Komplexe organische Moleküle um jungen Stern
von Stefan Deiters astronews.com
9. April 2015
Mithilfe des Radioteleskopverbunds ALMA haben Astronomen
komplexe organische Moleküle in der protoplanetaren Scheibe um einen jungen
Stern nachweisen können. Die Verbindungen gelten als Grundbausteine für Leben. Die Entdeckung
werten die Forscher als weitere Bestätigung dafür, dass die Bedingungen, unter
denen sich die Sonne und die Planeten bildeten, in unserer Galaxie weit
verbreitet sind.

In der protoplanetaren Scheibe um den jungen
Stern MWC 480 haben Astronomen komplexe
organische Moleküle entdeckt (künstlerische
Darstellung).
Bild: B. Saxton (NRAO/AUI/NSF) [Großansicht]
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Ziel der jetzt vorgestellten Beobachtungen mit dem Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array (ALMA) war der junge Stern MWC 480. Er hat etwa
die doppelte Masse unserer Sonne und liegt in einer Entfernung von 455
Lichtjahren im Sternbild Stier. Der Stern ist noch sehr jung, nur eine Million
Jahre alt, und von einer
Scheibe aus Gas und Staub umgeben, die sich auch noch in einer sehr frühen Phase ihrer
Entwicklung befindet.
In solchen protoplanetaren Scheiben können Planeten entstehen, so dass ihre
Zusammensetzung für Astronomen von großem Interesse ist. Mithilfe von ALMA
konnten die Wissenschaftler nun in den äußeren Regionen der Scheibe, die etwa
unserem Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn entsprechen dürfte, große Mengen an
Methylcyanid nachweisen, ein komplexes kohlenstoffhaltiges Molekül. Um MWC 480
ist offenbar ausreichend Metylcyanid vorhanden, um alle Ozeane der Erde damit zu
füllen. Außerdem gelang auch der Nachweis von Cyanwasserstoff.
Aus dem Kuipergürtel stammen zahlreiche Kometen. Die Wissenschaft geht heute
davon aus, dass Kometen und auch Asteroiden aus dieser Region des Sonnensystems
in der Anfangsphase der Erdentwicklung unsere Heimatwelt mit Wasser und
organischen Molekülen angereichert und damit die Entstehung von primitivem Leben
vorbereitet haben. Die Untersuchung von Kometen liefert damit Erkenntnisse über
die chemische Zusammensetzung des Materials, das auch auf der jungen Erde
anzutreffen war.
"Studien über Kometen und Asteroiden zeigen, dass der solare Nebel, aus dem
unsere Sonne und die Planeten entstanden sind, reich an Wasser und komplexen
organischen Verbindungen war", so Karin Öberg vom Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics im US-amerikanischen Cambridge. "Wir haben jetzt bessere Beweise
dafür, dass es die gleichen chemischen Verhältnisse auch an anderen Orten im
Universum gibt und dort somit auch ganz ähnliche Sonnensysteme entstehen
könnten." So hätte man die um MWC 480 nachgewiesenen Moleküle in vergleichbaren
Konzentrationen auch in den Kometen des Sonnensystems gefunden.
Cyanide sind für die Wissenschaftler insbesondere deshalb von
Interesse, weil sie Kohlenstoff-Stickstoff-Bindungen enthalten, die bei der
Entstehung von Aminosäuren eine Rolle spielen. Diese wiederum sind ein wichtiger
Grundbaustein für Leben. Bislang wusste man allerdings nicht sicher, ob diese
komplexen organischen Moleküle nicht nur in Ausnahmefällen in der Umgebung von jungen Sternen
überleben können, wo Stoßwellen und intensive Strahlung chemische Verbindungen
unter Umständen schnell zerstören.
Die neuen Beobachtungen mit ALMA zeigen nun, dass diese Verbindungen unter
diesen Bedingungen nicht nur existieren, sondern sich offenbar sogar bilden
können. Die nachgewiesenen Häufigkeiten der Stoffe liegen nämlich deutlich über
denen, die man etwa im interstellaren Medium findet.
"Aus der Exoplaneten-Forschung weiß man inzwischen, dass unser Sonnensystem
mit Blick auf die Anzahl der Planeten oder der Häufigkeit von Wasser nichts
Ungewöhnliches ist", so Ödberg. "Jetzt wissen wir auch, dass die chemischen
Verhältnisse hier nicht einzigartig sind. Einmal mehr haben wir gelernt, dass
wir nichts Besonderes sind. Für die Frage nach weiterem Leben im Universum sind
das hervorragende Neuigkeiten."
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in der heute erscheinenden
Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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