnet) im Baumaterial des Sterns vorliegen. Im Fall der Sonne kommen auf ein Eisenatom mehr als 31.000 Wasserstoffatome. Die Studie berücksichtigt auch Sterne mit geringerem und höherem Eisenanteil. In einem zweiten Schritt ging das Team der Frage nach, wie sich die berechnete UV-Strahlung auf die Atmosphäre von Planeten auswirken würde, die in einem lebensfreundlichen Abstand um diese Sterne kreisen. Als lebensfreundlich gelten solche Abstände, die moderate Temperaturen – weder zu heiß noch zu kalt – an der Planetenoberfläche zulassen. Für solche Welten simulierte das Team am Computer, welche Prozesse genau das charakteristisch zusammengesetzte UV-Licht des Muttersterns in der Planetenatmosphäre in Gang setzt. Um die Zusammensetzung von Planetenatmosphären zu berechnen, verwendeten die Forschenden ein Chemie-Klima-Modell. Es simuliert die Prozesse, die Sauerstoff, Ozon und viele andere Gase steuern, sowie deren Wechselwirkung mit ultraviolettem Licht von Sternen in sehr hoher spektraler Auflösung. Dieses Modell machte es möglich, eine Vielzahl von Bedingungen auf Exoplaneten zu untersuchen und mit der Historie der Erdatmosphäre in der letzten halben Milliarde Jahre zu vergleichen. In diesem Zeitraum bildeten sich der hohe Sauerstoffgehalt der Atmosphäre und die Ozonschicht, die die Entwicklung des Lebens an Land auf unserem Planeten ermöglichten. "Es ist vorstellbar, dass die Geschichte der Erde und ihrer Atmosphäre Hinweise auf die Entwicklung des Lebens enthält, die auch auf Exoplaneten zutreffen könnten", sagt Jos Lelieveld, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie, der an der Studie beteiligt war. Das Ergebnis überraschte: Zwar strahlen metallarme Sterne insgesamt mehr UV-Strahlung ab als metallreiche. Doch auch das Verhältnis von ozonerzeugender UV-C-Strahlung und ozonvernichtender UV-B-Strahlung hängt kritisch von Metallizität ab: Bei metallarmen Sternen überwiegt die UV-C-Strahlung, so dass eine dichte Ozonschicht entstehen kann. Bei metallreichen Sternen mit ihrer überwiegenden UV-B-Strahlung fällt diese schützende Hülle deutlich dürftiger aus. "Anders als erwartet, dürften somit metallarme Sterne günstigere Bedingungen für die Entstehung von Leben bieten", fasst Anna Shapiro zusammen. Diese Erkenntnis könnte hilfreich sein für künftige Weltraummissionen wie die PLATO-Mission der ESA, die eine riesige Anzahl von Sternen nach Anzeichen bewohnbarer Exoplaneten durchforsten sollen. Mit 26 Teleskopen an Bord startet die gleichnamige Sonde 2026 ins All und wird ihr Augenmerk in erster Linie auf erdähnliche Planeten richten, die sonnenähnliche Sterne in einem lebensfreundlichen Abstand umkreisen. Das Datenzentrum der Mission entsteht derzeit am MPS. "Unsere aktuelle Studie gibt uns wertvolle Hinweise, welche Sterne wir mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten sollten", so Prof. Dr. Laurent Gizon, geschäftsführender Direktor des MPS und Ko-Autor der aktuellen Studie. Zudem ergibt sich aus der Studie eine geradezu paradox anmutende Schlussfolgerung: Mit zunehmendem Alter dürfte das Universum immer lebensfeindlicher werden. Metalle und andere schwere Elemente entstehen im Innern von Sternen am Ende ihres mehrere Milliarden Jahre währenden Lebens und werden – je nach Masse des Sterns – als Sternwind oder bei einer Supernova-Explosion ins All abgegeben: der Baustoff für die nächste Sterngeneration. "Jedem neu entstehenden Stern steht deshalb metallreicheres Baummaterial zur Verfügung als seinen Vorgängern. Die Sterne im Universum werden von Generation zu Generation immer metallreicher", so Anna Shapiro. Gemäß der neuen Studie sinkt somit mit zunehmendem Alter des Universums auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sternsysteme Leben hervorbringen. Aussichtslos ist die Suche nach Leben jedoch nicht. Schließlich haben viele Wirtssterne von Exoplaneten ein ähnliches Alter wie unsere Sonne. Und von diesem Stern ist ja bekannt, dass er durchaus komplexe und interessante Lebensformen auf mindestens einem seiner Planeten beherbergt. Über die Studie berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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