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SOFIA
Wie biologische Prozesse die Erdatmosphäre beeinflussen
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
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6. Februar 2023

Erstmals konnte nun der Anteil eines schwereren Sauerstoffisotops in der oberen Atmosphäre der Erde bestimmt werden. Die Messungen mithilfe des Instruments GREAT an Bord der Flugzeugobservatoriums SOFIA könnten Hinweise darauf geben, inwieweit biologische Effekte die Erdatmosphäre durchdringen - eine Information, die auch für die Suche nach Leben im All wichtig ist.

SOFIA

Beobachtungen mit SOFIA in 13 bis 14 Kilometer Höhe zeigen die Säulendichten der Sauerstofflinien von 16O und dem schwereren Isotop 18O, die in der oberen Mesosphäre und der unteren Thermosphäre in Absorption gegen den Mond nachgewiesen werden konnten. Bild: H. Wiesemeyer (Zusammenstellung), NASA (Atmosphärenfoto), S. Guisard & NIESYTO-Design (SOFIA), R. Simmon, NASA (Atomkernmodelle) [Großansicht]

Wo verläuft die Grenze zwischen der Erdatmosphäre und dem Weltraum? Eine scheinbar einfache Frage, auf die es jedoch keine eindeutige Antwort gibt. In der Luft- und Raumfahrt wird auf die sogenannte Kármán-Linie verwiesen, die in einer Höhe von 100 Kilometern über dem Meeresspiegel liegt. Es handelt sich dabei um eine Höhe, in der der hydrodynamische Auftrieb definitiv aufhört, oder in der Satelliten aufgrund der Reibung mit der Luft in der oberen Atmosphäre noch keine stabile Umlaufbahn um die Erde einnehmen können. Andererseits wurde erst kürzlich ein magnetosphärischer Wind entdeckt, der von der Ionosphäre der Erde bis zum Mond vordringt und die Isotopenzusammensetzung des Mondbodens, der dem Sonnenwind ausgesetzt ist, kontaminiert.

Dieser terrestrische Fingerabdruck könnte als einzigartig im Sonnensystem gelten, da er möglicherweise eine Signatur der biologischen Aktivität auf der Erde trägt. In der Tat gibt es in der unteren Atmosphäre im Verhältnis zum leichteren und häufigeren Isotop 16O mehr schweren Sauerstoff (18O) als im Meerwasser. Bei dem Sauerstoff-18-Isotop handelt es sich um eine Art von Sauerstoff, dessen Atome zehn Neutronen anstelle der acht Neutronen enthalten, die in Sauerstoff-16 vorkommen. Diese Ungleichheit ist als Dole-Effekt bekannt und lässt sich folgendermaßen verstehen: Sauerstoff entsteht als Abfallprodukt der Photosynthese und übernimmt seine Isotopenzusammensetzung von derjenigen des beteiligten Wassers, während die Atmung bevorzugt die leichtere Version des Sauerstoffs zerstört. Durch eine effiziente vertikale Durchmischung wird diese gut untersuchte Biosignatur bis in die Stratosphäre getragen.

Eine weitere Durchmischung der Luft in die noch höheren Atmosphärenschichten (Mesosphäre und Thermosphäre) wurde bereits vor einem Jahrzehnt nachgewiesen. Die Thermosphäre ist der Ausgangspunkt für den Wind von Sauerstoffionen, die in die Plasmaschicht der Erde eindringen, doch ist ihre isotopische Sauerstoffzusammensetzung noch unbekannt. "Bei unserem Versuch, die Isotopenzusammensetzung von Sauerstoff in der Mesosphäre und unteren Thermosphäre der Erde aus der Ferne zu messen, nutzen wir einen relativistischen Effekt, durch den sich der elektronische Grundzustand von atomarem Sauerstoff in drei Feinstrukturniveaus aufspaltet", erklärt Helmut Wiesemeyer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). "Strahlungsübergänge von einem Quantenzustand in einen anderen erzeugen infrarote Spektrallinien. Sie werden weiter aufgespalten, wenn man dem Kern ein oder zwei Neutronen hinzufügt: Der Schwerpunkt des Atoms verschiebt sich, was zu einer leichten Veränderung der charakteristischen Frequenzen der Feinstrukturlinien führt."

