Staub und Eis im All vermischt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Jena astronews.com
25. September 2020
Im interstellaren Medium, also in dem Gas und Staub zwischen
den Sternen einer Galaxie, können spannende Prozesse ablaufen, die auch für die
Entstehung von Leben für Bedeutung sein könnten. Unklar war bislang allerdings
in welcher Verbindung Staub und Eis hier zueinander stehen. Eine neue
Untersuchung zeigte nun, dass sie offenbar miteinander vermischt sind.
Wolken aus interstellarem Staub und Gas,
hier in der Region Cygnus-X im Sternbild Schwan.
Bild: ESA/PACS/SPIRE/Martin Hennemann &
Frédérique Motte, Laboratoire AIM Paris-Saclay,
CEA/Irfu – CNRS/INSU – Univ. Paris Diderot,
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Die Materie zwischen Sternen einer Galaxie – das sogenannte interstellare
Medium – besteht neben Gas vor allem aus jeder Menge Staub. Sterne und Planeten
haben ihren Anfang irgendwann einmal in einer solchen Umgebung genommen. Denn
die Staubpartikel können verklumpen und zu Himmelskörpern zusammenwachsen.
Außerdem finden auf ihnen wichtige chemische Prozesse statt, aus denen komplexe
organische – möglicherweise sogar präbiotische – Moleküle hervorgehen.
Eine wichtige Voraussetzung für diese Vorgänge ist allerdings die Existenz
von Wasser. Dieses kommt in besonders kalter kosmischer Umgebung in Form von
Wassereis vor. Doch bisher war nicht klar, in welcher Verbindung Eis und Staub
in diesen Regionen des Alls stehen. Ein Forschungsteam der
Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Max-Planck-Instituts für Astronomie
hat nun bewiesen, dass die Staubpartikel und das Eis miteinander vermischt sind.
"Bisher wusste man nicht, ob Eis und Staub unverbunden nebeneinander
schweben, ob eine Eisschicht die Staubpartikel umhüllt oder ob beide miteinander
vermischt sind", erklärt Dr. Alexey Potapov von der Universität Jena. "Wir haben
die Spektren von laborproduzierten Silikaten, Wassereis und ihre Mischungen mit
astronomischen Spektren von protostellaren Hüllen und protoplanetaren Scheiben
verglichen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Spektren nahezu
deckungsgleich sind, wenn Silikatstaub und Wassereis in diesen Umgebungen
miteinander vermischt sind."
Aus diesen Informationen ziehen die Astrophysikerinnen und -physiker
wertvolle Informationen. "Wir müssen verschiedene physikalische Bedingungen in
verschiedenen astronomischen Umgebungen verstehen, um physikalisch-chemische
Prozesse im All besser modellieren zu können", sagt Potapov. Außerdem könnten
sie so beispielsweise die Menge des Materials besser abschätzen und genauere
Aussagen zu den Temperaturen in verschiedenen Bereichen der interstellaren und
zirkumstellaren Media treffen.
Zudem konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität
Jena durch Experimente und Vergleiche beobachten, was mit dem Wasser passiert,
wenn die Temperaturen zunehmen und das Eis bei ca. -93 Grad Celsius verschwindet
bzw. in die Gasphase übergeht und den Festkörper, mit dem es verbunden ist,
verlässt. "Einige Wassermoleküle sind dabei so stark mit dem Silikat verbunden,
dass sie auf der Oberfläche oder im Inneren des Staubpartikels bleiben", sagt
Potapov. "Wir vermuten, dass es dieses sogenannte 'trapped water' – also
gefangenes Wasser – auch an den Staubpartikeln im All gibt. Das zumindest legt
der Vergleich zwischen den aus den Laborversuchen hervorgegangenen Spektren mit
denen im sogenannten diffusen interstellaren Medium des Weltalls nahe. Dabei
erhielten wir deutliche Hinweise, dass dort eben jene gefangenen Wassermoleküle
existieren."
Die Existenz von solchem Festkörperwasser legt nahe, dass sich auch andere
komplexe Moleküle auf den Staubpartikeln im diffusen interstellaren Medium
befinden können. Wenn Wasser auf einem derartigen Teilchen vorhanden ist, dann
ist beispielsweise der Weg zu komplexen organischen Molekülen nicht sehr weit.
Denn die Staubpartikel bestehen meist unter anderem aus Kohlenstoff, der in
Verbindung mit Wasser und unter Einfluss von Ultraviolettstrahlung, wie sie in
der Umgebung herrscht, die Methanolbildung begünstigt.
Die organische Verbindung habe man bereits in diesen Bereichen des
interstellaren Mediums beobachtet – bisher wusste man allerdings nicht, woher
sie stammt. Die Präsenz des Festkörperwassers kann zudem Fragen zu einem anderen
Element beantworten: Man kennt zwar die Menge an Sauerstoff im interstellaren
Medium, hatte bisher allerdings keine Informationen darüber, wo genau sich etwa
ein Drittel davon befindet. Die neuen Forschungsergebnisse deuten darauf hin,
dass das Festkörperwasser in Silikaten ein verstecktes Sauerstoff-Reservoir ist.
Außerdem kann das "gefangene Wasser" dabei helfen, überhaupt zu verstehen,
wie der Staub wächst, da es das Zusammenkleben kleinerer Teilchen zu größeren
Partikeln begünstigen könnte. Möglicherweise wirkt dieser Effekt sogar bei der
Planetenbildung. "Sollte es gelingen nachzuweisen, dass 'gefangenes Wasser' in
Bausteinen der Erde existierte – oder existieren konnte –, dann ergeben sich
eventuell sogar neue Antworten auf die Frage, wie Wasser auf die Erde gelangte",
sagt Potapov. Doch das sind bisher nur Vermutungen, denen die Jenaer
Forscherinnen und Forscher in Zukunft nachgehen wollen.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in der aktuellen Ausgabe des
Forschungsjournals Nature Astronomy.
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