Das Eis in der Molekülwolke Chamäleon I
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
24. Januar 2023
Mithilfe des Weltraumteleskops James Webb wurde nun
verschiedenartiges Eis in den dunkelsten und kältesten Regionen einer
Molekülwolke entdeckt, die je untersucht wurden. Die Beobachtungen sollen
helfen, die Entstehung komplexerer Moleküle besser zu verstehen. Diese wiederum
könnten entscheidende Bausteine des Lebens sein.
Dieses Bild des James Webb-Weltraumteleskops
zeigt die zentrale Region der dunklen Molekülwolke Chamäleon
I, die sich in 630 Lichtjahre Entfernung befindet.
Bild:
NASA, ESA, CSA, und M. Zamani (ESA/Webb) [Großansicht] |
Für die Entstehung eines bewohnbaren Planeten sind gefrorene Moleküle von
entscheidender Bedeutung, da sie mehrere wichtige leichte Elemente liefern:
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel (zusammenfassend
nach ihren Symbolen als CHONS bezeichnet). Diese Elemente sind zentrale
Bestandteile der Planetenatmosphären und auch von Molekülen wie Zucker,
Alkoholen und einfachen Aminosäuren. Auf unsere Erde gelangten diese Elemente
vermutlich durch Einschläge von eisigen Kometen oder Asteroiden.
Außerdem glauben die Astronomen und Astronominnen, dass solche Eiskristalle
höchstwahrscheinlich bereits in der dunklen Wolke aus kaltem Staub und Gas
vorhanden waren, aus der schließlich unser Sonnensystem entstand. In derartigen
Regionen des Alls liefern eisige Staubkörner einzigartige Bedingungen für
chemische Reaktionen zwischen Atomen und Molekülen, aus denen sich ganz
gewöhnliche Stoffe wie Wasser bilden können. Detaillierte Laborstudien haben
außerdem gezeigt, dass unter diesen eisigen Bedingungen auch einfache
präbiotische Moleküle entstehen können.
Ein internationales Team hat nun mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST)
eine detaillierte Bestandsaufnahme der kältesten bisher gemessenen Eismassen in
einer Molekülwolke veröffentlicht. Das Team suchte gezielt nach Eis in einer
besonders kalten, dichten und schwer zu untersuchenden Region der Molekülwolke
Chamäleon I, einer etwa 600 Lichtjahre von der Erde entfernten Gegend, in der
sich Dutzende von jungen Sternen bilden. Neben einfachen Eismolekülen wie Wasser
konnte das Team gefrorene Formen einer breiten Palette von Molekülen
identifizieren, von Kohlendioxid, Ammoniak und Methan bis hin zum komplexen
organischen Molekül Methanol.
Dies ist die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der eisigen Bestandteile,
die für die Bildung künftiger Generationen von Sternen und Planeten zur
Verfügung stehen, bevor sie bei der Entstehung junger Sterne aufgeheizt werden.
Die Eiskörner wachsen, wenn sie in die protoplanetaren Scheiben aus Gas und
Staub um diese jungen Sterne stürzen. Die Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen können somit alle möglichen Eismoleküle untersuchen, die in
zukünftige Exoplaneten eingebaut werden können. "Unsere Ergebnisse geben
Einblicke in die Phase der ersten, dunklen Chemie, während der sich auf den
interstellaren Staubkörnern Eis bildet, welche dann zu den zentimetergroßen
Brocken heranwachsen, aus denen sich in den Scheiben schließlich die Planeten
bilden", sagte Melissa McClure, Astronomin am Leiden Observatory, die das
Beobachtungsprogramm leitet.
Die Beobachtungen wurden mit drei Instrumenten am JWST durchgeführt, darunter
MIRI, das gemeinsam von der NASA, der ESA und einem europäischen Konsortium
entwickelt wurde. Die Leidener Gruppe mit Prof. Ewine van Dishoeck hat auch
Eisspektren im Labor gemessen, um sie mit den Beobachtungsdaten zu vergleichen
und so die verschiedenen Eissorten zu identifizieren. "Die Qualität und
Empfindlichkeit dieser frühen JWST-Daten übertrifft sogar noch unsere
Erwartungen: Wir sind in der Lage, Quellen zu beobachten, die tausendmal
schwächer sind, als es bisher möglich war. Wir finden sogar die 13-C-Version von
CO2-Eis", betont van Dishoeck, die auch Mitglied des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) ist.
Diese Forschung ist Teil des Ice-Age-Projekts, eines der 13 Early-Release
Wissenschaftsprogramme des James-Webb-Teleskops. Diese Beobachtungen sollen die
Möglichkeiten mit dem JWST aufzeigen und der astronomischen Gemeinschaft
demonstrieren, wie man das Beste aus den Instrumenten herausholen kann. Das
IceAge-Team hat bereits weitere Beobachtungen geplant und hofft, den Weg des
Eises von seiner Entstehung bis zur Bildung von Eiskometen nachvollziehen zu
können.
"Es ist äußerst spannend, die Zusammensetzung der Eismäntel um Staubkörnchen
in den dunklen und dichten Regionen interstellarer Wolken zu enthüllen", sagt
Prof. Paola Caselli, Direktorin des Zentrums für astrochemische Studien am MPE,
die ebenfalls an der Studie beteiligt war. Diese Regionen sind die Vorläufer von
Planetensystemen wie dem unseren. Zumindest ein Teil dieses Eises,
einschließlich der komplexen organischen Moleküle, die Vorläufer präbiotischer
Spezies sind, wird in zukünftige Planetensysteme eingebaut. "Wir können nun –
dank JWST und IceAge – Beobachtungen von interstellarem Eis quantitativ mit
unseren detaillierten chemischen Modellen für Gas und Staub vergleichen. Die
Oberflächenchemie ist am wenigsten verstanden, daher sind diese Daten so
wertvoll", so Caselli.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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