Schwarzes Loch zerreißt Riesenstern
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des DESY astronews.com
7. Juni 2022
Ein Forschungsteam ist Zeuge des dramatischen Endes eines
Riesensterns geworden: In einer fernen Galaxie hat ein gigantisches Schwarzes
Loch einen Riesenstern zerrissen. Die kosmische Katastrophe produzierte nach
einigen Monaten ein gleißendes Lichtecho im Infrarotbereich. Zudem hat das
Neutrinoteleskop IceCube in der Antarktis möglicherweise ein Teilchen
des zerrissenen Sterns aufgefangen.
Die intensive Strahlung von der
Trümmerscheibe um das Schwarze Loch (Zentrum)
heizt den Staub extrem auf, bis er hell im
Infrarot zu strahlen beginnt. Durch die zeitliche
Verzögerung entsteht ein "Lichtecho".
Bild: DESY / Science Communication Lab [Großansicht] |
Die sogenannte Gezeitenkatastrophe ereignete sich in einer 4,4 Milliarden
Lichtjahre entfernten Galaxie im Sternbild Herkules, in deren Zentrum sich ein
Schwarzes Loch mit der 35-millionenfachen Masse unserer Sonne befindet. Diesem
Massemonster ist eine Riesensonne zu nahe gekommen und durch die Gezeitenkräfte
des Schwarzen Lochs in Stücke gerissen worden. "Die Gezeitenkräfte entstehen,
indem das Schwarze Loch an der Vorderseite des Sterns stärker zieht als an der
Rückseite", erläutert Simeon Reusch von DESY. "Durch diese Differenz wird die
Riesensonne zunächst in die Länge gezogen, bis sie schließlich zerreißt."
Die Sternentrümmer formen um das Schwarze Loch eine sogenannte
Akkretionsscheibe – ähnlich wie Wasser in einer Badewanne einen Strudel bildet,
wenn man den Stöpsel zieht. Bevor die Sternmaterie schließlich auf
Nimmerwiedersehen im Schwarzen Loch verschwindet, kreist sie wie das Wasser über
dem Badewannenabfluss immer schneller, heizt sich dabei enorm auf und fängt an,
hell zu leuchten. "Diese Gezeitenkatastrophe war möglicherweise sogar das
leuchtstärkste vorübergehende kosmische Phänomen, das jemals beobachtet worden
ist", betont Marek Kowalski von DESY.
Aufgrund der enormen Helligkeit des Ereignisses gehen die Forscherinnen und
Forscher davon aus, dass der zerrissene Stern eine Riesensonne gewesen sein
muss, damit sich genug leuchtende Materie in der Akkretionsscheibe sammeln
konnte. Die intensive Strahlung hat einen Hohlraum in die riesige Staubwolke
gebrannt, von der das Schwarze Loch in der fernen Galaxie umgeben ist. Im
Umkreis von rund einem halben Lichtjahr verdampfte der Staub dabei sofort.
Dahinter heizte ihn die Strahlung extrem auf, sodass er schließlich hell im
Infrarotbereich zu leuchten begann. Durch geometrische Effekte erreichte dieses
Lichtecho erst ein Jahr nach dem Ende des Riesensterns sein Maximum. "Das
Lichtecho im Infrarotbereich ist eine Schlüsselsignatur der
Gezeitenkatastrophe", berichtet Reusch. "Damit hat sich die Natur dieses
aufleuchtenden Objekts verraten."
Das Phänomen war zuerst mit der Zwicky Transient Facility
(ZTF) beobachtet worden, das speziell nach solchen vorübergehenden Ereignissen
("Transients") Ausschau hält. Astronominnen und Astronomen hatten dann die
Himmelsposition mit zahlreichen anderen Instrumenten bei verschiedenen
Wellenlängen ins Visier genommen, von den Radiowellen bis zur Gammastrahlung.
Beobachtungen mit dem Infrarotsatelliten WISE der NASA enthüllten rund ein Jahr
nach dem ursprünglichen Ausbruch das Lichtecho. Am Südpol ging dem Observatorium
IceCube zudem ein energiereiches Neutrino ins Netz, das von dem
Ereignis stammen könnte.
Damit hätte IceCube möglicherweise zum zweiten Mal ein Teilchen von einem
zerrissenen Stern aufgefangen – ein Erfolg der noch jungen Disziplin der
Neutrino-Astronomie. "Neutrinos liefern uns Einblicke in kosmische Objekte, die
mit Licht und anderer elektromagnetischer Strahlung nicht möglich sind",
erläutert Kowalski, der die Neutrino-Astronomie bei DESY leitet. "Mit
elektromagnetischer Strahlung schauen wir nur auf die Oberfläche eines Objekts.
Neutrinos erreichen uns jedoch ungehindert aus dem Inneren."
Insbesondere die Kombination aus Beobachtungen im Bereich der
elektromagnetischen Strahlung mit Neutrinos ermöglichen neue Erkenntnisse. Die
Forscherinnen und Forscher bezeichnen das als Multi-Messenger-Astronomie, weil
die Boten ("Messenger2) in beiden Bereichen ganz unterschiedlicher Natur sind.
So zeigen die Messungen im Bereich der Radiowellen, dass es sich bei dem
Phänomen um einen kosmischen Teilchenbeschleuniger handelt. Die davon
unabhängige Messung des Neutrinos untermauert diese Beobachtung und deutet auf
einen Beschleuniger von Atomkernen, nicht der sehr viel leichteren Elektronen.
Genaueren Aufschluss sollen weitere Analysen der Messdaten von IceCube
bringen.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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