Iso-Propanol in Sagittarius B2 nachgewiesen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Radioastronomie astronews.com
29. Juni 2022
Einem internationalen Team ist mithilfe des
Radioteleskopverbunds ALMA der erstmalige Nachweis des Moleküls Iso-Propanol im
interstellaren Raum gelungen. Iso-Propanol ist das größte bisher im
interstellaren Raum entdeckte Alkoholmolekül. Aufgespürt wurde es in der
Sternentstehungsregion Sagittarius B2 in der Nähe des Zentrums unserer Galaxie.

Die Position des massereichen
Sternentstehungsgebiets Sagittarius B2 in der
Nähe der zentralen Quelle unserer Milchstraße,
Sgr A*. Das Hintergrundbild stammt aus einer
Kartierung der galaktischen Ebene mit den
Effelsberg- und VLA-Radioteleskopen (GLOSTAR) und
zeigt Radioquellen im Bereich des galaktischen
Zentrums. Die Isomere Propanol und Iso-Propanol
wurden beide durch Beobachtungen mit dem
ALMA-Teleskop in Sagittarius B2 nachgewiesen.
Bild: GLOSTAR-Kollaboration
(Hintergrundbild). Wikipedia/Public Domain
(Molekülmodelle) [Großansicht] |
Die Suche nach Molekülen im Weltraum erfolgt bereits seit mehr als 50 Jahren.
Bis heute konnten Forschende 276 Moleküle im interstellaren Medium
identifizieren. Die Kölner Datenbank für Molekülspektroskopie (CDMS) präsentiert
spektroskopische Daten zum Nachweis dieser Moleküle, die von vielen
Forschungsgruppen beigesteuert wurden, und hat in vielen Fällen zur
Identifikation dieser Moleküle beigetragen. Ziel der jetzt vorgestellt Studie
war es zu verstehen, wie sich organische Moleküle im interstellaren Medium
bilden, insbesondere in Regionen, in denen neue Sterne geboren werden, und wie
komplex diese Moleküle sein können.
Eine Motivation dahinter ist, Verbindungen zur chemischen Zusammensetzung von
Körpern im Sonnensystem wie Kometen herzustellen, wie sie zum Beispiel die
Rosetta-Mission zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko vor einigen Jahren
geliefert hat. Eine besonders geeignete Sternentstehungsregion in unserer
Galaxis, in der in der Vergangenheit bereits viele Moleküle nachgewiesen werden
konnten, ist Sagittarius B2 (Sgr B2), ganz in der Nähe von Sgr A* dem
supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße.
"Unsere Gruppe hat vor mehr als 15 Jahren begonnen, die chemische
Zusammensetzung von Sgr B2 mit dem 30-m-IRAM-Radioteleskop zu untersuchen", sagt
Arnaud Belloche vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn.
"Diese Beobachtungen waren erfolgreich und führten insbesondere zum ersten
interstellaren Nachweis einer Reihe von organischen Molekülen, neben vielen
anderen Ergebnissen."
Mit dem „Atacama Large Millimeter/submillimeter Array“ (ALMA), das vor zehn
Jahren den Betrieb aufnahm, wurde es möglich, über das hinauszugehen, was mit
einzelnen Radioteleskopen in Richtung Sgr B2 erreicht werden konnte, und es
wurde eine Langzeitstudie der chemischen Zusammensetzung von Sgr B2 mit hoher
Winkelauflösung begonnen, die auch die hohe Empfindlichkeit von ALMA nutzt. Die
ALMA-Beobachtungen haben seit 2014 zur Identifizierung von drei neuen
organischen Molekülen (Isopropylcyanid, N-Methylformamid, Harnstoff) geführt.
Das neueste Ergebnis im Rahmen dieses ALMA-Projekts stellt nun der Nachweis
von Propanol (C3H7OH) dar. Propanol ist das größte bisher im interstellaren Raum
entdeckte Alkoholmolekül. Dieses Molekül existiert in zwei Formen ("Isomeren"),
je nachdem, an welches Kohlenstoffatom die funktionelle Hydroxylgruppe (OH)
gebunden ist: normales Propanol, bei dem das OH an ein endständiges
Kohlenstoffatom der Kette gebunden ist, und Iso-Propanol, bei dem das OH an das
zentrale Kohlenstoffatom der Kette gebunden ist. Beide Isomere von Propanol in
Sgr B2 konnten im ALMA-Datensatz identifiziert werden.
Es ist das erste Mal, dass Iso-Propanol, das auf der Erde als
Desinfektionsmittel verwendet wird, im interstellaren Medium und normales
Propanol in einer Sternentstehungsregion nachgewiesen werden konnten. Der erste
interstellare Nachweis von Normal-Propanol wurde kurz vor dem ALMA-Nachweis von
einer spanischen Forschergruppe mit Einzelteleskopen in einer Molekülwolke
unweit von Sgr B2 erbracht. Der Nachweis von Iso-Propanol in Richtung Sgr B2 war
jedoch nur mit ALMA möglich.
