Gravitationskonstante neu bestimmt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der ETH Zürich astronews.com
15. Juli 2022
Mit einer neuen Messtechnik haben Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in der Schweiz die Gravitationskonstante G neu bestimmt. Obwohl
der gemessene Wert noch eine hohe Unsicherheit aufweist, hat die Methode großes
Potenzial, um zu einem noch genaueren Wert zu gelangen. Bislang ist G die am
ungenauesten bekannte Naturkonstante.
Mit dieser Versuchsanordnung gelang es
ETH-Forschenden, die Gravitationskonstante neu
zu bestimmen.
Foto:
Jürg Dual / IMES / ETH Zürich
[Großansicht] |
Die Gravitationskonstante G bestimmt die Stärke der Schwerkraft. Diese sorgt
dafür, dass Äpfel zu Boden fallen, oder dass die Erde um die Sonne kreist. Isaac
Newton hat vor über 300 Jahren das Gravitationsgesetz formuliert, in dem diese
Naturkonstante vorkommt. Sie lässt sich nicht mathematisch herleiten, sondern
nur experimentell ermitteln. Obwohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im
Lauf der Zeit zahlreiche Experimente durchgeführt haben, um den Wert der
Gravitationskonstante zu bestimmen, befriedigt der derzeit gültige Wert die
Fachwelt nicht. Er ist noch immer ungenauer als der Wert jeder anderen
fundamentalen Naturkonstante, zu denen etwa die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
gehört.
Dass die Schwerkraft nur äußerst schwer zu fassen ist, hat damit zu tun, dass
sie nur sehr schwach ist und sich auch nicht abschirmen lässt: Misst man die
Schwerkraft zwischen zwei Körpern, misst man auch die Wirkung aller anderen
Körper der Welt mit. "Die einzige Möglichkeit diese Situation aufzulösen,
besteht darin, die Gravitationskonstante mit möglichst vielen verschiedenen
Methoden zu ermitteln", erklärt Jürg Dual, Professor am Departement Maschinenbau
und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Er und seine Mitarbeitenden stellten nun
ein neues Experiment vor, mit dem sie die Gravitationskonstante erneut bestimmt
haben.
Um Störquellen möglichst auszuschließen, baute Duals Team die Messeinrichtung
in der ehemaligen Festung Furggels bei Pfäfers ob Bad Ragaz in der Schweiz auf.
Der Versuchsaufbau besteht aus zwei in Vakuumkammern aufgehängten Balken. Den
einen versetzen die Forschenden in Vibration. Durch die Gravitationskopplung
begann auch der zweite Stab im Pikometerbereich – also ein Billionstel Meter -
zu vibrieren. Die ETH-Forschenden maßen schließlich mit Lasermessgeräten die
Bewegung der beiden vibrierenden Balken und die Messung dieses dynamischen
Effekts erlaubte Rückschlüsse auf die Größe der Gravitationskonstante.
Der Wert, den die Forschenden auf diese Weise ermittelten, liegt um 2,2
Prozent höher als die derzeit offizielle Größe, welche das Committee on Data
for Science and Technology angibt. Allerdings ist der neue Wert mit einer
großen Unsicherheit behaftet, räumt Dual ein: "Für einen zuverlässigen Wert muss
diese Unsicherheit noch deutlich reduziert werden. Wir sind bereits daran,
Messungen mit einem leicht veränderten Versuchsaufbau durchzuführen, um die
Konstante G noch genauer bestimmen zu können." Erste Resultate sind verfügbar,
aber noch nicht publiziert. "Wir sind auf dem richtigen Weg", bestätigt Dual.
Das Experiment läuft ferngesteuert von Zürich aus. Das reduziert Störungen durch
Personal, das vor Ort anwesend ist, auf ein Minimum. Die Forschenden können die
Messdaten jederzeit in Echtzeit anschauen.
Für ihn liegt der Vorteil der neuen Methode darin, dass die Schwerkraft über
die vibrierenden Stäbe dynamisch gemessen werde. "Bei dynamischen Messungen
spielt es im Gegensatz zu statischen keine Rolle, dass sich die von anderen
Körpern wirkende Schwerkraft nicht abschirmen lässt", erklärt er. Er hofft
daher, dass er und sein Team mit dem Experiment dazu beitragen können, das
Rätsel der Gravitation zu knacken.
Die Wissenschaft hat diese Naturkraft oder die Experimente, die sich darauf
beziehen, noch immer nicht vollständig verstanden. Ein besseres Verständnis der
Gravitation würde es beispielsweise erlauben, die Signale von Gravitationswellen
besser zu interpretieren. Solche Wellen konnten im Jahr 2015 in den
LIGO-Observatorien in den USA erstmals nachgewiesen werden. Sie waren das
Resultat von zwei sich umkreisenden Schwarzen Löchern, die in rund 1,3
Milliarden Lichtjahren Entfernung zur Erde verschmolzen waren. Seither konnten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Dutzende solche Ereignisse
dokumentieren. Könnte man solche Ereignisse detailliert nachzeichnen, ließen
sich neue Einblicke in das Universum und dessen Geschichte gewinnen.
Jürg Dual beschäftigt sich seit 1991 mit Methoden zur Messung der
Gravitationskonstante, stellte die Arbeit daran zwischenzeitlich aber wieder
ein. Die Beobachtung von Gravitationswellen am LIGO verlieh seiner Forschung
neuen Schub, und 2018 nahm er die Gravitationsforschung wieder auf. 2019
richtete die Gruppe das Labor in der Festung Furggels ein und setzte neue
Experimente auf. Über ihr Verfahren berichtet das Team in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Nature Physics erschienen ist.
|