Wie ein Stern regelmäßig ein Schwarzes Loch füttert
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
13. Januar 2023
In den Daten der eROSITA-Himmelsdurchmusterung wurde nun ein
spektakuläres, sich wiederholendes Ereignis entdeckt: Im Zentrum einer ansonsten
unscheinbaren Galaxie lassen sich regelmäßig alle 220 Tage helle
Röntgenausbrüche beobachten. Diese deuten auf einen Stern hin, der das dort
befindliche massereiche Schwarze Loch umkreist und es dabei regelmäßig "füttert".
Diese Grafiken zeigen, wie sich das Team die
Quelle J0456-20 erklärt: Ein Stern ist in den Orbit um ein
Schwarzes Loch geraten, wird von diesem kannibalisiert, jedoch
nicht komplett verschluckt, so dass das Schwarze Loch
wiederholt Material von dem Stern abziehen kann.
Bild:
ESA, CC BY-SA 3.0 IGO [Großansicht] |
Die meisten Galaxien im Universum beherbergen ein supermassereiches Schwarzes
Loch in ihrem Zentrum. Beobachtungen deuten auf ein symbiotisches Wachstum
dieser Schwarzen Löcher und deren Wirtsgalaxien hin. Diese Studien konzentrieren
sich hauptsächlich auf "aktive" Galaxien, in denen das zentrale Schwarze Loch
ständig große Mengen an Materie ansammelt. Diese heizt sich auf und leuchtet
sehr hell.
Aktive Galaxien (oder Galaxien mit "aktiven galaktischen Kernen", AGN) sind
jedoch eine Minderheit gegenüber ruhigen Galaxien. Bei diesen ist es viel
schwieriger die Eigenschaften des supermassereichen schwarzen Lochs im Kern zu
untersuchen. Gelegentlich kommt es vor, dass ein Stern zu nahe an das zentrale
Schwarze Loch einer Galaxie wandert und durch dessen starke Gezeitenkräfte
zerrissen wird (engl: "tidal disruption event"). Ein Teil der Materie des Sterns
fällt in das Schwarze Loch und erhöht damit die "Fütterungsrate" des
Gravitationsmonsters vorübergehend. Diesen Prozess können Astronomen als
kurzzeitige helle Blitze im Röntgen- und UV-Bereich beobachten.
Derartige Ereignisse treten in einer gewöhnlichen Galaxie nur etwa alle
10.000 Jahre auf und sind damit sehr selten. Die meisten bisher beobachteten
Kandidaten waren einmalige Ereignisse, die aufgrund der Zerstörung des Sterns
einen einzigen Ausbruch zeigten. In jüngster Zeit wurden nun einige
veränderliche Ereignisse entdeckt, die periodische oder sich wiederholende
Ausbrüche zeigen. Diese könnten auf Sterne zurückzuführen sein, die ihre erste
Begegnung glücklicherweise überleben: Anstatt vollständig zerstört zu werden,
umkreist der Überrest das supermassereiche Schwarze Loch, wobei er Teile seiner
äußeren Schichten verliert und das Schwarze Loch bei jeder Passage erneut
füttert.
"Solche sich wiederholenden, teilweisen Zerstörungen könnten ein effektives
Mittel sein, um den Akkretionsprozess um supermassereiche Schwarze Löcher zu
erforschen", betont Zhu Liu, der Hauptautor der Studie am Max-Planck-Instituts
für extraterrestrische Physik (MPE). "Mithilfe von eROSITA haben wir jetzt eine
faszinierende veränderliche Quelle gefunden, bei der sich der Röntgenausbruch in
einer ansonsten ruhigen Galaxie regelmäßig wiederholt."
Während der Durchmusterung des gesamten Himmels beobachtet das eROSITA-Röntgenteleskop
jeden Punkt am Himmel mehrfach und hat dabei energiereiche veränderliche Quellen
in Galaxien entdeckt, die keine Anzeichen früherer Aktivität in ihren Zentren
aufwiesen. Die neue Quelle, J0456-20, die im Februar 2021 entdeckt wurde,
befindet sich in einer ruhigen Galaxie, die etwa eine Milliarde Lichtjahre
entfernt ist. Sie ist eine Röntgenquelle mit einer der höchsten Variabilitäten,
die von eROSITA beobachtet wurden; innerhalb einer Woche nimmt der Röntgenfluss
um den Faktor 100 ab.
Insgesamt beobachteten die Astronomen drei vollständige Zyklen der Quelle,
bei der sich die Röntgenausbrüche in einem Zeitraum von etwa 220 Tagen
wiederholten. Nachfolgende optische Beobachtungen zeigten eine normale ruhige
Galaxie, während die wiederholten Röntgeneruptionen stark auf eine sich
wiederholende, teilweise Gezeitenstörung hindeuten. "Wir schätzen, dass der
Stern, der das Schwarze Loch umkreist, beim ersten, zweiten und dritten Zyklus
jeweils nur eine Masse verloren hat, die 5 Prozent, 1,5 Prozent und 0,5 Prozent
unserer Sonne entspäche", erklärt Adam Malyali, Postdoc am MPE. "Diese Werte
sind so niedrig, dass der Stern tatsächlich mehrere Annäherungen an das zentrale
Schwarze Loch überleben könnte."
Mithilfe einer Kooperation mit den ATCA-Teleskopen in Australien konnte das
Team zudem veränderliche Radioemission bei der Quelle J0456-20 nachweisen,
welche einen deutlicher Hinweis auf einen Ausfluss von Gas darstellt. Zusammen
mit dem charakteristischen Verlauf der Röntgenstrahlung ergeben sich damit
zwingende Hinweise auf Veränderungen in der Struktur der Akkretionsscheibe um
das supermassereiche Schwarze Loch.
"Weitere Beobachtungen sind notwendig, um die genauen Details der
physikalischen Prozesse zu ergründen", sagt Andrea Merloni, der wissenschftliche
Leiter von eROSITA. "Dennoch liefert die Entdeckung dieses sich wiederholenden
Röntgenereignisses bereits jetzt einen soliden Beweis dafür, dass es Sterne
gibt, die eng um supermassereiche Schwarze Löcher jenseits unserer eigenen
Milchstraße kreisen. Diese könnten ein ideales Labor sein, um die Allgemeine
Relativitätstheorie in sehr starken Gravitationsfeldern zu testen."
eROSITA hat bereits andere sich wiederholende Röntgenquellen gefunden, z. B.
zwei quasi-periodische Eruptionen in AGN. Für die Zukunft erwartet das Team
weitere Entdeckungen mit eROSITA, aber auch mit dem Ende 2023 startenden
"Einstein Probe"-Satelliten. Im Fall von eROSITA wird man sich auf das schon
vorhandene Datenmaterial beschränken müssen: Die Mission wurde in Kooperation
mit Russland durchgeführt und die Zusammenarbeit nach dem russischen
Angriffskrieg auf die Ukraine beendet.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen ist.
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