"Der Nachweis beider Isomere des Propanols ist von einzigartiger
Aussagekraft, wenn es darum geht, den Entstehungsmechanismus der beiden Isomere
zu bestimmen. Weil sie sich so ähnlich sind, verhalten sie sich auch
physikalisch sehr ähnlich, was bedeutet, dass die beiden Moleküle an denselben
Orten und zu denselben Zeiten vorhanden sein sollten", sagt Rob Garrod von der
University of Virginia in Charlottesville in den USA. "Die einzige
offene Frage ist die nach den genauen Mengen, die vorhanden sind - das macht ihr
interstellares Häufigkeitsverhältnis viel präziser, als es bei anderen
Molekülpaaren der Fall wäre. Das bedeutet auch, dass das chemische Netzwerk sehr
viel genauer abgestimmt werden kann, um die Mechanismen für ihre Entstehung zu
ermitteln."
Das ALMA-Teleskopnetzwerk war dank seiner hohen Empfindlichkeit, seiner hohen
Winkelauflösung und seiner breiten Frequenzabdeckung entscheidend für den
Nachweis beider Isomere von Propanol in Richtung Sgr B2. Eine Schwierigkeit bei
der Identifizierung von organischen Molekülen in den Spektren von
Sternentstehungsgebieten ist die Konfusion im Spektrum. Jedes Molekül sendet
Strahlung bei bestimmten Frequenzen aus, seinen spektralen "Fingerabdruck", der
aus Labormessungen bekannt ist.
"Je größer das Molekül ist, desto mehr Spektrallinien bei verschiedenen
Frequenzen wird es emittieren. In einer Quelle wie Sgr B2 gibt es so viele
Moleküle, die zur beobachteten Strahlung beitragen, dass sich ihre Spektren
überschneiden und es schwierig ist, ihre Fingerabdrücke zu entwirren und sie
einzeln zu identifizieren", sagt Holger Müller von der Universität Köln, wo
Labormessungen insbesondere zu normalem Propanol durchgeführt wurden.
Dank der hohen Winkelauflösung von ALMA war es möglich, Teile von Sgr B2 zu
isolieren, die sehr schmale Spektrallinien emittieren - fünfmal schmaler als die
Linien, die mit dem 30-m-IRAM-Radioteleskop auf größeren Skalen nachgewiesen
wurden. Die Schmalheit dieser Linien reduziert die Konfusion im Spektrum, und
das war auch der Schlüssel zur Identifizierung der beiden Isomere von Propanol
in Sgr B2. Auch die Empfindlichkeit von ALMA spielte eine wichtige Rolle: Bei
einer zweimal schlechteren Empfindlichkeit wäre es nicht möglich gewesen,
Propanol in den gesammelten Daten zu identifizieren.
Diese Forschung ist ein langjähriges Projekt, um die chemische
Zusammensetzung in unterschiedlichen Regionen von Sgr B2 zu untersuchen, in
denen neue Sterne entstehen, und so die chemischen Prozesse zu verstehen, die
bei der Sternentstehung ablaufen. Das Ziel ist es, die chemische Zusammensetzung
der Sternentstehungsgebiete zu bestimmen und möglicherweise neue interstellare
Moleküle zu identifizieren.
"Propanol steht schon lange auf unserer Liste der aufzuspürenden Moleküle,
aber erst die jüngste Vergleichsarbeit im Labor zur Charakterisierung des
Spektrums der Rotationsübergänge hat es uns ermöglicht, die beiden Isomere von
Propanol eindeutig zu identifizieren", sagt Oliver Zingsheim, ebenfalls von der
Universität Köln. Der Nachweis eng verwandter Moleküle, die sich in ihrer
Struktur leicht voneinander unterscheiden (wie normales und Iso-Propanol oder,
wie bereits in der Vergangenheit, normales und Iso-Propylcyanid), und die
Messung ihres Häufigkeitsverhältnisses ermöglicht es den Forschern, bestimmte
Teile des chemischen Reaktionsnetzwerks zu untersuchen, das zur Produktion von
Molekülen im interstellaren Medium führt.
"Es gibt noch viele unidentifizierte Linien im ALMA-Spektrum von Sgr B2 und
somit noch eine Menge Arbeit, um die chemische Zusammensetzung dieser wichtigen
Quelle zu entschlüsseln. In naher Zukunft wird uns die Erweiterung der
ALMA-Instrumentierung auf niedrigere Frequenzen wahrscheinlich dabei helfen, die
Konfusion im Spektrum noch weiter zu reduzieren und möglicherweise weitere
organische Moleküle in Sgr B2 zu identifizieren", schließt Karl Menten, Direktor
am MPIfR und Leiter der Forschungsabteilung Millimeter- und
Submillimeterastronomie.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in zwei Fachartikeln, die in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen sind.
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