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Diese Spektrallinien, die in der Mesosphäre und unteren Thermosphäre der Erde entstehen, erscheinen in starker Absorption gegen helle Infrarotquellen im Hintergrund und liefern daher wertvolle Fingerabdrücke der Chemie in diesen Regionen der Atmosphäre. "Zum ersten Mal konnten wir die spektroskopische Signatur der Isotopenverschiebung in Spektrallinien von atomarem Sauerstoff in der Natur identifizieren, in einer Umgebung, die weit von erdgebundenen Laboren entfernt ist. Es ist zu hoch für Ballons und zu niedrig für Satelliten in der Erdumlaufbahn. Das erschwert Untersuchungen an Ort und Stelle ganz erheblich", erklärt Rolf Güsten, ebenfalls vom MPIfR, bis 2018 der Hauptverantwortliche für das GREAT-Instrument, das an Bord des Flugzeugobservatoriums SOFIA den Nachweis ermöglichte. "Unsere Beobachtungen erlauben es jedoch, die Spektrallinie von 18O im Terahertz-Bereich in Absorption gegen den Mond zu identifizieren."

"Hier schließt sich der Kreis: Die Stärke der Spektrallinie von schwerem Sauerstoff im Vergleich zu derjenigen des Hauptisotops 16O ermöglicht es uns, die relative Häufigkeit beider Spezies aus der Ferne zu messen", ergänzt Jürgen Stutzki von der Universität Köln, der im Oktober 2018 die Leitung des GREAT-Projekts übernommen hat. "Aus den Messungen des Stratosphärenobservatoriums leiten wir Werte ab, die für die untere Atmosphäre typisch sind, aber nicht für den Sonnenwind, der dort dominiert, wo das interplanetare Magnetfeld dasjenige der Erde ablöst."

Doch eine endgültige Entscheidung steht noch aus: mit der Empfindlichkeit der publizierten Messungen kann noch nicht entschieden werden, ob das biogene Isotopenverhältnis des molekularen Sauerstoffs in der Troposphäre oder das Isotopenverhältnis des stratosphärischen Ozons aufgespürt wird. Um eine höhere Empfindlichkeit zu erreichen, sind weitere Messungen erforderlich. Ein lohnendes Unterfangen, auch deshalb, weil der Ursprung des Isotopenverhältnisses von Ozon noch nicht vollständig geklärt ist.

Man nimmt an, dass es durch eine Klasse schneller chemischer Reaktionen entsteht, die Isotope zwischen ihren Partnern austauschen. "Wir zeigen, dass diese Reaktionen in der Mesosphäre und der unteren Thermosphäre mit inelastischen Kollisionen konkurrieren, die Quantenzustände anregen, ohne die elektrische Ladung oder chemische Bindungen zu verändern. Dieser Wettbewerb führt dazu, dass die Grundzustände von 18O anders besetzt werden als diejenigen von 16O, die sich in einem thermodynamischen Gleichgewicht befinden", sagt Heinz-Wilhelm Hübers vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin. "Die relativen Stärken der gemessenen Spektrallinien sind entscheidend für den Nachweis dieses Ungleichgewichts. Zusammen mit empirischen Daten der Sauerstoffkonzentration in der Hochatmosphäre kann unsere Bestimmung der Isotopenfraktionierung korrigiert werden. Unsere Beobachtungen mit dem Ballonexperiment OSAS-B gehen in diese Richtung."

Auf den ersten Blick scheint die Notwendigkeit einer solchen Korrektur die Analyse unnötig kompliziert zu machen. Auf den zweiten Blick bietet sie jedoch ein Instrument zur näheren Untersuchung der schnellen Isotopenaustauschreaktionen zwischen atomarem und molekularem Sauerstoff, die der Bildung von Ozon vorangehen. Dazu ist ein weiterer Stoff als Katalysator erforderlich, der in der Stratosphäre reichlich vorhanden ist, aber in größeren Höhen immer seltener wird. Nicht zuletzt implizieren von der Quantentheorie vorgegebene Auswahlregeln eine starke Temperaturabhängigkeit der Stoßanregung, die mit dem Austausch von Isotopen konkurriert. Dieser Effekt könnte letztlich zur Untermauerung empirische Modelle der oberen Atmosphäre genutzt werden. "Zur Zeit sind wir noch nicht so weit. Um zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen, sind noch weitere Experimente am Infrarothimmel erforderlich, die auf den erfolgreichen Beobachtungsprogrammen von SOFIA aufbauen", schließt Wiesemeyer.

Ein besseres Verständnis, inwieweit biologische Effekte die Erdatmosphäre durchdringen, könnte der Forschung eines Tages helfen, die Suche nach möglichen Anzeichen von Leben auf anderen Planeten zu verfeinern. Über ihre Messungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Physical Review Research erschienen ist.

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siehe auch
SOFIA: Kritik aus Deutschland an Einstellung des Betriebs - 4. Mai 2022
Erde: Die Neigung der Erdachse und die Eiszeiten - 4. November 2020
Links im WWW
Wiesemeyer , H. et al. (2023): First detection of the atomic 18O isotope in the mesosphere and lower thermosphere of Earth, Phys. Rev. Research, 5, 013072
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
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