Wie Fußballmoleküle im Weltall entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Paul Scherrer Instituts astronews.com
28. März 2023
Die Chemie, die sich im All abspielen kann, ist komplex und
auch für das Verständnis der Entstehung des Lebens von Bedeutung.
Schon länger vermutet man, dass im All sogenannte Fullerene und deren
Abkömmlinge entstehen – große Kohlenstoffmoleküle in Fußball-, Schüssel-
oder Röhrchenform. Nun konnte gezeigt werden, wie diese Reaktion abläuft.
Einem Forschungsteam ist es gelungen, die
Entstehung von Fullerenen live zu beobachten.
Bild:
Shane Goettl / Ralf I. Kaiser [Großansicht] |
"We are stardust, we are golden. We are billion-year-old carbon" - in ihrem
Song Woodstock besangen Crosby, Stills, Nash & Young, woraus auch wir Menschen
letztendlich zusammengesetzt sind: aus Sternenstaub. Wer sich in der Astronomie
ein wenig auskennt, kann den Text der amerikanischen Kultband bestätigen – die
Planeten und wir Menschen bestehen tatsächlich aus dem Staub ausgebrannter
Supernovae und aus Milliarden Jahren alten Kohlenstoffverbindungen.
Das Weltall ist ein riesiger Reaktor und wer diese Reaktionen versteht,
versteht die Geburt und die Entwicklung des Universums – und woher wir kommen.
Ein Rätsel war bisher die Bildung von Fullerenen und deren Derivate im All. Das
sind fußball-, schüssel- oder röhrchenförmige Moleküle aus Kohlenstoff, die
erstmals in den 1980ern im Labor erzeugt wurden. 2010 fand das
Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer die C60-Fussballmoleküle,
sogenannte Buckyballs, im planetarischen Nebel TC-1. Sie sind damit die größten
Moleküle, die bisher im Weltraum außerhalb unseres Sonnensystems nachgewiesen
wurden. Aber wie entstehen sie dort?
Ein Team von Forschenden aus den USA und aus China hat nun einen wichtigen
Reaktionsschritt bei der Entstehung der Moleküle nachvollzogen – mit
tatkräftiger Unterstützung des Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz und
der Vakuum-Ultraviolett-Strahllinie der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS.
"Das PSI bietet einzigartige Experimentiermöglichkeiten und deshalb haben wir
uns für eine Kooperation mit Patrick Hemberger vom PSI entschieden", sagt Ralf
Kaiser von der University von Hawaii in Honolulu, der international
führende Forscher auf diesem Gebiet.
Hemberger, Wissenschaftler an der VUV-Strahllinie am PSI, hat einen
Minireaktor aufgebaut, um die Bildung der Fullerene live beobachten zu können.
In einem 1000 Grad Celsius heißen Reaktor wird ein Corannulenylradikal (C20H9)
erzeugt. Dieses Molekül sieht aus wie eine Salatschale, in etwa so, als hätte
man eine Schüssel vom C60-Fussballmoleküle abgeschnitten. Dieses
Radikal ist extrem reaktionsfreudig, wodurch es mit Vinylacetylen (C4H4)
reagiert, welches am Rand der Schale eine Lage Kohlenstoff andockt. "Würde man
diesen Prozess vielfach wiederholen, würde das Molekül zu einer Endkappe eines
Nano-Röhrchens anwachsen, was wir durch Computersimulationen zeigen konnten",
erklärt Alexander Mebel, Professor für Chemie an der Florida International
University.
Doch das war nicht das alleinige Ziel der Forschenden. "Wir wollten zeigen,
dass diese Art der Reaktion überhaupt möglich ist", so Kaiser. Bei der Reaktion
entstehen verschiedene Isomere, das sind Moleküle, die alle die gleiche Masse
haben, aber leicht unterschiedliche Strukturen. Mit der üblichen
Massenspektrometrie liefern alle diese Varianten das gleiche Signal. Anders bei
der Photoelektronen-Photoionen-Koinzidenz-Spektroskopie, die das Team hier
verwendet hat. "Dort lässt die Struktur der Messkurve Rückschlüsse auf jedes
einzelne Isomer zu", so Hemberger.
"Im Universum finden wir einen wilden Zoo aus Molekülen und chemischen
Reaktionen – nicht alle lassen sich in den Signalen aus den Teleskopen eindeutig
zuordnen", so Kaiser. Aus Modellen ist bekannt, dass es im All sowohl
Corannulenyl als auch Vinylacetylen gibt. Nun konnte bestätigt werden, dass
diese Moleküle tatsächlich Bausteine zu Fullerenen bilden. "Deshalb ist das
Experiment am PSI so wertvoll für uns." In weiteren Experimenten wollen die
Forschenden verstehen, wie sich im All die klassischen Buckyballs bilden, die
fußballförmigen Fullerene mit 60 Kohlenstoffatomen sowie die röhrchenförmigen
Nanotubes mit noch mehr Atomen.
Über die Studie berichtet das Team in einem Fachartikel, der in Nature
Communications erschienen ist.
|