30 Jahre ATLAS-Experiment am CERN
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
6. Oktober 2022
Ein besonderer Detektor konnte zu Monatsbeginn Geburtstag
feiern: Vor 30 Jahren unterzeichneten 88 Forschungseinrichtungen eine
Absichtserklärung für das ATLAS-Experiment am CERN. Bis heute ist ATLAS der
größte Teilchendetektor, der je gebaut wurde und zählt noch lange nicht zum
alten Eisen: Aktuell arbeitet man daran, das Experiment für die Zukunft zu
rüsten.
Blick in den geöffneten ATLAS-Detektor: Zu
erkennen sind drei der äußeren Myonkammern
(rechts), die orange gestreiften, 5 mal 25-Meter
großen Magnetspulen sowie die Endkappe des
hadronischen Kalorimeters (Mitte).
Foto: ATLAS / CERN [Großansicht] |
Auch wenn die Absichtserklärung vom 1. Oktober 1992 als Geburtsstunde des
ATLAS-Experiments gilt: Die Planungen dafür reichen bis ins Jahr 1984 zurück.
Bereits damals diskutierte die Teilchenphysik-Gemeinde das Vorhaben, den
damaligen LEP-Beschleuniger durch eine deutlich leistungsfähigere Maschine zu
ersetzen: den Large Hadron Collider (LHC) mit Kollisionsenergien von bis zu 14
Tera-Elektronenvolt (TeV). Mit diesem Projekt verfolgten die Forschenden zum
einen das Ziel, das Standardmodell der Teilchenphysik zu testen und dessen
letzten noch fehlenden Baustein, das Higgs-Boson, zu finden. Zum anderen hofften
sie, "neue Physik" aufzuspüren – zum Beispiel in Form der bislang nur
hypothetischen Supersymmetrie. Parallel zu den Studien für einen neuen
Beschleuniger existierten damals bereits erste Projektideen für Detektoren, mit
denen sich die im LHC produzierten Proton-Proton-Kollisionen aufzeichnen und
auswerten lassen konnten.
"Noch bis weit in das Jahr 1992 hinein gab es mehrere konkurrierende
Konzeptentwürfe für Großdetektoren am LHC. Zwei davon firmierten unter den
Bezeichnungen ASCOT und EAGLE", sagt Siegfried Bethke, Direktor für
Hochenergiephysik am Max-Planck-Institut für Physik (MPP). Die beiden Konzepte wurden
1992 unter dem neuen Namen ATLAS zusammengeführt. ATLAS steht für "A Toroidal
LHC ApparatuS". Die Absichtserklärung zum Bau dieses Detektors unterzeichneten
88 Forschungseinrichtungen aus 24 Ländern. In Deutschland war das MPP Vorreiter
und Treiber für das neue ATLAS-Projekt.
"Unter den Direktoren Friedrich Dydak, Volker Soergel und schließlich
Siegfried Bethke hat unser Institut wesentliche Komponenten für den
ATLAS-Detektor entwickelt und konstruiert", sagt Hubert Kroha, Leiter der
Arbeitsgruppe für das ATLAS-Myonsystem am MPP. "Dies betrifft insbesondere das
technische Design der Myondetektoren." Zudem waren Forschende am MPP an der
Entwicklung einer der beiden Endkappen des hadronischen Kalorimeters beteiligt,
das die Energien der meisten Teilchen misst. Die dritte Komponente, an der neben
dem MPP auch das Max-Planck-Halbleiterlabor mitwirkte, war der innere
Spurdetektor, mit den auf Silizium basierenden, hochauflösenden Streifen- und
Pixelsensoren.
Im Jahr 1993 erteilte das LHC-Komitee der ATLAS-Kollaboration den Auftrag,
einen konkreten Projektentwurf einzureichen. Am 1. Juli 1997 nahm das
ATLAS-Projekt die letzte und entscheidende Hürde: Das CERN gab grünes Licht für
den Bau der Detektoren ATLAS und CMS, einem weiteren Teilchendetektor für
Proton-Proton-Kollisionen. Zusammen mit ATLAS, CMS und zwei weiteren Detektoren
ging der LHC im Jahr 2009 in Betrieb. Mit den aus den Teilchenkollisionen
gewonnenen Erkenntnissen erzielte das Experiment im Jahr 2012 seinen bislang
sichtbarsten Erfolg: den Nachweis des Higgs-Bosons.
Seitdem haben ATLAS-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler die
Eigenschaften dieses Teilchens und andere Parameter des Standardmodells mit
hoher Präzision vermessen. Nach Beendigung der aktuellen dritten Messperiode
wird der LHC ab 2026 zu einer High-Luminosity-Version aufgerüstet. "Damit werden
wir die Anzahl der Kollisionen um das Fünffache steigern können", erklärt
Bethke. "Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, arbeiten wir mit
unseren Partnern mit Hochdruck daran, den ATLAS-Detektor für die steigenden
Datenmengen fit zu machen." Bereits jetzt werden am MPP leistungsfähigere Myonkammern und Elektronik-Komponenten gefertigt, die im generalüberholten
Experiment zum Einsatz kommen werden.
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