Masse des W-Bosons mit erhöhter Genauigkeit bestimmt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
24. März 2023
Eine erneute Auswertung von Messungen, die im Jahr 2011 am
Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN in Genf durchgeführt
wurden, hat nun eine erheblich bessere Bestimmung der Masse des W-Bosons
erlaubt. Sie stimmt hervorragend mit den Vorhersagen des Standardmodells überein
- anders als eine Auswertung von Messungen aus den USA.
Event-Display eines W-Bosonen-Kandidaten,
der im ATLAS-Experiment in ein Myon und ein Myon-Neutrino
zerfällt. Die blaue Linie zeigt die rekonstruierte Spur des
Myons, und der rote Pfeil kennzeichnet die Energie des
unentdeckten Myon-Neutrinos.
Bild:
CERN [Großansicht] |
Das W-Boson ist ein Elementarteilchen, das 1983 am CERN entdeckt wurde und
das für die Vermittlung der sogenannten schwachen Wechselwirkung verantwortlich
ist. Die Bestimmung seiner Masse ist von besonderer Bedeutung, etwa als präziser
Test für die Gültigkeit des Standardmodells der Teilchenphysik. Nach einer
ersten Bestimmung und Veröffentlichung der Masse im Jahr 2017, hat die
ATLAS-Kollaboration jetzt ein neues Ergebnis für diese Masse vorgelegt. Das
vorläufige Resultat wurde von Prof. Matthias Schott, Experimentalphysiker am
Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im
Rahmen des "57. Rencontres de Moriond", einer der bedeutendsten Konferenzen für
Teilchenphysik, vorgestellt.
Im Ergebnis beträgt die Masse des W-Bosons 80.360 Megaelektronenvolt (MeV)
mit einer Unsicherheit von 16 MeV. Sie basiert auf einer Neuanalyse von 14
Millionen W-Boson-Kandidaten, die bereits 2011 in Proton-Proton-Kollisionen am
Large Hadron Collider des CERN aufgezeichnet wurden. Sie stimmt mit der
Erwartung des Standardmodels der Teilchenphysik überein und steht damit im
direkten Widerspruch zur jüngsten Messung des CDF-Experiments am Tevatron,
welches im Frühjahr 2022 für großes Aufsehen sorgte.
Die theoretische Vorhersage der Masse des W-Bosons im Rahmen des
Standardmodells beträgt 80.354 MeV, mit einer Unsicherheit von 7 MeV. Sie steht
in engem Zusammenhang mit der Stärke der elektroschwachen Kopplungen und den
Massen der schwersten Elementarteilchen, darunter das Z-Boson, das Top-Quark und
das Higgs-Boson. In Theorien, die das Standardmodell erweitern, ist die Masse
des Teilchens jedoch auch mit zusätzlichen, noch unbekannten Teilchen oder
Wechselwirkungen verbunden. Die Messung der Masse des W-Bosons ist daher ein
wichtiger Test des Standardmodells und eine Abweichung zwischen Theorie und
Experiment könnte auf neue Physik hindeuten.
2017 veröffentlichte ATLAS seine erste Messung der Masse des W-Bosons, die
anhand von Daten aus dem Jahr 2011 bestimmt wurde. Die Masse des W-Bosons betrug
80.370 MeV, mit einer Unsicherheit von 19 MeV. Das Ergebnis stimmte schon damals
gut mit der Vorhersage des Standardmodells und allen früheren experimentellen
Ergebnissen überein. Im letzten Jahr gab die CDF-Kollaboration am Fermilab eine
noch präzisere Messung bekannt, die auf einer Analyse ihres gesamten am Tevatron
gesammelten Datensatzes beruht. Das Ergebnis, 80.434 MeV mit einer Unsicherheit
von 9 MeV, weicht erheblich von der Vorhersage des Standardmodells und von den
anderen experimentellen Ergebnissen ab, so dass weitere Messungen erforderlich
sind, um die Ursache für diese Abweichung zu ermitteln.
In der neuen Studie analysierte ATLAS erneut die W-Bosonen-Stichprobe aus dem
Jahr 2011 und verbesserte damit die Präzision seiner früheren Messung. Die neue
Masse des W-Bosons, 80.360 MeV mit einer Unsicherheit von 16 MeV, ist 10 MeV
niedriger als das vorherige ATLAS-Ergebnis. Auch dieses Ergebnis steht im
Einklang mit dem Standardmodell. "Die Messung der W-Boson-Masse gehört zu den
schwierigsten und anspruchsvollsten Messungen, die an Hadronen-Collidern
durchgeführt werden. Sie erfordert eine äußerst präzise Kalibrierung der mit dem
ATLAS-Detektor gemessenen Teilchenenergien und -impulse sowie eine sorgfältige
Bewertung und ausgezeichnete Kontrolle der Modellierungsunsicherheiten", sagt
ATLAS-Sprecher Andreas Hoecker. "Dieses aktualisierte Ergebnis ist ein strenger
Test und bestätigt die Konsistenz unseres theoretischen Verständnisses der
elektroschwachen Wechselwirkungen."
Um es zu erzielen, verwendete die ATLAS-Kollaboration eine signifikant
verbesserte Analysemethode und berücksichtige zudem neue Erkenntnisse über die
Struktur des Protons aus den vergangenen Jahren. Diesen neuen Ansatz verfolgte
die Gruppe um Schott innerhalb des Mainzer Exzellenzclusters PRISMA+ seit vielen
Jahren und er konnte nun zum vorläufigen Abschluss gebracht werden. "Ich bin
mehr als glücklich nach so vielen Jahren dieses Ergebnis nun präsentieren zu
können", erklärt Schott. "Aber nun steht für uns schon die Analyse von
speziellen Datensätzen an, welche wir im Jahr 2018 aufgezeichnet haben. Diese
werden uns helfen, herauszufinden, warum die CDF-Messung von allen anderen
Messungen abweicht."
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