Das Nachglühen einer Kilonova?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
3. März 2022
Das NASA-Röntgenobservatorium Chandra hat die
Folgen einer gigantischen kosmischen Explosion untersucht, die vermutlich durch
die Kollision zweier Neutronensterne ausgelöst wurde. Mit verschiedenen
Teleskopen war die Strahlung dieser sogenannten Kilonova zu beobachten. Jetzt
könnte ein Team das Nachglühen des Ereignisses entdeckt haben.
Künstlerische Darstellung einer Kilonova,
die nach der Verschmelzung von Neutronensternen
auftritt.
Bild: M. Weiss / CfA [Großansicht] |
Ein internationales Forschungsteam hat möglicherweise den "Schallknall" einer
sogenannten Kilonova entdeckt. So bezeichnet man die gewaltige Explosion, die
entsteht, wenn zwei Neutronensterne miteinander kollidieren. Die Kilonova
GW170817 im Sternbild Wasserschlange ist das erste Objekt überhaupt, bei dem
sowohl Gravitationswellen als auch elektromagnetische Strahlung gemessen werden
konnten. Seinen Namen trägt GW170817, weil es am 17. August 2017 entdeckt wurde:
Die Laser-Interferometer LIGO (in den USA) und Virgo (in Italien) haben an
diesem Tag die Gravitationswellen registriert, die mit einem Ausbruch von
Gammastrahlen zusammenfielen.
Seitdem wurden Teleskope auf der ganzen Welt und im Weltraum auf GW170817
gerichtet und die Strahlung des Objektes wird im gesamten elektromagnetischen
Spektrum untersucht. Das Röntgen-Weltraumteleskop Chandra der NASA ist
dabei das einzige Observatorium, das mehr als vier Jahre nach dem Ereignis immer
noch Strahlung registrieren kann, die von dieser außergewöhnlichen kosmischen
Kollision stammt. "Die unmittelbaren Folgen einer Neutronensternverschmelzung
untersuchen zu können, ist absolutes Neuland", sagt Aprajita Hajela von der
Northwestern University in den USA, die die aktuelle Studie von GW170817 mit
Chandra geleitet hat.
Bisher geht die Astronomie davon aus, dass nach der Verschmelzung von
Neutronensternen deren Trümmer sichtbares und infrarotes Licht abstrahlen, das
beim Zerfall radioaktiver Elemente entsteht. Dieser Lichtausbruch wird als
Kilonova bezeichnet. Im Fall von GW170817 konnten tatsächlich auch sichtbares
Licht und Infrarotstrahlung mehrere Stunden nach den Gravitationswellen entdeckt
werden.
Im Röntgenspektrum sah die Neutronensternverschmelzung allerdings ganz anders
aus: Unmittelbar nach der Entdeckung von GW170817 richtete Chandra
seinen "Röntgenblick" auf das Objekt und registrierte – nichts. Erst mehrere
Tage später, am 26. August 2017, konnte Chandra GW170817 als
punktförmige Röntgenstrahlungsquelle ausmachen. Diesen Umstand erklären die
Forschenden damit, dass die verschmolzenen Neutronensterne einen schmalen Jet
aus hochenergetischen Teilchen abstrahlen, der "off-axis", also nicht direkt auf
die Erde ausgerichtet ist. Sie vermuten, dass Chandra den schmalen Jet
ursprünglich von der Seite beobachtete und daher unmittelbar nach der Entdeckung
der Gravitationswellen noch keine Röntgenstrahlen sah. Im Laufe der Zeit
verlangsamte sich jedoch das abgestrahlte Material und der Jet-Kegel
verbreiterte sich, da er auf umgebende Materie prallte. Dies führte dazu, dass
sich der Kegel des Jets immer mehr in die direkte Sichtlinie von Chandra
ausdehnte und so die Röntgenstrahlung gemessen werden konnte.
Seit Anfang 2018 wurde die von dem Jet verursachte Röntgenstrahlung immer
schwächer, da sich der Jet weiter verlangsamte und ausdehnte. Hajela und ihr
Team stellten dann jedoch fest, dass der Helligkeitsrückgang ab März 2020 bis
Ende 2020 stoppte und die Strahlung in diesem Zeitraum konstant blieb. "Etwas
anderes als der Jet selbst muss dafür verantwortlich sein", sagt Raffaella
Margutti von der University of California im kalifornischen Berkeley.
Eine mögliche Erklärung für diese neue Röntgenstrahlungsquelle war, dass die
sich ausdehnenden Trümmer der Verschmelzung eine Stoßwelle erzeugt haben,
ähnlich dem Überschallknall eines Überschallflugzeugs. Diese Stoßwelle erhitzt
Material, das selbst Strahlung erzeugt und als Kilonova-Nachglühen bezeichnet
wird. Eine alternative Erklärung wäre, dass die zusätzlichen Röntgenstrahlen von
Material stammen, das in ein Schwarzes Loch fällt, welches sich nach der
Verschmelzung der Neutronensterne gebildet haben müsste. "Dies wäre entweder das
erste Mal, dass wir ein Kilonova-Nachglühen sehen oder das erste Mal, dass wir
Material sehen, das nach einer Neutronensternverschmelzung auf ein Schwarzes
Loch fällt", sagt Joe Bright, ebenfalls von der University of California
in Berkeley.
Um zu ermitteln, welche der beiden Erklärungen zutreffend ist, müssen die
Astronominnen und Astronomen GW170817 weiterhin beobachten und neben den
Röntgenstrahlen auch mögliche Radiowellen messen. Wenn es sich um ein Kilonova-Nachglühen
handelt, wird die Radioemission voraussichtlich mit der Zeit heller werden.
Handelt es sich dagegen um Materie, die auf ein neu entstandenes Schwarzes Loch
fällt, dann sollte die Röntgenstrahlung konstant bleiben oder schnell abnehmen
und es wird keine Radioemission auftreten.
Hier kommen nun Prof. Dr. Sebastiano Bernuzzi und der ehemalige Doktorand
Vsevolod Nedora von der Universität Jena ins Spiel, die beide an der aktuellen
Studie beteiligt waren. Sie haben die Massenausflüsse, von denen das Kilonova-Signal
ausgeht, in einem großen Satz von Simulationen, die speziell auf GW170817
ausgerichtet sind und neueste mikrophysikalische Modelle beinhalten, analysiert.
Sie berechneten das zu erwartete Kilonova-Nachleuchten und konnten eine
Übereinstimmung mit den Chandra-Beobachtungen feststellen.
"Die enge Zusammenarbeit von astronomisch und theoretisch arbeitenden
Teammitgliedern war der Schlüssel zur Identifizierung der möglichen Szenarien
für den Ursprung der späten Röntgenemission von GW170817", betont Bernuzzi.
Dennoch ist weitere Forschung und Beobachtung von GW170817 notwendig und könnte,
so Kate Alexander, ebenfalls von der Northwestern University,
weitreichende neue Erkenntnisse liefern. "Der Nachweis eines Kilonova-Nachleuchtens
würde bedeuten, dass bei der Verschmelzung nicht sofort ein Schwarzes Loch
entstanden ist. Alternativ könnte dieses Objekt den Astronomen die Möglichkeit
bieten, zu untersuchen, wie Materie einige Jahre nach der Entstehung eines
Schwarzen Lochs auf dieses fällt." Kürzlich ist bei neuen Chandra-Beobachtungen
weitere Strahlung entdeckt worden, Radiowellen in Verbindung mit der
aufkommenden Röntgenstrahlung sind bisher aber nicht gemessen worden.
Über die Chandra-Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erschienen ist.
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