Rätselhafter Gasriese um HD 114082
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
30. November 2022
Astronominnen und Astronomen haben einen Riesenplaneten um den sonnenähnlichen Stern HD 114082
entdeckt. Mit einem Alter von nur 15 Millionen Jahren ist dieser Super-Jupiter
der jüngste Exoplanet seiner Art, für den man Radius und
Masse bestimmen konnte. Allerdings lassen sich beiden Größen schwer mit den weithin akzeptierten
Modellen der Planetenentstehung vereinbaren.
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Diese künstlerische Darstellung zeigt einen
Gasriesen-Exoplaneten, der um einen sonnenähnlichen Stern
kreist. Der junge Exoplanet HD 114082 b umrundet seinen
sonnenähnlichen Stern innerhalb von 110 Tagen in einem Abstand
von 0,5 Astronomischen Einheiten.
Bild:
NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Astronomen haben mehr als 5000 Exoplaneten entdeckt, von denen etwa
15 Prozent Gasriesen mit einer Masse von mindestens der des Jupiters sind. Nun
entdeckte eine Gruppe von Astronomen und Astronominnen unter der Leitung von
Olga Zakhozhay vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und
dem Astronomischen Hauptobservatorium der Nationalen Akademie der Wissenschaften
der Ukraine in Kiew einen Exoplaneten mit dem Namen HD 114082 b, der eine Reihe
von Eigenschaften aufweist, die den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen bereiten.
Der Planet ist etwa so groß wie der Jupiter, aber seine Masse erreicht acht
Jupitermassen. "Verglichen mit derzeit akzeptierten Modellen ist HD 114082 b
etwa zwei- bis dreimal zu dicht für einen jungen Gasriesen mit einem Alter von
nur 15 Millionen Jahren", sagtZakhozhay. Die sich daraus ergebende mittlere
Dichte dieses Gasplaneten ist doppelt so hoch wie die der Erde – was wirklich
bemerkenswert ist. Schließlich ist die Erde ein Gesteinsplanet mit einem
Eisen-Nickel-Kern und besteht nicht aus Wasserstoff und Helium, den leichtesten
Elementen im Universum, aus denen Jupiter nahezu ausschließlich aufgebaut ist.
"HD 114082 b ist derzeit der jüngste bekannte Gasriesenplanet mit einer
ermittelten Masse und einem ermittelten Radius", so Zakhozhay. Daher verspricht
er, der Astronomie etwas über die Entstehung von Gasriesen im Allgemeinen zu
lehren. "Wir denken, dass sich Riesenplaneten auf zwei Arten bilden können",
erläutert Ralf Launhardt vom MPIA. "Beide finden innerhalb einer protoplanetaren
Scheibe aus Gas und Staub statt, die sich um einen jungen Zentralstern
verteilt." Beim ersten Prozess, der als "Kernakkretion" bezeichnet wird, sammelt
sich zunächst ein fester Kern aus Gesteinsmaterial an. Sobald dieser eine
kritische Masse erreicht hat, zieht seine Gravitationskraft das umgebende Gas
an, was zur raschen Anhäufung von Wasserstoff und Helium führt, wodurch ein
Riesenplanet entsteht. Beim zweiten Vorgang, der "Scheibeninstabilität" genannt
wird, kollabieren gravitativ instabile Pakete aus dichtem Gas direkt und bilden
einen Riesenplaneten ohne Gesteinskern.
Je nach den für diese beiden Szenarien getroffenen Annahmen sollte das Gas
unterschiedlich schnell abkühlen, was die Temperatur junger Gasriesenplaneten
bestimmt. Daher können die neuen Planeten einen "kalten Beginn" oder einen
"heißen Beginn" durchlaufen, was zu beobachtbaren Unterschieden führt, durch die
sich möglicherweise zwischen diesen Modellen unterscheiden lässt, insbesondere
in jungen Jahren.
Derzeit bevorzugen viele Astronomen und Astronominnen ein Kernakkretions-Szenario
mit einem heißen Beginn für Riesenplaneten wie HD 114082 b. Da heißes Gas ein
größeres Volumen einnimmt als kaltes Gas, sollte man merkliche Unterschiede in
den Größen der beobachteten Planeten feststellen. Dieser Größenunterschied ist
bei jungen Planeten stärker ausgeprägt. In den ersten Hunderten von Millionen
Jahren der Abkühlung nach der Entstehung verringert sich dieser Effekt jedoch.
Auf den ersten Blick widerspricht HD 114082 b den Erwartungen. Die Kombination
aus Masse und Größe passt nicht zum Bild des heißen Beginns. Stattdessen
entspricht er eher dem Szenario des kalten Beginns.
Interessanterweise zeigen einige etwas ältere Kandidaten aus anderen Studien
das gleiche Verhalten. "Es ist viel zu früh, um die Vorstellung eines heißen
Anfangs aufzugeben", erklärt Launhardt. "Wir können nur sagen, dass wir die
Entstehung von Riesenplaneten noch nicht sehr gut verstehen." Es ist klar, dass
HD 114082 b im Vergleich zu den aktuellen Modellen zu klein für seine Masse ist.
