Europäischer Windsatellit liefert zuverlässige Daten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung e. V. astronews.com
29. Dezember 2022
Seit vier Jahren umrundet der europäische Satellit Aeolus
die Erde und liefert dank eines neuartigen Verfahrens Daten zu den
Windgeschwindigkeiten in der Atmosphäre. Nun hat ein Team diese Winddaten mit
anderen Messungen verglichen, die von Stratosphärenballons stammen. So zeigte
sich, dass Aeolus in der oberen Troposphäre und
unteren Stratosphäre nahezu fehlerfreie Windmessungen liefert.
Der Aeolus-Satellit trägt das erste Wind-Lidar
im Weltraum, das die untersten 30 Kilometer der
Atmosphäre sondieren kann, um Profile von Wind,
Aerosolen und Wolken entlang der Umlaufbahn des
ESA-Satelliten zu erstellen.
Bild:
ESA / ATG medialab [Großansicht] |
Die Qualität von numerischen Wettermodellen und damit der Wettervorhersage
hängt stark von den zur Verfügung stehenden Daten ab. In den letzten Jahrzehnten
wurde deshalb ein globales Beobachtungssystem aufgebaut, das auch Windprofile
durch Wetterballons, Flugzeugdaten oder Windprofiler-Radarsysteme enthält. Diese
Daten stammen jedoch größtenteils aus der dicht besiedelten Nordhemisphäre. In
der Südhemisphäre, über den Ozeanen und vor allem in den Tropen ist das Messnetz
dagegen immer noch deutlich dünner.
Ein großer Schritt hin zu flächendeckenden Winddaten war deshalb der Start
des ersten Wind-Satelliten Aeolus der europäischen Weltraumorganisation
ESA am 22. August 2018. Dieser neuartige Satellit hat mit dem Atmospheric
Laser Doppler Instrument (ALADIN) einen starken Laser an Bord. ALADIN ist
das erste Doppler-Wind-Lidar im Weltraum, das Profile der horizontalen
Windgeschwindigkeit von der Erdoberfläche oder vom Oberrand dicker Wolken bis zu
einer Höhe von etwa 30 Kilometern auf globaler Ebene liefert. Dazu sendet der
Satellit beim Umlauf um die Erde kurze ultraviolette Laserimpulse aus. Ein
kleiner Teil dieser Lichtpulse wird von Luftmolekülen, Aerosolen und Wolken
zurück zum Satelliten gestreut und dort im Detektor gesammelt und verarbeitet.
Für eine Umrundung der Erde benötigt Aeolus 90 Minuten, innerhalb einer Woche
erfasst der Satellit so Winddaten um die ganze Erde.
Diese Daten werden von Wettervorhersagezentren aus der ganzen Welt
assimiliert, um ihre Vorhersagen zu verbessern. Da es bisher keine
vergleichbaren Satellitenmissionen gab, werden die Daten besonders kritisch
überprüft und mit anderen Windmessungen verglichen. Eine jetzt veröffentlichte
Studie nutzte zum Vergleich Daten von 229 Stratosphärenballons des Loon-Projekts
zwischen Juli 2019 und Dezember 2020 aus dem tropischen Lateinamerika,
Atlantischem Ozean, Afrika und Indischem Ozean. Loon war ein kommerzielles
Projekt, das abgelegene Regionen mit einem Internetzugang über Heliumballons in
der Stratosphäre versorgt hatte. Die Ballons mit einem Durchmesser von etwa
zwölf Metern fungierten dabei als schwebende Mobilfunkstation in Höhen von 16
bis 20 Kilometern über dem Erdboden.
Damit das Netz funktioniert, mussten sie die Windrichtung durch Ändern der
Höhe automatisch korrigieren. Dadurch entstand ein umfangreicher Datensatz zu
den Windgeschwindigkeiten in diesen Atmosphärenschichten, welcher einen Teil der
Lücke an Winddaten in dieser Höhe im globalen Beobachtungssystem schließt. Das
Loon-Projekt wurde 2021 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, für die
Atmosphärenforschung jedoch bleibt ein höchst interessanter Datensatz zurück.
"Unsere Analyse bestätigt, dass der Satellit Aeolus in der oberen
Troposphäre und unteren Stratosphäre nahezu fehlerfreie Windmessungen liefert.
Das aktuelle Wettermodell des ECWMF unterschätzt dagegen die Windgeschwindigkeit
dort systematisch um ca. einen Meter pro Sekunde, was durch die Daten von
Aeolus und Loon nachgewiesen werden konnte. Diese Ergebnisse sind
wichtig, um dynamische Prozesse in der oberen Troposphäre und unteren
Stratosphäre besser zu verstehen und um die Wettermodelle weiter zu verbessern",
unterstreicht Dr. Sebastian Bley vom TROPOS, der für die Studie bei der ESA im
italienischen Frascati gearbeitet hat.
Eine weitere Empfehlung der Forschenden ist es, mehr vertikale Messungen
durchzuführen, um mehr Windinformationen in den atmosphärischen Schichten
liefern zu können. Das könnte die Genauigkeit kommender Windsatelliten weiter
verbessern. Neben der Windgeschwindigkeit liefert Aeolus auch
Informationen über Aerosole und Wolken, allerdings nur über einen Teil des
zurückgestreuten Lichts. "Wir hoffen, dass von künftigen Windmissionen auch die
Depolarisation gemessen werden kann, also die Drehung des Lichts bei Reflexion.
Das wäre ein Meilenstein, weil der Satellit dann auch mehr Informationen über
Aerosole liefern könnte", erklärt Bley.
Aeolus wurde als Explorer-Mission mit einer erwarteten Lebenszeit
von drei Jahren entwickelt, um die Technologie eines Doppler-Wind-Lidars im All
zu testen. Die Erwartungen wurden jedoch übertroffen, Aeolus liefert nun seit
bereits über vier Jahren wertvolle Daten. Die Winddaten werden inzwischen in den
Wettervorhersagen von mehreren Wetterdiensten in ganz Europa wie z. B. dem
Deutschen Wetterdienst genutzt und konnten durch ihren positiven Einfluss auf
die Wettervorhersagequalität überzeugen. Das weitere Vorgehen für die
Nachfolgemission Aeolus-2 wurde kürzlich auf der ESA-Ministerkonferenz
beschlossen und wird von ESA und EUMETSAT gemeinsam entwickelt.
Im September hatten Forschende aus den USA probehalber Aeolus-Daten in das
Hurrikane-Modell (HWRF) der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA integriert,
um tropische Stürme besser vorherzusagen. Ihr Fazit: Die Nutzung von
Aeolus-Winddaten sei dort am wirksamsten, wo es keine Aufklärungsflüge in die
Hurrikane gibt und könnte deshalb die größten positiven Auswirkungen auf die
Vorhersage tropischer Wirbelstürme im Pazifik und im Indischen Ozean haben. Mit
diesen beiden neuen Studien aus den Tropen steigen die Chancen, dass
Aeolus-Daten auch außerhalb von Europa genutzt werden und eine Nachfolgemission
die Wettervorhersagen verbessern könnte.
Die Studie, an der Forschende des Leibniz-Instituts für
Troposphärenforschung (TROPOS), der ESA, des Europäischen Zentrums für
mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), der Universität Hamburg und des
Google-Unternehmens Loon beteiligt waren, ist jetzt im Quarterly Journal of
the Royal Meteorological Society erschienen.
|