Kilonova von 2017 hatte Form einer Kugel
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung
GmbH astronews.com
21. Februar 2023
Wenn Neutronensterne kollidieren, entsteht eine Explosion,
die – anders als bis vor kurzem angenommen – die Form einer nahezu perfekten
Kugel hat. Wie dies möglich ist, ist zwar immer noch ein Rätsel, aber die
Entdeckung könnte bei Entfernungsmessungen im All helfen. Bei solchen Kilonovae
entstehen zudem wichtige schwere Elemente.
Künstlerische Darstellung einer Kilonova.
Bild:
R. Dienel, Carnegie Institution for Science [Großansicht] |
Kilonovae sind gigantische Explosionen, die entstehen, wenn zwei
Neutronensterne einander umkreisen und schließlich miteinander kollidieren. Die
dabei auftretenden extremen physikalischen Bedingungen sind für die Entstehung
schwerer Elemente verantwortlich, beispielsweise die Atome im Goldschmuck und
das Jod in unseren Körpern. Des Weiteren erzeugen Kilonovae Licht, so dass man
diese Explosionen auch noch in kosmischen Entfernungen mit Teleskopen beobachten
kann.
Aber es gibt noch viel, was die Wissenschaft über dieses gewaltige Phänomen
nicht weiß. Als 2017 in 140 Millionen Lichtjahren Entfernung eine Kilonova
entdeckt wurde, konnten zum ersten Mal detaillierte Daten gesammelt werden.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt sind immer noch
dabei, die Daten dieser kolossalen Explosion zu interpretieren, darunter Albert
Sneppen und Professor Darach Watson von der Universität Kopenhagen, sowie
Privatdozent Andreas Bauswein und Dr. Oliver Just aus der Forschungsabteilung
Theorie des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt.
Eine der offenen Frage betrifft die geometrische Form der Kilonova, also die
Ausbreitungsgeschwindigkeit der Explosion in verschiedenen Richtungen. Dieses
Problems hat sich das internationale Forschungsteam rund um Sneppen und Watson
angenommen. Die Forschenden haben die Geschwindigkeit der Explosion in
verschiedenen Richtungen analysiert: entlang der Sichtlinie – also die
Geschwindigkeit des Materials, das sich in Richtung unserer Erde bewegt – und
senkrecht dazu.
Entlang der Sichtlinie machen sich die Forschenden den Dopplereffekt zunutze,
den man vom herannahenden Feuerwehrauto kennt. Wie sich die Tonhöhe der Sirene
mit hoher Geschwindigkeit verändert, so kann man auch aus den Eigenschaften des
Lichts der Kilonova-Explosion, genauer aus den sogenannten Spektrallinien, die
Geschwindigkeit ablesen. Die Geschwindigkeit senkrecht zur Beobachtungslinie
ergibt sich aus der Größe der strahlenden Fläche, die sich aus Helligkeit und
Farbe der Kilonova ableiten lässt.
Die Überraschung dieser Analyse: Die Explosion breitet sich in alle
Richtungen gleich schnell aus. Die Kilonova aus dem Jahr 2017 hat die Form einer
Kugel. "Man hat zwei superkompakte Sterne, die sich 100 Mal pro Sekunde
umkreisen, bevor sie kollabieren. Unsere Intuition und die meisten der
bisherigen Modelle besagen, dass die bei der Kollision entstehende
Explosionswolke aufgrund des enormen Drehimpulses im System eine eher
asymmetrische Form haben muss", sagt Albert Sneppen, Doktorand am
Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen. Wie die Kilonova kugelförmig sein kann, ist
ein echtes Rätsel.
Das GSI-Team hat insbesondere Simulationen der Explosion zum Test
verschiedener Szenarien und theoretische Interpretationen zu der Studie
beigetragen. Die Forschenden konnten zeigen, dass es selbst unter recht
spekulativen Annahmen keinen Mechanismus gibt, der zwangsläufig zu einer
sphärischen Explosion führen muss, wenngleich einige Simulationen recht gut zu
der Beobachtung passen. "Eine Möglichkeit könnte daher auch sein, dass es sich
um eine pure Koinzidenz handelt. Spannend ist die Beobachtung auf alle Fälle,
denn sie hilft Modelle der Kilonova-Explosion besser zu verstehen und damit auch
Details der Elementenstehung in diesen Ereignissen", sagt Just. Und Bauswein
ergänzt: "Mit Messungen weiterer Neutronensternverschmelzungen wird man dieses
Ergebnis sicher besser beurteilen können. Wir erwarten, dass mit neuen, jetzt
zur Verfügung stehenden Observatorien in den kommenden Jahren viele weitere
Kilonovae entdecken werden."
Die Form der Explosion ist auch aus einem ganz anderen Grund interessant: "in
der Astrophysik wird viel darüber diskutiert, wie schnell das Universum
expandiert. Die Geschwindigkeit sagt uns unter anderem, wie alt das Universum
ist. Und die beiden hauptsächlich benutzten Methoden, die es gibt, um dies zu
messen, weichen um etwa eine Milliarde Jahre voneinander ab. Hier haben wir
vielleicht eine dritte Methode, die die anderen Messungen ergänzt und mit ihnen
verglichen werden kann", sagt Sneppen.
Die sogenannte "kosmische Entfernungsleiter" ist die Methode, die heute
verwendet wird, um zu messen, wie schnell das Universum wächst. Dazu wird der
Abstand zwischen verschiedenen Objekten im Universum berechnet, die als Sprossen
auf der Leiter fungieren. "Wenn sie hell und meist kugelförmig sind, können wir
die Kilonovae als eine neue Möglichkeit nutzen, um die Entfernung unabhängig zu
messen – eine neue Art von kosmischem Lineal", sagt Watson und fährt fort: "Die
Kenntnis der Form ist hier entscheidend, denn wenn ein Objekt nicht kugelförmig
ist, strahlt es je nach Blickwinkel anders. Eine kugelförmige Explosion
ermöglicht eine viel genauere Messung."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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