Entweder hat er einen ungewöhnlich großen festen Kern, oder die Modelle sind
falsch und unterschätzen die Rate, mit der diese Gasriesen abkühlen können –
oder beides.
Die Entdeckung von HD 114082 b ist das Ergebnis eines umfangreichen
Beobachtungsprogramms namens RVSPY (Radial Velocity Survey for Planets around
Young stars). Derzeit umfasst es 775 Beobachtungsstunden mit dem vom MPIA
betriebenen 2,2-Meter-Teleskop der ESO/MPG am Standort La Silla der Europäischen
Südsternwarte (ESO) in Chile, die sich über 4,5 Jahre verteilen. RVSPY ist ein
gutes Beispiel für ertragreiche astronomische Forschung, die an Teleskopen mit
dauerhaftem Zugang über einen langen Zeitraum durchgeführt wird. Solche Studien
wären mit den neuesten Teleskopen kaum möglich, da die Beobachtungszeit pro
Projekt aufgrund der hohen Nachfrage stark begrenzt ist.
Ziel von RVSPY ist es, die Anzahl und Verteilung der (heißen, warmen und
kalten) Riesenplaneten um junge Sterne aufzudecken. Zu diesem Zweck nehmen die
Astronomen und Astronominnen Zeitreihen von Spektren von 111 jungen Sternen auf,
d. h. sie zerlegen das Sternenlicht in seine grundlegenden Farbkomponenten,
ähnlich wie wir es bei einem Regenbogen sehen. Winzige periodische
Verschiebungen in den Sternspektren können auf eine Taumelbewegung des
beobachteten Sterns hinweisen, die durch die Anziehungskraft eines ihn
umkreisenden Planeten verursacht wird. Grundsätzlich kann die Aktivität der
Sterne, wie Pulsationen oder Flares, die Messungen beeinträchtigen, insbesondere
bei jungen Sternen wie HD 114082. Die Qualität der RVSPY-Daten ist jedoch gut
genug, um das Signal des wankenden Sterns zweifelsfrei zu erkennen. Das Team
bezog auch ältere Archivdaten von anderen Teleskopen ein, um die Abdeckung in
die Vergangenheit auszudehnen.
Während die Astronomen diese sogenannte Radialgeschwindigkeitsmethode
anwenden, um auf die Masse und die Umlaufzeit eines Planeten um seinen
Zentralstern zu schließen, müssen sie zur Bestimmung seiner Größe auf eine
andere Technik zurückgreifen: nämlich auf die Transitmethode. Dabei beobachtet
man die periodische geringfüge Verdunklung eines Sterns durch einen Planeten,
der vor dem Stern vorüberzieht. "Wir vermuteten bereits eine Konfiguration der
Planetenbahn, die fast auf der Seite liegt, da vor einigen Jahren ein Ring aus
Staub um HD 114082 entdeckt wurde", sagt Zakhozhay. "Dennoch hatten wir das
Glück, in den TESS-Daten eine Beobachtung mit einer beeindruckenden
Transitlichtkurve zu finden, die unsere Analyse verbesserte."
TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) ist eine NASA-Raumsonde, die
nach Exoplaneten um Sterne in relativer Nähe zur Erde sucht. Durch die
Kombination dieser Messungen fanden Zakhozhay und ihre Kollegen heraus, dass HD
114082 b seinen sonnenähnlichen Mutterstern innerhalb von 110 Tagen in einem
Abstand von etwa 0,5 Astronomischen Einheiten umkreist. Eine Astronomische
Einheit ist der mittlere Abstand zwischen der Sonne und der Erde. Sie ähnelt
damit der Umlaufbahn des Merkurs um unsere Sonne.
HD 114082 b ist einer von nur drei jungen Riesenplaneten mit einem Alter von
bis zu 30 Millionen Jahren, deren Masse und Größe bekannt sind. Und alle stehen
wahrscheinlich im Widerspruch zu den am häufigsten angenommenen Modellen für den
heißen Beginn. Obwohl die Astronomen und Astronominnen mit drei Planeten auf
eine Statistik mit niedrigen Zahlen zurückgreifen, ist es unwahrscheinlich, dass
alle diese Planeten Ausreißer sind. "Zwar werden mehr solcher Planeten benötigt,
um diesen Trend zu bestätigen, aber wir glauben, dass Theoretiker ihre
Berechnungen erneut überdenken sollten", so Zakhozhay. "Es ist spannend, wie
unsere Beobachtungsergebnisse in die Theorie der Planetenbildung einfließen. Sie
tragen dazu bei, unser Wissen darüber zu verbessern, wie diese Riesenplaneten
entstehen, und zeigen uns, wo die Lücken in unserem Verständnis liegen."
Über die Beobachtungen von HD 114082 b berichtet das Team in einem
Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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