Wasserreservoir in der Wiege eines Sterns
von Stefan Deiters astronews.com
9. Oktober 2012
Das europäische Weltraumteleskop Herschel hat in
einer Wolke aus Gas und Staub genug Wasserdampf entdeckt, um damit die Ozeane
der Erde über 2000-mal füllen zu können. Die Wolke ist kurz davor zu einem Stern
zu kollabieren und dürfte noch weitaus größere Mengen an Wasser in Form von Eis
enthalten. Für möglicherweise entstehende Planeten sollte also ausreichend
Wasser zur Verfügung stehen.

Herschels Infrarotblick auf Lynds 1544 in der
Taurus-Molekülwolke. Oben das gemessene
Spektrum von Wasser.
Bild: ESA / Herschel /SPIRE / HIFI /
Caselli et al. |
Sterne bilden sich aus Wolken aus Gas und Staub, in denen es schon all die
Bestandteile gibt, die einmal nötig sind, um die Sonne selbst, aber auch um
Planeten entstehen zu lassen. Wasser konnten Astronomen schon an verschiedenen Stellen
außerhalb des Sonnensystems nachweisen, beispielsweise als Eis auf kleinen
Staubkörnern in der Nähe von aktiven Sternentstehungsgebieten oder in
protoplanetaren Scheiben, also in Scheiben aus Staub und Gas um einen gerade
entstandenen Stern, in denen sich theoretisch Planeten bilden können (astronews.com
berichtete).
Das europäische Infrarot-Weltraumteleskop Herschel hat nun erstmals
Wasserdampf in einer Molekülwolke entdeckt, die gerade kurz davor ist, zu einem
Stern zu kollabieren. Die Beobachtung gelang in dem Objekt Lynds 1544 im
Sternbild Stier und wird in einem Fachartikel in der Zeitschrift
Astrophysical Journal Letters beschrieben. In der Wolke befindet sich so
viel Wasser in Dampfform, dass sich damit die Ozeane der Erde mehr als 2.000-mal
füllen lassen würden. Der Wasserdampf stammt von vereisten Staubkörnern und
entstand durch die Wirkung hochenergetischer kosmischer Strahlung.
"Um diese Menge an Wasserdampf zu erzeugen, muss es in der Wolke selbst eine
große Menge an Wassereis geben, soviel wie etwa drei Millionen Erdozeane",
vermutet Paola Caselli von der University of Leeds. "Vor unseren
Beobachtungen hatte man angenommen, dass sich das gesamte Wasser in gefrorener
Form auf Staubkörnern befindet, da es dort einfach zu kalt ist, um gasförmig
sein zu können und weil man es auch nicht beobachtet hat. Jetzt müssen wir
unsere Vorstellungen über die chemischen Prozesse in diesen dichten Regionen
überdenken, insbesondere auch die Rolle der kosmischen Strahlung, die für die
Existenz von einer gewissen Menge an Wasserdampf wichtig sein könnte."
Die Beobachtungen von Herschel haben auch gezeigt, dass sich die
Wassermoleküle offenbar in Richtung des Zentrums der Wolke bewegen, also dahin,
wo sich der neue Stern vermutlich bilden wird. Für die Astronomen ist dies ein
Hinweis darauf, dass der gravitative Kollaps gerade begonnen hat.
"Es gibt in dieser dunklen Wolke heute absolut keinen Hinweis auf Sterne",
erläutert Caselli, "aber die Bewegung der Wassermoleküle in dieser Region könnte
als Kollaps in Richtung des Zentrums der Wolke interpretiert werden. Es ist
ausreichend Material vorhanden, um einen Stern mit mindestens der Masse unserer
Sonne entstehen zu lassen und das bedeutet, dass auch ein Planetensystem
entstehen könnte, das unserem ähnlich ist."
Ein Teil des Wasser, das in Lynds 1544 entdeckt wurde, dürfte Teil des neu
entstehenden Sterns werden. Der Rest jedoch wird sich in einer Scheibe rund um
die junge Sonne sammeln und damit eine Art Wasserreservoir für potentiell hier
entstehende Planeten bilden. "Dank Herschel können wir nun den Weg des
Wassers von den Molekülwolken im interstellaren Medium, über die Sternentstehung
bis auf einen Planeten wie die Erde verfolgen, wo Wasser eine wichtige Zutat für
Leben ist", fasst Göran Pilbratt, der Projektwissenschaftler für Herschel
bei der ESA, zusammen.
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